Krankenhausbesuch

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Jim

Nico schläft Gott sei Dank noch. Es hat ewig gedauert, bis er heute geschlafen hat. Endlich habe ich die Möglichkeit Yam anzurufen. Ich hatte sie in der ganzen Aufregung schon wieder vergessen. Gibt es einen Preis für die schlechteste Freundin der Welt? Der wäre dann nämlich meiner. Ich begebe mich in die Küche und rufe meine beste Freundin an. Nach ein paar Sekunden nimmt sie ab.
"Yam. Oh mein Gott, es tut mir so leid. Ich bin so egoistisch. Ich wollte mich melden, ich schwöre es. Es war nur so viel los..und mein herzliches Beileid...wie gehts deinem Papá?" ratter ich alles runter.
"Er ist über dem Berg" ist das einzige was sie antwortet.
"Verzeih mir bitte. Ich bin so eine miese Freundin und es gibt keinen Grund der dem gerecht wird, das ich mich nicht gemeldet habe"
"Schon gut, so hatte ich immerhin Zeit für mich" murmelt sie.
"In vier Tagen sehen wir uns wieder. Dann darfst du mich auch anschreien und schlagen und deine ganze Trauer, Frust und was sich sonst noch aufgestaut hat an mir rauslassen"
"Ist schon okay Jim"
"Nein ist es nicht. Verdammt Yam, bitte schrei mich an oder beledige mich, aber wenn du so ruhig bist, ist es noch unerträglicher für mich"
"Ich muss jetzt auflegen, Ramiro und ich fahren zu meinem Papá"
"Meldest du dich, wenn es was neues gibt?"
"Wir sehen uns in ein paar Tagen"
Und damit ist das Telefonat beendet. Ich kann den Urlaub nicht genießen. Nicos Mutter liegt im Krankenhaus, er selbst hat panische Angst dort zu sein und meine beste Freundin hat ihre Mutter verloren und ich melde mich viel zu spät. Ich will einfach nur die Zeit zurückdrehen..am besten bis zu dem Zeitpunkt vor dem Urlaub. Da, wo noch alles gut war. Der Appetit auf Frühstück ist mir vergangen, weswegen ich mich wieder in unser Zimmer begebe.
"Da bist du ja, ich hab dich schon vermisst" höre ich Nico sagen. Er sitzt aufrecht auf dem Bett und streckt sich. Jeder Muskel ist bei ihm angespannt, während bei mir alles verrückt spielt. Ich will nicht mehr warten. Wenn irgendwann der Moment da ist, dann lasse ich es geschehen. Ich liebe Nico und vertraue ihm zu hundert Prozent.
"Komm her, oder willst du da noch ewig stehen bleiben?"
Ich hab gar nicht mitbekommen das er mich ansieht. Und wie er mich ansieht. Schon allein durch seinen Blick fühle ich mich nackt. Seine Augen mustern mich intensiv von Kopf bis Fuß.
"Du bist so wunderschön" lächelt er mich an und ich spüre wie meine Wangen sich leicht rot färben. 
"Jetzt komm her, ich will dich ein paar Minuten noch bei mir haben, ehe wir aufstehen müssen"
Ohne was zu erwidern krabbel ich zu ihm aufs Bett und setze mich auf seinen Schoß. 
"Das ist nicht der Urlaub den ich wollte. Es tut mir leid, das ich ihn so versaut habe" entschuldigt er sich.
"Schon okay, du kannst ja nichts dafür"
"Doch natürlich. Ich hätte einfach die Klappe halten sollen, wie früher immer. Ich hoffe du bist nicht allzu sauer"
"Ich bin nicht sauer, es ist alles gut"
"Der nächste Urlaub wird besser" 
"Wo geht der denn hin?"
"Das darfst du dann aussuchen, ich folge dir überall mit hin"
"Das klingt nach einem Plan. Es ist schön zu hören das du schon an den nächsten gemeinsamen Urlaub denkst"
"Du etwa nicht? Ich bin empört" neckt Nico mich.
"Du Idiot" lache ich und schlage ihm sanft gegen die Wange.
"Ja, ich bin ein Idiot, wenigstens stehe ich dazu und bin auch ein wenig stolz drauf" spielt er das ganze mit.
"Ich bin auch stolz auf dich mein Idiot"

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"Ich geh uns nur schnell was zu trinken holen, bin gleich wieder da" verabschiedet Nico sich, sodass Isabella und ich alleine sind.
"Er macht sich Sorgen..riesige Sorgen" beginne ich die Konversation.
"Ich wüsste nicht warum, mir geht es doch gut" spielt sie alles runter.
"Ich bitte dich. Wir wissen das er es war. Wir haben doch gesehen wie er weggefahren ist. Du weißt es, wir wissen es. Wir müssen was tun, bitte Isabella"
"Nein. Wir unternehmen nichts" giftet sie mich an.
"Willst du in ein paar Tagen wieder hier landen? Du weißt was es Nico für eine Überwindung kostet. Er ist hier, wegen dir und quält sich durch das Krankenhaus, während du in Kauf nimmst wieder verprügelt zu werden"
"Jim, du hast keine Ahnung wie schwer das alles ist"
"Dann erklär es mir. Ich will ja versuchen dich zu verstehen"
"Nachdem Nicolás gegangen ist, da hatte ich nur noch Phil. Er hat mich aufgefangen und sich um mich gekümmert. Es ist das schlimmste Gefühl der Welt, wenn dein eigenes Kind sich gegen dich wendet und einfach verschwindet. Phil war da und hat mir über den Schmerz hinweggeholfen. Wenn ihr wieder zurückfliegt dann habe ich nur noch Phil. Ich will nicht alleine sein, das ist ein grausames Gefühl"
"Dann komm mit zurück. Nico hat es dir doch schon angeboten"
"Ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen"
"Warum nicht? Hast du irgendwelche Verpflichtungen?"
"Nein, aber-"
"Kein aber. Du willst doch dein Verhältnis zu Nico aufrechterhalten oder?"
"Ja, keine Frage"
"Dann komm mit. Ich wette er wird sich freuen das zu hören. So lässt du alles hier hinter dir, selbst die furchtbarsten Dinge"
"So furchtbar ist das nicht"
"Nico überwindet gerade seine Angst hier und du? Du sträubst dich dagegen. Das macht es nicht besser"
"Jim, ich wüsste nicht warum ich noch weiter mit dir darüber reden sollte"
Wie aufs Stichwort kommt Nico zurück ins Zimmer.
"Dein Tee" lächelt er und drückt mir einen Becher in die Hand.
"Nico, ich hab deiner Mutter gerade erzählt das wir dann zur Polizei gehen. Sie ist einverstanden" spreche ich einfach drauf los. Isabella will gerade protestieren, als ihr Sohn das Wort ergreift.
"Wirklich? Oh Gott Mum, komm her!" grinst er und zieht sie in eine Umarmung.
"Endlich bist du zur Besinnung gekommen. Es wird alles wieder gut"
Er löst sich von seiner Mutter und setzt sich auf den Stuhl neben dem Bett.
"Ich hatte wirklich schon Angst das wir wieder im Streit auseinandergehen, wenn ich das anspreche"
Sie wird ihm diese Freude nicht nehmen, da bin ich mir sicher. Egal wie groß die Angst vor ihrem gewalttätigen -wie auch immer sie ihn nennen will-  ist, wir müssen handeln, und das so schnell wie möglich. Ich lasse nämlich nicht zu das sie Nico weiterhin kaputt macht, selbst wenn das nicht ihre Absicht ist.

Ganz schön mutig von Jim, mal sehen ob es auch was bringt :D

Gegensätze Ziehen Sich An...Oder Eher AusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt