Kapitel 5

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Am folgendem Tag blieb ich zuhause, um mich vollständig zu erholen und nicht wieder einen Rückfall zu erleiden.

Den Rest dieser und auch die gesamte nächste Woche sprachen Alac und ich kein einzieges Wort darüber, was zwischen uns passiert war und überraschender Weise hatte sich nichts groß verändert; Alac vernachlässigte wie immer seine Pflichten im Haushalt, ich meckerte über ihn und auch sonst war alles wie beim Alten. Dennoch konnte ich ab und an seine erwartenden Blicke deutlich auf mir spüren, als er glaubte, ich merke es nicht.

Wie dem auch sei, anscheinend war ich nicht der einziege, der sich eine Erkältung zugezogen hatte, denn nun lag auch Vinzent leidend im Bett. Freundlich, wie ich bin, hab ich mich angeboten, seine Schicht am Wochenende zu übernehmen.

Und so stand ich nun, zusammen mit Mark und einem anderen Kollegen, an einem Sonntag Nachmittag im Café und bediente die Kunden.

Als ich auf die Uhr sah, stellte ich glücklich fest, dass es bald Zeit wäre, das Café zu schließen. Ob man es glaubt oder nicht; in einem Café zu arbeiten kann nämlich ganz schön anstrengend sein.

„Kommt Alec dich heute abholen?", fragte Mark mit mit großen Augen, in denen etwas wie Hoffnung schimmerte.

Als ich ihn Alecs Namen aussprechen hörte, verspürte ich einen kleinen Stich im Herzen. War meine Erkältung etwa doch noch nicht ganz vorüber?

„Ja", antwortete ich und stellte das benutzte Geschirr eines Kunden auf die Theke. „Kannst du Ben gleich bescheid geben, dass es schon fast 16 Uhr ist? Soweit ich weiß, muss er seinen Zug noch bekommen."

„Ja, klar", entgegnete er freudig und tapste mit dem dreckigen Geschirr in die Küche.

Ich seufzte. Wie es Alec wohl gerade ging? Bei ihm schien ebenfalls jemand ausgefallen zu sein und so musste er heute seine versäumte Schicht von dem Tag nachholen, an dem er wegen mir und meiner blöden Erkältung extra nach Hause gekommen war. Aber Moment, warum machte ich mir überhaupt Gedanken darüber, wie es ihm ging?! Ich musste wohl doch noch etwas Fieber haben und unter Wahnvorstellungen leiden, anders konnte ich es mir nicht erklären.

Und genau in diesem Moment öffnete sich die Tür und Alec erschien auf der Bildfläche. Wenn man vom Teufel spricht, heißt es doch so schön.

Als er mich sah, kam er mit müden Augen auf mich zu.

„Ich hasse es, am Wochenende arbeiten zu müssen", meinte er und lehnte sich gegen die Theke. „Außerdem hab ich Hunger."

„Ebenfalls 'Hallo'", erwiderte ich etwas kälter als beabsichtigt. „Wir haben noch etwas Kuchen hinten, den kannst du ruhig essen."

„Hört sich gut an", sagte er grinsend und verschwand in der Küche.

Kurz darauf kam Ben, um sich zu verabschieden und als dann auch die Kunden nach und nach gingen, schloss ich die Tür des Cafés ab und hängte das Schild mit 'Geschlossen' an die Scheibe.

Dann ging ich in die Küche, um auch das restliche Geschirr zum Spülen abzugeben, doch was ich dort sah, ließ mich erstarren;

Alac und Mark standen nah beieinander, viel zu nah. Alac hatte seinen Kopf runtergebeugt, während Mark sich auf die Zehenspitzen stellte und die Arme um den Hals meines Mitbewohners schlang. Ich konnte konnte sehen, wie sich ihre Lippen berührten.

Geschockt ließ ich das Geschirr fallen, was mir die Aufmerksamkeit der beiden einbrachte. Alac sah mich erschrocken an und sagte etwas, doch ich hörte ihm nicht zu.

Ich rannte so schnell ich konnte zum Hintereingang hinaus an die frische Luft. Völlig orientierungslos sprintete ich los und rannte immer weiter und weiter.

Ich weiß nicht, wie lange ich gerannt war, doch meine Füße schienen mich in einen Park gebracht zu haben, den ich nie zuvor betreten hatte.

Erschöpft ließ ich mich an einem Baum in einer vermeintlich geschützen Ecke heruntersacken.

Da saß ich nun, zusammengekauert in einem mir fremden Park, den Kopf in meinen Armen vergraben und heulte, wie ich seit dem Tod meines Vaters nicht mehr geheult hatte.

Ich wusste nicht mal warum ich das tat, ich wusste auch nicht, warum mein Herz auf einmal so schmerzte. Ich wusste nur, dass ich mich verletzt und betrogen fühlte.

 Alleingelassen und benutzt.

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Ich muss eingeschlafen sein, denn ich wurde durch ein etwas unfreundliches Rütteln geweckt.

Langsam wurde ich wach und blickte daraufhin direkt in Alacs grüne Augen.

„Hey, bist du okay?", fragte er besorgt.

Ich nickte, da mir nichts besseres einfiel.

Es schien schon dunkel geworden zu sein, nur das Licht der Parklaternen ermöglichte es uns, einander erkennen zu können.

Ich fühlte mich träge und mir war eiskalt. Wie war ich hierher gekommen?

„Was ist passiert?", wollte ich wissen.

„Es gab ein Missverständnis und du bist weggerannt, Idiot", entgegnete er, ich konnte den Unterton in seiner Stimme nicht richtig deuten, aber er schien extrem besorgt zu sein.

„Wir haben über eine Stunde nach dir gesucht."

Erst als er mich in den Arm schloss, erinnerte ich mich langsam wieder an das, was im Café passiert war.

Sofort stieß ich Alac von mir und ging zur Abwehr über. Meine Augen brannten und dieses Gefühl von Enttäuschung machte sich wieder in mir breit.

„Warum?!", wollte ich augenblicklich von ihm wissen.

Er sah mich zuerst leicht verwirrt an, bis er verstand, was ich meinte.

„Ich sagte doch, es war ein Missverständnis."

„Sah aber nicht so aus." Meine Stimme zitterte. „Ich dachte, du liebst mich!"

„Das tue ich auch!", meinte er jetzt zornig. „Glaubst du etwa, ich wollte dass das passiert?!"

Sein Wutanfall löste bei mir einen Heulkrampf aus.

„I-ich weiß nicht!", schluchzte ich und versuchte die Tränen mit meinem Ärmel wegzuwischen. „Ich weiß nicht..."

Alac wollte mich wieder in den Arm nehmen, doch ich versuchte es zu verhindern, was aber nicht viel brachte.

„Lass- lass mich los!", rief ich mit brüchiger Stimme, aber er drückte mich nur noch fester an sich.

„Ruhig, ganz ruhig. Es ist alles gut", sagte er mit sanfter Stimme, als ob er mit einem Kleinkind reden würde.

Ich schluchzte nur weiter in seine Schulter.

„Warum?", fragte ich leise. „Warum fühle ich mich so?"

Alac sah mich fragend an.

Ich schniefte. „Warum fühle ich mich so...?", fragte ich erneut und brach sofort wieder in Tränen aus.

Alac schwieg und hielt mich einfach nur im Arm, die ganze Zeit, ohne sich über mein kindliches Verhalten zu beschweren.

Irgendwann, als ich mich beruhigt hatte, hob er mich hoch und ging aus den Park heraus zur Straße.

Ich legte keinen Protest ein, mir war es egal, ob uns jemand so sah.

Er rief ein Taxi, das uns nach Hause brachte.

Den restlichen Abend verbrachten wir schweigend, Arm in Arm auf der Couch. Wir sahen keinen Film, wir spielten kein Spiel, wir saßen einfach nur da und schwiegen. Doch es war kein unangenehmenes Schweigen, ganz und gar nicht. Wir waren froh, so nebeneinander sitzen zu können, einander haben zu können und uns keine Gedanken über irgendetwas machen zu müssen.

Ich fragte mich, ob es das ist, was man Liebe nennt...?


Nur ein Mitbewohner ...oder mehr als das?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt