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Sollte er die Kassette anhören? Er entschied sich dafür. 

"..Kassette 15. Wo soll ich bloß anfangen?" Hannah klang nicht so wie auf der Anderen Kassette. "Diese Kassette nehme ich nach der mit Bryce auf. Und wenn du diese hörst, habe ich mich kurz darauf umgebracht. Das mag hart klingen, doch es war der einzige Weg. Den Weg den ich gewählt habe, nachdem ich nicht mehr an etwas besseres geglaubt habe."

Clay zog scharf die Luft ein. Er wusste was Bryce Hannah angetan hatte. Und er wusste auch wie schlecht es ihr ging. Er wusste es von der Kassette. Er hatte nicht selber mit ihr darüber gesprochen. Doch er fühlte mit ihr. Er wollte da sein für sie. Jetzt. Doch es war nicht mehr möglich. Es war eine schwere Situation. Damals für Hannah aber auch nun für ihn. Er erlebte sozusagen das, was Hannah erlebt hatte. Nur er musste es nicht am eigenen Leib erfahren.
Doch er musste es sich anhören und er litt definitiv darunter.

Am nächsten Morgen ging er zur Schule, er musste. Er hatte sich am Tag davor nicht mehr gut dabei gefühlt weiterzuhören. Das es Hannah schlecht ging verletzte ihn. Diese Gefühle, die wieder zum Vorschein kamen, nur durch ihre Stimme. Clay machte sich so viele Gedanken, dass er nicht einmal bemerkte wie er die Schule betrat. "Alles in Ordnung?", wurde er aus seinen Gedanken gerissen. "Was?", fragte Clay verwirrt und erblickte Skye. "Alles Okay?", fragte sie erneut. "Ja, ja alles gut, glaube ich.", gab er als Antwort. Natürlich hatte Skye bemerkt, dass nichts in Ordnung war. "Ich dachte, da wir damals das Auto von Zach so zugerichtet haben, könnten wir vielleicht mal wieder etwas wie in den alten Zeiten unternehmen? Wenn du willst.", sie war nie so, so, wie soll man sagen. Sie war nie diejenige die Andere etwas fragte. Nicht seit dem sie sich so verändert hatte. Und das verwunderte Clay, weshalb er zunächst nichts sagte. "Klar." brachte er schließlich raus. Sie lächelte kurz und verschwand dann. Was war das? 

Sie waren damals Freunde, oder wie man das eben nannte. Ihre Eltern waren befreundet. Sie sahen sich früher öfter. Dann, wieso auch immer, veränderte Skye sich. Er wusste nicht warum, doch nachdem er ihre Narben an ihrem Handgelenk sah, hatte Clay Angst. Er wollte nicht noch eine Person verlieren. Und auch wenn sie erst seit kurzen wieder Kontakt hatten, er fühlte sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Damals, als noch alles gut war, als sie einfach nur miteinander gespielt hatten. Damals, als sie noch keine Sorgen hatten. 

Clay ging in seine erste Klasse, er hatte diese damals mit Hannah gehabt. Als er sich an seinen Tisch setzte, schaute er zum leeren, Hannahs. Dann begann der Unterricht. Er kritzelte etwas auf seinem Block herum und versuchte so gut es ging zuzuhören. Aber seine Gedanken waren immer Irgendwo anders.

Als erster verließ er den Raum nach dem klingeln. Er wollte seine Ruhe, also ging er zum Football Feld und setzte sich auf die Bank. Er kramte seine Kopfhörer und den Walkman mit der 15 Kassette hervor und drückte auf Play. 

"Morgen ist es soweit, morgen. Ihr werdet im Unterricht sitzen, Helmchen. Es wird für euch ein normaler Tag werden. Diese Kassette wirst du vermutlich auch nur dann hören, wenn meine Vermutungen wahr werden. Tja, dann Willkommen. Lass mich dich etwas fragen. Was tust du, wenn du nicht mehr kannst? Wenn dir alles zu viel wird?"

Kurz dachte er nach. Wahrscheinlich würde er versuchen es zu verdrängen, es zu lösen. Oder er würde versuchen Problemen so gut wie möglich sich davon zu entfernen. Denn, wenn einem alles zu viel wird, will man nur noch Weg. 

"Ich kann dir sagen, was ich versucht habe. Ich habe versucht mich zu entfernen, mich zu distanzieren. Ich habe es versucht. Doch es hat nichts gebracht. Mein Leid welches ich durch diese Personen erlebt habe, es lässt sich nicht verbergen oder beseitigen. Nein, ich muss es anders lösen. Wie auch immer, kommen wir zur Geschichte." 

Clay wusste nicht was ihn nun erwarten würde, wollte es aber herausfinden. 

"Bryce Walker hat mich vergewaltigt.. Hannah, das hast du schon gesagt, Kassette 6 Seite A."

Das hatte sie gesagt. War etwa noch mehr vorgefallen?

"Ja, habe ich. Aber wenn du denkst es ist dabei geblieben, dann hast du dich geirrt. Und nun, wieso habe ich das nicht früher, auf der letzten Kassette gesagt? Vielleicht, weil ich angst hatte das Bryce es hören würde. Vielleicht, weil nur eine Person es hören sollte. Eine Person, die mir mehr bedeutete, mehr als ich zugeben kann. Clay, es tut mir leid. Ich habe dich angeschrien, dir gesagt du sollst verschwinden. Ich habe dich fortgeschickt. Dabei wollte ich doch nur, dass mir wenigstens eine Person beweist, dass ich nicht unwichtig bin. Doch so etwas konnte ich nicht verlangen. Das kann man nicht verlangen. Du gehörst nicht auf die Kassetten, wie gesagt, du gehörst dazu, weil ich dich gebraucht habe, dir vertraute ich."

Er wusste nicht was er sagen sollte. Ihre Worte waren berührend und verletzend zugleich. 

"Da ich dir vertraue, will ich dir erzählen was passiert ist. Du kannst mit den Kassetten danach anstellen was du willst. Bring' sie zur Polizei oder verbrenn' sie. Entscheide wie du willst. Ich vertraue dir, dass du das Richtige tust."

Sie vertraute Ihm. Er wusste nicht, wieso er damals bloß gegangen war. Er hätte bleiben sollen. Ihr helfen sollen. Für sie da sein. 

Doch er konnte es nicht. Er hatte auf sie gehört und ist gegangen. Dabei wollte sie doch nur eine Person der sie sich anvertrauen konnte. Wer weiß was Bryce alles getan hatte. Was er ihr und anderen angetan hatte. 


13 reasons whyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt