Das hektische Piepen meines Weckers riss mich aus dem nicht sehr erholsamen Schlaf.
Verschlafen schaltete ich ihn aus und setzte mich hin. Es war 5:45 Uhr. Ich fühlte mich, als hätte ich die ganze Nacht durchgemacht und kein Auge zugedrückt. Am liebsten hätte ich mich wieder hingelegt, die Decke über den Kopf gezogen und weitergeschlafen. Doch es half nichts, wenn ich jetzt nicht aufstehen würde, würde ich es auch gleich nicht tun. Also quälte ich mich aus dem Bett und streckte mich.
Schweren Schrittes ging ich zur Zimmertür, nur um dann festzustellen, dass diese abgeschlossen war.
Erst jetzt kamen die Ereignisse des gestrigen Abend wieder in mir hoch. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, als ich an Alec denken musste. Wie er mich gestern berührt hatte, und vor allem wo er mich berührt hatte.
Während ich den Schlüssel in der anderen Ecke des Zimmers aufhob hoffte ich inständig, dass Alec noch nicht wach war. Denn dann könnte ich mich heimlich aus dem Haus stehlen, ohne dass er etwas davon mitbekommen würde.
So leise wie möglich schloss ich die Zimmertür auf und tapste die Treppe hinunter. Die Stellen, von denen ich wusste dass sie knarzten, versuchte ich zu umgehen.
In der Küche angekommen, atmete ich erleichtert auf; Alec saß noch nicht am Tisch und auch sonst war nirgendswo auch nur eine Spur von ihm.
Schnell ging ich in den Flur, zog mir Schuhe und Jacke an und verschwand zur Haustür heraus. Blieb nur zu hoffen, dass er selbst nicht verschlief. Normalerweise weckte ich ihn morgens bevor ich zur Arbeit ging, auch wenn er selbst einen Wecker hatte. Aber für Mitleid war momentan kein Platz in meinem Kopf, das hatte er ganz gewiss nicht verdient.
Ich schob die Gedanken an ihn beiseite und stolzierte zur Haltestelle.
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Erst war es ein leichtes Kratzen, das ich im Hals spürte. Dann wurde es immer heftiger und ging schließlich in einen Hustenanfall über, der mir die Luft zum Atmen nahm. Mir glitten die frisch gewaschenen Gläser aus den Händen und fielen klirrend auf den Boden.
„Alles in Ordnung?", fragte mich Vinzent besorgt.
„Ja, alles gut", beruhigte ich meinen Kollegen. „Hab mir wohl ne kleine Erkältung eingefangen."
Zusammen klaubten wir die Bruchstücke der Gläser auf und transportierten sie gleich in den Müll.
Und schon wieder erlitt ich einen Hustenanfall und wurde durch diesen auf die Knie gezwungen.
„Das hört sich aber gar nicht gut an", bemerkte Marie, die gleich zu mir geeilt kam. „Du solltest zum Arzt gehen und dich krank schreiben lassen."
„Das geht schon, solange es nur Husten ist, schaffe ich das", meinte ich und richtete mich wieder auf.
Beide sahen mich besorgt und zugleich mahnend an; als ich das letzte Mal sagte, mir ginge es gut und ich müsste nicht zum Arzt gehen, wurde ich am nächsten Morgen mit einer dicken Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert.
„Nein wirklich, es ist alles in Ordnung", versuchte ich die beiden zu beruhigen.
„Wenn du das sagst, wollen wir dir mal glauben. Aber erwarte nicht von uns, dass wir dir helfen, wenn du plötzlich zusammenbrechen solltest, klar?"
„Klar", erwiderte ich und musste schmunzeln. Ich wusste, dass Marie die erste sein würde die mir hilft, sollte so ein Fall eintreten.
„Na gut", meinte Vinzent etwas misstrauisch und sah dann auf die Uhr. „Wir haben gleich 7:22 Uhr, in 8 Minuten öffnen wir. Sind die Vorbereitungen soweit fertig?"
„Ja, Gläser und Tassen stehen, abgesehen von den eben zerbrochenen, bereit an Ort und Stelle", berichtete Marie. „Ich glaube nur, die Kekse müssen neu aufgefüllt werden."
„Das erledige ich, stellt ihr schon mal die Stühle runter", bot ich an und verschwand gleich darauf auch schon im Lagerraum. Dort angekommen, erlag ich einem weiteren Anfall und musste mich an der Wand abstützen, um nicht umzufallen. Es schien mich doch schlimmer erwischt zu haben, als ich angenommen hatte.
Um nicht noch weiter Husten zu müssen, kramte ich eine Flasche Hustensaft aus dem kleinen Medizinkoffer, der immer direkt neben der Tür zum Lagerraum stand. Jetzt sollte es besser gehen, aber direkten Kundenkontakt sollte ich lieber vermeiden, um diese möglichst nicht anzustecken.
Als ich, vollgepackt mit Keksen, zurück zur Theke kam, standen Marie und Vinzent schon an der Tür und warteten auf mich. Es war irgendwie ein Ritual geworden, jeden Morgen um Punkt 7:30 Uhr zusammen die Tür zu öffnen und so den Einlass in das kleine Café zu ermöglichen.
Ich legte die Kekse an ihren Platz ab und wollte gerade zu den beiden hin eilen, als mich auf halber Strecke plötzlich ein dermaßen starker Schwindel packte, dass ich von den Füßen gerissen wurde und der Länge nach auf den Boden knallte. Alles was ich dann noch wahrnahm, war, wie Marie und Vinzent zu mir gerannt kamen und irgendetwas voller Aufregung und Sorge riefen. Dann wurde mir schwarz vor Augen, begleitet von einem lauten Fiepen, das jegliches andere Geräusch schluckte und mich alleine in diesem dunklen Raum zurückließ.
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Nur ein Mitbewohner ...oder mehr als das?
RomanceEs ist jetzt genau einen Monat her, seit ich mich entschlossen habe mit einem Mitbewohner in das alte Haus meiner verstorbenen Großmutter zu ziehen. Für einen alleine wäre es viel zu groß, selbst für zwei ist es sehr verschwenderisch. Aber was soll...