Kapitel 2

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Bevor ich die Umkleide verließ, warf ich noch einen kurzen Blick auf mein Handy... und da war eine Nachricht von Ben. Mein Herz setzte kurz aus und schlug dafür umso schneller, als ich die Nachricht öffnete.
"Wir reden heute Abend weiter. Nach Dienstschluss in deinem Lieblingsrestaurant. Ich lade dich ein. Ben
PS: Ich akzeptiere keine Absage!"
Mein Herz schlug jetzt so schnell, dass ich schon Angst bekam, dass es das bald nicht mehr mitmachen würde. Mein Verstand sah in dem Treffen einfach nur das, was es auch war: ein freundschaftliches Treffen mit einem Kollegen, um über Probleme zu sprechen. Mein Herz aber sah in dem Treffen das, was es definitiv nicht war, was mein Herz aber eindeutig nicht kapieren wollte: Ein Date mit dem Mann, den ich liebte.

Okay, jetzt fühlte ich mich endgültig wie ein unerfahrener, hysterischer Teenager. Ein Kleidungsstück nach dem anderen landete auf meinem Bett. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich der gesamte Inhalt meines Schranks entleert hätte. Aber nichts davon gefiel mir. Ich hatte nichts zum Anziehen. Einen Satz, den man bestimmt häufig in den Gedanken eines Jugendlichen vorfindet, aber doch nicht in denen einer erwachsenen Ärztin, die bereits eine Ehe hinter sich und ein Kind großgezogen hatte. Ich hasste mich selbst dafür. Ben. Das war alleine seine Schuld.
Wir kannten uns jetzt so ewig, er kannte meine gesamte Gaderobe. Ich sollte mir wirklich keine Gedanken machen. Mal abgesehen davon, dass das kein Date war, sondern ein harmloses Treffen unter Kollegen!! Aber das wollte und konnte ich mir selbst nicht so ganz glauben. Für mir jeden Falls war es so viel mehr. So sehr ich es auch leugnete, für mich war es wie ein Date. Und ich konnte noch so sehr gegen die Gefühle ankämpfen... ich konnte einfach nichts gegen die Nervosität und die Vorfreude machen, die in mir brodelten.

Irgendwann war mir dann doch ein Kleid gut genug erschienen (ein rotes, neues, dass Ben hoffentlich noch nicht kannte, Neuanfang und so, totaler Schwachsinn, ich weiß...) und ich stand vor dem Spiegel. Die schwarzen Locken hatte ich mir in einem eleganten Knoten hochgesteckt, einzelne Löckchen, die sich partout nicht hatten bändigen lassen wollen, rahmten mein Gesicht ein. Aber ich wusste, dass Ben es mochte, wenn nicht alles so perfekt und streng saß. Dennoch hatte ich schon lange keine solchen Selbstzweifel gehabt, wie in diesem Moment. Ich wusste, dass Ben mich immer für wunderschön gehalten hatte, aber es hatte sich nun mal einiges verändert zwischen uns. Vielleicht sah er mich jetzt anders. Und es regte mich selbst auf, wie wichtig es mir war, dass Ben mich schön fand. Ich wollte nicht so abhängig von der Meinung eines einzelnen Mannes sein.
“Mum, du siehst schön aus“, ertönte da die Stimme Zoes.
Ich drehte mich um. Da stand meine Tochter und lächelte mich an. Ich erwiderte ihr Lächeln.
“Wirklich?“, hakte ich dennoch nach.
“Ich lüge doch nicht!“, entrüstete sie sich.
Ich räusperte mich vielsagend und grinste ihr zu.
Sie lachte. “Na gut manchmal“, lenkte sie ein. “Aber das gerade war die Wahrheit. Versprochen!“
“Danke Zoe“, ich umarmte sie kurz. Wir stritten uns oft und Zoe war auch nicht gerade einfach, aber sie war doch immer für mich da. Und sie war ein wirklich wundervolles Mädchen.
“Wer ist denn der Glückliche, der sich mit einer solch schönen Frau treffen darf?“, fragte Zoe.
Ich sagte nichts. Ich war wirklich kein gutes Vorbild. Immer predigte ich, dass man zu seinen Entscheidungen stehen musste, und dann das...
Je nachdem, wie sich das Treffen entwickelte, würde ich ihr davon erzählen, aber noch war ich nicht bereit dazu.
Ich warf einen Blick auf die Uhr. In einer Stunde waren wir verabredet. Ich war vielleicht etwas früh dran.
“Was? Schon so spät?“, rief ich gespielt erschrocken, drückte Zoe einen Kuss auf die Wange, schnappte meinen Autoschlüssel und öffnete die Haustür.
“Heute Abend beantwortest du mir aber meine Frage, ja?“, fragte Zoe vorwurfsvoll.
“Versprochen“, ich lächelte sie an und zog die Tür hinter mir ins Schloss. Dann machte ich mich auf den Weg. Auf den Weg zu dem Mann, den ich trotz der Tatsache, dass ich ihn nicht mehr lieben wollte, noch immer liebte.

Endlose Liebe - Wenn Liebe über Verstand siegtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt