Schlechte Freundin

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Jim

Als ich aufwache ist es stockdunkel im Zimmer. Wie spät ist es? Ich drehe mich zur Seite, nur um festzustellen, dass Nico nicht da ist. Sag nicht er hatte wieder einen Wutanfall und ist abgehauen? Stöhnend quäle ich mich aus dem Bett und versuche in der Dunkelheit nicht zu stolpern. Mit mehr oder weniger eleganten Schritte komme ich bei der Tür an. Ich verlasse unser Zimmer und nehme bekannte Stimmen aus dem Wohnzimmer war. Ich begebe mich auf direktem Wege dorthin, bleibe aber versteckt stehen, sodass sie mich nicht sehen können.
"Am Anfang war es wirklich schwer Ramiros Vertrauen wiederzubekommen, aber jetzt sind wir wieder unzertrennlich" höre ich die Stimme meines Freundes. Dieser sitzt auf dem Sofa, seine Mutter im gegenüberstehenden Sessel.
"Es tut mir leid, das ich all die Jahre nichts gesagt habe" entschuldigt sie sich bei ihm.
"Schon okay, besser spät als nie" erwidert Nico darauf. Da die beiden wirklich mal ein Gespräch führen begebe ich mich wieder auf unser Zimmer. Vielleicht wird das ja doch noch was mit den Beiden. Ich schaue auf mein Handy, welches 23:49 Uhr anzeigt. Doch so spät. Ob Yam wach ist? Okay, es ist gleich um Vier in Buenos Aires, also bezweifle ich es. Allerdings sind Ferien, also stehen die Chancen Fifty Fifty. Naja, versuchen kann man es ja mal. Ich rufe Yam an und tatsächlich geht sie nach zweimal klingeln ran.
"Jimena, ich hoffe für dich es ist ein verdammt guter Grund jetzt anzurufen!" knurrt Ramiro mir ins Ohr.
"Ich wollte einfach nur mit Yam reden" sage ich etwas verängstigt.
"Dann ruf wann anders an, ich hab die ganze Nacht gebraucht damit sie einschläft"
"Was ist denn mit Yam?" frage ich besorgt.
"Du weißt es nicht?" fragt Ramiro mich.
"Was weiß ich nicht?"
"Yams Eltern, sie wurden angefahren. Ihre Mutter war sofort tot, ihr Vater kämpft noch, sein Zustand ist kritisch"
Das ist schrecklich! Und ich blöde Kuh hab mich nie gemeldet. Ich bin so eine schlechte Freundin.
"Oh Mein Gott" hauche ich ins Handy. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.
"Ich leg jetzt wieder auf, ruf mich in ein paar Stunden nochmal an, dann reden wir. Ciao" 
Damit ist das Gespräch beendet. Das Handy rutscht mir aus der Hand. Ich lege mir die Hände vor die Augen und schüttel den Kopf. Warum kam ich auch nicht auf die Idee einmal nachzufragen, wie es ihr geht oder was sie macht? Ich hab mich nicht um sie gekümmert. Ich bin die schlechteste Freundin der Welt. Mit meiner Taschenlampe auf dem Handy suche ich nach Taschentüchern im Zimmer, die ich auch schnell finde. Mir sind ein paar Tränen über die Wangen gerollt. Ich bin so dumm, wieso hab ich nicht gemerkt das etwas nicht stimmt? So blind kann doch kein Mensch sein. Ich bin gerade am ausschnauben, als sich die Zimmertür öffnet.
"Jimena?" fragt Nico und macht das große Licht an. Ich will ihn nicht ansehen, er soll nicht merken was los ist. Viel lieber soll er sich wieder mit seiner Mutter unterhalten, denn es wird ihm bestimmt gut tun.
"Alles gut, meine Nase ist nur etwas verstopft" lüge ich, schaue ihn dabei aber noch immer nicht an.
"Bist du dir sicher das alles gut ist?"
Nico tritt näher und als er neben mir sitzt dreht er meinen Kopf zu sich.
"Warum hast du geweint?" fragt er besorgt und streicht über meine Wangen.
"Ich bin so dumm Nico, so dumm" antworte ich nur und schließe meine Augen um meine Beherrschung wieder zu erlangen.
"Jim, bitte sag mir was los ist. Komm schon, ich kann dir vielleicht helfen" 
Nicos ruhige Stimme bringt mich etwas runter.
"Yam geht es schlecht und ich? Ich hab nicht einmal nachgefragt, hab mich nur um meine Sachen gekümmert" erzähle ich die Kurzfassung.
"Schatz, da musst du dir wirklich keine Vorwürfe machen, das passiert im Urlaub. Man schaltet ab, lässt die Dinge in der Heimat seinen Lauf nehmen und genießt die Tage"
"Nico, verdammt! Ihre Mutter ist tot und ihr Vater ist auch im kritischen Zustand. Nicht Yam hat mir das gesagt, sondern Ramiro! Ich wusste nichts davon, gar nichts. Ich habe mich einen Dreck um sie geschert, ich bin so eine Egoistin"
"Jetzt ist gut" ermahnt Nico mich, "Das was mit Yams Eltern passiert ist, ist schrecklich, ich weiß. Trotzdem darfst du dich nicht fertig machen. Wir können nichts dafür. Pass auf, du legst dich jetzt schlafen und wenn du wieder wach bist, dann reden wir nochmal drüber. Vielleicht kannst du dann mit Yam skypen, irgendwas wird uns einfallen hörst du? Keine Panik"
"Aber ich muss doch was tun" jammere ich.
"Jetzt musst du schlafen Schatz, okay? Wir reden wann anders darüber"
Nico schlägt die Bettdecke zurück und ich krabbele auf meine Seite. Dort kuschel ich mich in die Decke ein und schaue meinen Freund an.
"Kommst du nicht mit ins Bett?" frage ich erwartungsvoll.
"Ich wollte noch ein bisschen mit meiner Mutter quatschen...außer natürlich du brauchst mich so sehr, dann kann ich auch hierbleiben" grinst er.
"Nein, geh ruhig, ich bin ja froh das Frieden herrscht" lächle ich ihn an.
"Na schön, dann schlaf jetzt..ich liebe dich"
Nico drückt mir einen Kuss auf die Stirn und verlässt dann das Zimmer, nachdem er das Licht ausgemacht hat.

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Als ich aufwache fühlt es sich an als wären 35 Grad im Zimmer. Der Grund dafür liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf mir. Nico hat sich in der Nacht wieder so komisch über mich gelegt. Vorsicht streiche ich durch seine Haare, denn sein Kopf liegt knapp über meinen Brüsten.
"Nico, ich muss pinkeln" sage ich leise, als ich ihn lachen höre. 
"Das ist nicht witzig" gifte ich ihn an.
"Du zerstörst immer diese romantische Stimmung am Morgen" macht er sich lustig und rollte sich dann von mir runter.
"Tut mir leid, aber wenn ich das nicht tun würde, dann wäre es nicht mehr romantisch, sondern peinlich"
Auf schnellsten Wege suche ich das Bad auf und erleichtere mich. Im Bad mache ich mich noch kurz frisch und will gerade in unser Zimmer, als Isabella zu mir kommt. Sie zieht mich in eine starke Umarmung, ehe sie mir ein "Danke" ins Ohr flüstert.
"Wofür?" frage ich, als wir uns wieder voneinander gelöst haben.
"Nico ist einen Schritt auf mich zugekommen. Wir haben geredet, die halbe Nacht lang. Dank dir Jim, ich bin so froh das Nico dich hat" bedankt sie sich und drückt meine Hände.
"Ich habe nichts gemacht" lehne ich ihr Dankeschön indirekt ab.
"Oh doch, mehr als du denkst. Willst du einen Tee und ein paar Kekse? Nicolás hat erzählt das es dir in der Nacht nicht so gut ging"
Nico kann sagen was er will, seine Mutter ist verdammt süß und herzlich.
"Nein, mach dir keine Umstände" lehne ich ab.
"Ach was, das sind doch keine Umstände, ich mach das wirklich gern. Schick Nicolás raus, er soll die Sachen dann aus der Küche abholen. Und du setzt dich wieder ins Bett und lässt meinen Sohn das mal machen"
"Dankeschön" 
Dieses Dankeschön kommt aus tiefsten Herzen, ich habe seine Mutter schon vom ersten Moment an ins Herz geschlossen.
"Nicht dafür Schätzchen, und jetzt ab ins Bett" grinst sie und schiebt mich sanft in Richtung Zimmer.

Ich liebe Nicos Mutter, sie ist so 'ne Süße.

Gegensätze Ziehen Sich An...Oder Eher AusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt