Die Zimmer in der London boarding school for education sind ein ziemlicher Kontrast zum Gesamtbild des altem Internatsgebäude, was mir aber sehr gut gefällt. Sie sind sehr modern eingerichtet und jedes Zimmer erhält dank der großen Fenster genug Helligkeit. Ich teile mir mein Zimmer mit Maddison, Alice und Amy und unser Zimmer ist oftmals chaotisch und unaufgeräumt. Wir laufen durch die großen Gänge des Internats, vorbei an anderen Schülerinnen. Die Zimmer der Jungen und Mädchen sind hier getrennt, genauso wie die Dusch- und Waschräume, worüber ich auch ganz froh bin. Die Sonne scheint durch die großen Fenster hindurch und die Rasenfläche ist noch immer voller Bewohner des Internats, sowie deren Eltern. Unter den vielen bekannten, befinden sich aber auch viele unbekannte Gesichter, allerdings habe ich jetzt keine Zeit dafür, sie genaustens zu mustern und sie zu analysieren. Das machen Maddison und ich häufig, Menschen, die wir nur durch das Vorbeilaufen kennen, analysieren. Als wir uns einen Weg durch die Masse in den vielen Gängen gebahnt haben und endlich an unserem Zimmer angekommen sind, kramt Maddison in der Hosentasche ihrer grauen Jeans nach dem Schlüssel unseres Zimmers. Sie schließt die Tür auf und als erstes springt mir der riesige Wäschehaufen in die Augen, der sich über die letzten zwei Wochen angesammelt hat. Während sich Amy mit den sarkastischen Worten "Ich hab das ja soo vermisst hier!" auf ihr ungemachtes Bett schmeißt und dabei ihre Tasche neben sich befördert, reißt Alice das Fenster auf, um mit großen Augen die Menschen vor dem Internatsgebäude zu mustern. "Seht euch mal an, wie viele das sind." Obwohl sie versucht es zu verdrängen, erkenne ich den ängstlichen und nervösen Unterton in ihrer Stimme. Maddison kramt ein Buch aus dem Regal und macht es sich auf ihrem Bett gemütlich. Aha, so läuft das hier also. Wer muss sich also darum kümmern, dass unser Zimmer nicht im Chaos und Müll versinkt? Ich, die ach so liebe Raven Scott. Ja, das ist mein Name. Ich laufe zu dem großen Haufen schmutziger Wäsche und sammle nacheinander die einzelnen Kleidungsstücke ein,um sie dann in den, aus weißem Holz geflochtenen, Wäschekorb zu werfen. Die Möbel in dem Zimmer sind weiß gehalten und die Vorhänge sind ebenfalls weiß. Ich lasse mich seufzend auf meinem Bett nieder und stelle fest, wie müde ich eigentlich bin. Kaum schließe ich die Augen, höre ich plötzlich wieder Amy aufkreischen. Meine Güte, warum schreit dieses Mädchen immer so? Amy hält ihr weißes Smartphone in der Hand und hüpft wie ein kleines Mädchen, das gerade einen Keks bekommen hat, auf der Stelle herum. Alice schließt das Fenster und wirft uns einen verwunderten Blick zu. "Was ist denn jetzt schon wieder los?" fragt sie entnervt und beginnt in ihrem Kleiderschrank nach bequemer Schlafkleidung zu suchen. Schlafen, gute Idee. Am Montag muss ich wieder bereits um halb sechs aufstehen, deshalb versuche ich, am Wochenende möglichst viel Schlaf dazuzugewinnen. Ich folge ihrem Beispiel und wühle mich durch meinen Schrank. Ich entscheide mich für meinen kurzärmeligen Harry Potter Pyjama und ernte ein Grinsen von Alice. Ihr Grinsen ist einfach der Wahnsinn, das muss man ihr lassen. Ich ziehe mich rasch um und checke dann kurz mein Handy nach Nachrichten ab. Auf dem Internat hier sind Handys überraschenderweise erlaubt, was mich anfangs auch echt verwundert hat. Allerdings gehen die meisten Bewohner hier verantwortungsvoll mit ihren Smartphones um, sodass ich den Entschluss der Internatsleitung nachvollziehen kann. Amy hüpft durch das Zimmer, stellt sich dann aber direkt in die Mitte des Raumes, sodass Maddison von ihrem Buch aufschaut und auch auch Alice und ich sie erwartungsvoll anstarren. "Mädels, habt ihr schon Pläne für morgen Abend?" fragt sie verlockend und spielt dabei mit einer ihren unzähligen Locken. Sie grinst, als hätte Brooklyn Beckham sie persönlich um ein Date gebeten. Keine von uns antwortet, worauf Amy energisch ihre braungebrannten Arme ineinander verschränkt. "Jetzt kommt schon Leute! Ihr sitzt doch eh nur den ganzen Tag vor euren Büchern..." schmollt sie und zieht dabei eine Schnute. Ich lege seufzend mein Handy auf den kleinen Tisch neben mir, verschränke kritisch, aber zugleich erwartungsvoll die Arme und schaue zu Amy. "Schieß los, wohin wolltest du uns wieder verschleppen?" Amys Augen beginnen zu leuchten. "Morgen Abend findet eine gigantische Hausparty in irgendsoeiner riesigen Villa von irgendeinem reichen Typen statt und es werden so viele Leute da sein!", erklärt sie und fügt dann hinzu: "Das heißt jede Menge Alkohol, jede Menge Party, jede Menge Spaß..." ihre Augen glitzern, als sie sich plötzlich selbst unterbricht. "... Und natürlich jede Menge heiße Typen!" Genervt nehme ich mir meine Haarbürste und fange an, meine schulterlangen dunkelblonden Haare zu kämmen. Amy wird kritisch von Alice beäugt. "Ich habe sowieso keine Zeit, bin mit Ben in der Stadt." verkündet sie stolz. Na super, sie hat also im Gegensatz zu mir eine Ausrede, um nicht mit Amy auf irgendeine Teenagerparty zu gehen. Ich setze mich auf Maddisons Bett, die mittlerweile ihre Lektüre weggelegt hat. Amy sieht uns flehend an und erwartet scheinbar eine Antwort unserer Seite. Maddison setzt sich in einen Schneidersitz und stützt ihren Kopf auf den blassen Armen ab. "Mit 'irgendein reicher Typ' meinst du wohl Ethan Crapp?" fragt sie amüsiert und lächelt dabei. Amy lacht ebenfalls. "Wie auch immer, es ist eine Party und ihr müsst doch eh mal wieder unter Leute, vor allem du Raven!" protestiert sie, und schaut mich dabei vorwurfsvoll an. Partys waren einfach noch nie mein Ding. Tanzende Menschen, betrunkene Teenager, unsinnige Spiele wie zum Beispiel Flaschendrehen und all der Scheiß, nein danke, darauf kann ich gut verzichten. Ich verdrehe nur die Augen und werfe Amy einen genervten Blick zu. Maddison ist scheinbar auch nicht wirklich begeistert von der Idee und als sie aufsteht, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen, scheint sie sich an etwas Bestimmtes zu erinnern, was ich an ihrem nachdenklichen Gesichtsausdruck erkennen kann. " Wir waren doch schon mal auf einer seiner wilden Partys, erinnerst du dich? Das war doch kurz bevor..."Maddison kommt plötzlich ins Stocken und wird noch blasser, als sie es so schon ist. Sie runzelt die Stirn und wirft Amy einen Blick zu, den ich nicht deuten kann. Scheinbar weiß Amy selbst nicht ganz genau, was Maddison gerade bedrückt. Amy geht auf das Fenster zu und stellt sich neben Maddison. Ihrem Gesichtsausdruck zufolge, hat auch Amy jetzt erkannt, was Maddison plötzlich ins Stocken gebracht hat. Nur ich weiß als scheinbar Einzige nicht, was los ist. Ich beachte die beiden und ihr leises Gemurmel nicht weiter und bin wieder in meine derzeitige Lieblingslektüre vertieft, Sturmhöhe von Emily Brontë. Alice scheint wohl auch nicht zu wissen, was hier vor sich geht, ist aber weiter mit ihrem Smartphone beschäftigt. Amy steht immer noch am Fenster. "Scheinbar ist er doch wieder als Schüler hier angemeldet." seufzt sie und auch Maddison gibt einen unauffälligen Seufzer von sich. "Was ist, wenn er auch wieder auf der Party ist?" fragt sie und wühlt in ihrem schwarzen Rucksack herum. Amy runzelt die Stirn. "Das glaube ich nicht. Und auch wenn schon, er wird schon nichts anstellen. Er hat genug Ärger mit der Polizei am Hals, ich bezweifle, dass er irgendwie Stress anfangen wird. Sie dir seine Strafakte an. " Ich habe immer noch keine Ahnung, von wem hier die Rede ist. Fest steht, dass ich diese Person wohl auch gar nicht kennen will. Welche Person in unserem Alter hat immerhin schon eine eigene Strafakte und Ärger mit der Polizei? So einen Menschen will ich gar nicht kennen. Maddison widerspricht ihr. "Das kannst du bei Hunter nie wissen. Denkst du ernsthaft, dass er sich verändert hat? Er kann sich nicht verändern, nicht er." kichert sie. Hunter heißt er also? Ein Mensch, der sich nicht verändern kann? Letztendlich überkommt mich meine innere Neugier und ich schlage mein Buch zu. "Wer ist eigentlich dieser Hunter, von dem ihr die ganze Zeit redet?" frage ich, und versuche meinen neugierigen Unterton in meiner Stimme zu verdrängen. Vergeblichst. Amy und Maddison richten zeitgleich ihre Augen auf mich und ich erkenne eine Spur von Besorgnis, vor allem in Amys Augen, die mir allerdings nur ein müdes Lächeln schenkt. Was ist plötzlich mit ihr los, so kenne ich sie ja gar nicht... Maddison grinst nur und verkündet: "Wir sind dabei." Schockiert richte ich mich auf und lache. "Oh nein, auf gar keinen Fall." protestiere ich. Ich will nicht auf irgendeine Party, wo ich sowieso niemanden kenne, vor allem nicht an diesem Wochenende. Ich habe noch genug zu tun, was die Schule betrifft und garantiert will ich meine Zeit nicht mit Alkohol und einer Partymeute verbringen. Ich werde hier bleiben, Maddison kann ja meinetwegen mit Amy auf diese Party gehen, aber mich bringen keine zehn Pferde dorthin. Was soll ich denn bitteschön da? Maddison zieht eine Schnute. "Ach komm schon, Raven. Jetzt stell dich nicht so an. Du musst mal wieder was erleben, du hängst ja den ganzen Tag nur mit dem Kopf in deinen Schulbüchern. Du brauchst Abenteuer!" Amy freut sich scheinbar darüber, dass sie nun Maddison auf ihrer Seite hat und nickt nur mit einem glücklichen Gesichtsausdruck. "Komm schon, meine Süße. Das wird richtig spaßig! Außerdem lernst du da bestimmt ein paar Leute kennen... vor allem gibt es da sicherlich ein paar heiße Kerle." Sie zwinkert mir zu und stemmt die Hände an ihre gewaltige Hüfte. Kritisch mustere ich sie. Wie kann es sein, dass sie den ganzen Tag nur an Jungs denkt? Jedenfalls täuscht sie sich gewaltig, wenn sie denkt, ich würde irgendeinen Typen auf einer Party anmachen und dann mit ihm im Bett landen. Ich bin viel zu schüchtern dafür und habe außerdem wirklich kein Interesse daran, mit jemanden auf einer Feier rumzumachen. Das bin einfach nicht ich. Nun mischt sich auch Alice wieder in unsere Diskussion über Partys ein. "Du solltest wirklich hingehen, Raven. Das würde dir sicherlich ganz gut tun. Du brauchst Ablenkung und außerdem kannst du ja noch am Sonntag etwas für die Schule tun." Sie lächelt mich herzlich an. "Bitte, Raven." ruft Maddison und ich spiele mit dem Gedanken, einfach nachzugeben und doch auf die Party hinzugehen. Schließlich gibt der Klügere nach. Sie werden ja schon sehen was sie davon haben, wenn sie Sonntagmorgen mit einem Kater oder noch schlimmer, in einem völlig fremden Zimmer aufwachen. Ich jedenfalls werde weder trinken, noch sonst irgendwas tun, was für mich Konsequenzen bringt. So kurz vor Schulbeginn, kann ich mir weder eine Alkoholvergiftung, noch eine ungeplante Schwangerschaft wegen irgendeines Latino-Liebhabers leisten, der es nicht schafft, ordentlich zu verhüten. Komische Vorstellungen, ich weiß, aber trotzdem plane ich immer alles im voraus. Dazu zählt auch, möglichen Gefahrenzonen aus dem Weg zu gehen. Ich werde auf die Party gehen, allerdings ohne unnötigen Alkoholkonsum. Ich werde einfach versuchen, mich mit einigermaßen vernünftigen Leuten zu unterhalten und vielleicht sogar Spaß zu haben. "Okay, ich bin dabei." stöhne ich und höre lautes Gequitsche von Amy. Auch Maddison scheint sich zu freuen. "Das wird der absolute Hammer, Mädels!" kreischt Amy und fällt mir um den Hals. Ich lache nur und erwidere die überstürzte Umarmung kurz. Amy tippt, wie von der Tarantel gestochen auf ihr Handy ein. Scheinbar hat sie den anderen schon Bescheid gegeben, dass wir anwesend sein werden. Alice scheint schon eingeschlafen zu sein, denn man hört nur noch leises Gemurmel von ihrer Seite, scheinbar träumt sie. Auch Maddison hat sich bereits hingelegt und knipst das kleine Licht an ihrem Bett aus. Amy sitzt grinsend auf ihrem Bett und ist scheinbar wirklich glücklich, dass sie am Wochenende wieder ordentlich feiern wird. Das ist einfach Amy, feierwütig, süchtig nach dem männlichen Geschlecht und eindeutig auch süchtig nach Körperkontakt von diesen. Aber das ist Amy Baker, wie wir sie kennen
und lieben.
Nach etwa einer halben Stunde sind bereits alle eingeschlafen, außer ich selbst. Es ist Mitternacht, als ich ein letztes Mal auf mein Handy schaue. Ich liege in meinem Bett und denke nach. Ich analysiere mal wieder die Gesamtsituation und kann immer noch nicht glauben, dass ich morgen auf eine richtige Party gehen werde. Ich setze mich auf und versuche keine großen Anstalten zu machen, als ich auf unser großes Fenster zugehe, mit direktem Blick auf das Haupttor. Ich lehne mich gegen die Wand und sehe in den Sternenhimmel über London. Raven Scott, zum ersten Mal auf einer Party. Ja, Raven Scott geht wirklich auf eine Hausparty. Ich bin gespannt, was mich dort erwarten wird und hoffe, dass ich wenigstens ein bisschen Spaß dort haben werde. Vielleicht ist das der erste Schritt, Richtung Abenteuer. Vielleicht wird sich dann etwas in meinem Leben tun. Vielleicht wird diese Party alles verändern. Ich zucke zusammen und werde aus meinen Träumereien gerissen, als ich plötzlich ein lautes Geräusch vor dem Internatsgebäude wahrnehme. Es klang so, als hätte jemand seine Faust gegen etwas sehr hartes geschlagen. Verwundert blicke ich nach unten, doch als ich nichts erkennen kann, versinke ich wieder in meinen eigenen Gedanken. Ja, vielleicht wird etwas besonderes passieren auf dieser Feier. Vielleicht wird es mein Leben verändern. Und vielleicht finde ich auch heraus, wer dieser Junge ist, der sich nicht verändern kann, wer dieser Junge ist, der bei der Polizei und scheinbar auch bei vielen anderen so bekannt ist. Vielleicht finde ich ja heraus, wer dieser Hunter ist.
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Poison boy
RomanceWas passiert, wenn das Gute auf das Böse trifft, das Licht auf die Dunkelheit, der Himmel auf die Hölle? Was passiert, wenn Engel auf Teufel trifft? Richtig, ein großes, wunderbares Chaos entsteht. "He is always-always- in my mind; not as a pleasur...