1. Birthday

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"Kenan! Wach auf!"
Müde öffnete ich bei der Stimme die Augen, als auch schon kurz darauf eine junge Dame sich auf meine Beine hockte und mir grinsend durch das Haar wuschelte. "Komm schon kleiner Cousin, diesen Geburtstag von dir will ich wo anders verbringen, du sollst lächeln und lachen", flüsterte sie und knuddelte mich anschließend. Großer Wirbelwind. Jedenfalls manchmal.

"Guten Morgen, Kayleigh... Geh runter, sonst kann ich mich nicht fertig machen." Ich gähnte, während sie begann zu lachen und leicht nickte, bevor sie von mir kletterte. Die Decke schlug sie zurück, öffnete das Fenster und verließ den Raum. Ich jedoch seufzte nur leise. Der Geburtstag würde eh wieder schlecht enden, wie auch sonst. Es war immer so. Erst war alles gut und schön, doch dann... Dann kam er.

Leise seufzte ich erneut und setzte mich nun vorsichtig auf. Mit einem leisen Gähnen stand ich auf, schüttelte das Kissen auf und legte die Decke richtig auf das niedrige Bett, wobei ich mich kurz streckte um die Verspannung zu lösen. Mein Rücken, so wie auch mein Nacken knackten leicht schmerzvoll, weswegen ich kurz über Letzteren rieb. Zu wenig Schlaf und ein unbequemes Bett waren nicht praktisch. Definitiv nicht.

Mein Blick glitt durch das Zimmer. Die Fensterscheibe hatte mehrere Risse, der Wind zog durch. Die Tapete an den Wänden splitterte leicht ab; das bisschen weiß wich dem schwarzgrauen Beton darunter. Der braune Schrank in der Ecke war an den Rändern geschädigt, der Spiegel darin zerschlagen, das Polster der Stühle aufgeschnitten. Und dies nannte ich gezwungenermaßen mein Zuhause. Ein Zuhause voll mit Schimmel. Doch eine einzige gute Sache gab es hier, nur eine, vielleicht auch zwei, wenn ich Kayleigh mitzählen durfte. Wegen dieser einen Sache kniete ich mich nun auch vorsichtig vor das Bett und zog die Holzdiele hervor, welche am Boden locker war, ehe ich meine Kiste hinaus zog. Das lackierte Holz war noch gut erhalten und hatte keine Kratzer. Der Verschluss war damals vergoldet worden, was ihr ein edles, antikes Aussehen verlieh. Die Truhe war mittlerweile auch schon siebenundzwanzig, vorher hatte sie meiner Mutter gehört. Vorsichtig öffnete ich sie und sah kurz auf den Inhalt hinab, strich einmal über die Gitarren-saiten, doch ertönten Schritte, schwerer als die von Kayleigh, weswegen ich sie eilig schloss und die Truhe zurück schob, die Holzdiele erneut rauf. Hastig rappelte ich mich auf, wischte den Staub von meiner Boxershorts und ging an den Schrank, aus welchem ich ein weißes Shirt zog, wobei die Schritte verklangen. Erneut seufzte ich und zog mich dann an, ehe ich durch meine Haare fuhr und anschließend runter lief.

Meine Cousine wartete bereits unten, eine Tasche über ihrer Schulter. Ihre Haare schimmerten rötlich, während sie zu mir aufsah und anschließend grinste. "Komm, frühstücken tun wir draußen", grinste sie und nahm meine Hand, ehe sie unsere Finger verschränkte und mich hinauszog. "Wa...?"
"Stelle keine Fragen Kenan und komm einfach mit, ich denke es wird dir Gefallen", grinste sie und zog mich weiter.
"Kayleigh... bitte... Ich", fing ich leise an, verstummte jedoch und blieb stehen. Ihre zierliche Hand rutschte aus der meinen, ehe sie ihren Kopf leicht drehte, über die Schulter zu mir sah. "Ich... es... Tut mir leid, Kay. Ich kann nicht, nicht einen Tag bevor... Du weißt schon... Ja ich bin älter, volljährig, aber wieso soll ich es feiern, wenn es mir nichts bringt? Ich... Tut mir leid... Lass es uns als normalen Tag sehen, ja?"
Kayleigh nickte zwar, doch konnte ich deutlich sehen, dass es sie sehr verletzte, weswegen ich seufzend ihre Hand nahm und sie zu mir zog. Leicht streckte ich mich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Sorry, aber du kennst mich. Ich kann es nicht, auch wenn ich möchte, aber es fühlt sich falsch an, etwas zu feiern, was irrelevant ist, denn das ist es. Wieso soll ich es feiern ein Jahr älter zu sein? Sollte man sich nicht eher an jedem Tag erfreuen, den man lebt, oder sich in manchen Fällen auch in die Tränen und die Angst verfallen lassen? Jeder Tag, jede Sekunde, die wir lebten war wichtig, denn sie formte uns zu dem, was wir schließlich werden würden, doch was das wird, das kann niemand vorher sagen. Aber wieso dachte ich darüber nach, es interessierte doch eh niemanden, vor allem nicht, wenn ich etwas sagte. Ich war nun mal ein niemand.
~~~
Kayleigh lachte und wuschelte mir durch das Haar. Mittlerweile hatten wir bereits gefrühstückt und es war früher Vormittag. Wieso sie lachte wusste, ich nicht, aber gut, sie fing öfters an ohne Grund zu lachen. Manchmal war ihr Lachen ansteckend, aber eben nur manchmal. "Wo willst du hin?", fragte ich.

Kenan- Hurt and BrokenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt