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Zum Glück verlief das restliche Essen nicht so angespannt wie am Anfang. Keiner traute sich so richtig ein Gespräch anzufangen und niemand konnte sich so wirklich entscheiden, was er essen sollte.
Doch nach und nach lockerte sich die Stimmung und die Atmosphäre war relativ gelassen und freundschaftlich. Vor allem Hannah und Chloé verstanden sich immer besser, sodass sie ihr später ihre Nummer gab, damit sie sich gelegentlich nochmal treffen konnten. Chloé erfuhr, dass sie Fotografie studierte und ebenfalls neu an der Uni war. Sie wohnte etwas außerhalb vom Campus und ihre Wohnung, in der sie wohnte, sah auf den Bildern, die sie ihr zeigte, traumhaft schön aus: Es war ein klassischer Altbau mit hohen Decken und breiten Sprossenfenstern, der allerdings erst renoviert sein musste. Sie war vollkommen hin und weg, denn der minimalistische Stil ihrer Möbel war genau ihrs. Chloé war sofort verliebt.
"Du musst mir deine Wohnung auf jeden Fall mal in Echt zeigen. Sie sieht wirklich toll aus." Hannah war einverstanden und lud sie alle nach dem Essen zu sich ein.
Nick bezahlte, wie ein Gentleman für alle, dann machten sie sich sofort auf den Weg. Hannahs Wohnung lag ein wenig außerhalb des Campus, aber dennoch noch nah genug. In 10 Minuten erreichten sie den Häuserblock - die Wohnung lag im Obergeschoss und hatte eine wunderschöne Dachterrasse mit Blick auf die untergehende Sonne.
"Hier will ich auch wohnen!", schwärmte Chloé und ließ sich in der weichen Hängematte nieder.
"Zieh doch ein", schlug Hannah lachend vor, aber irgendwie wusste Chloé, dass sie es ernst meinte. Doch daraufhin meldete sich Nick zu Wort: "Nichts da! Chloé bleibt in unserer Jungs-WG." Dabei zwinkerte er ihr bedeutend zu.
Sie war fassungslos. Wie konnte er es sich nur erlauben mit zwei Frauen gleichzeitig zu flirten, und das auch noch in einem Raum? Sie wandte sich demonstrativ ab. "Mal sehen..", murmelte sie vor sich hin und zückte ihr Handy aus ihrer Hosentasche. Sie hatte zwei neue Nachrichten von.. ihrer Mutter. Oh je. "Ich muss mal kurz telefonieren. Bin gleich wieder da."

Es klopfte an. Nach kurzer Zeit nahm sie bereits ab: "Chloé, bist du's?"
"Ja, Mum. Alles in Ordnung? Du hast mich angerufen."
"Ich habe deine Nachricht bekommen, ich hoffe, dir geht es gut. Wie war dein erster Tag?" Sollte sie die Wahrheit sagen? Besser nicht, sonst würde sie sich nur noch mehr unnötig Sorgen machen.
"Nein, alles okay. Ich verstehe mich mit meinen Mitbewohner...innen ziemlich gut und ich habe habe auch schon jemanden kennengelernt. Sie heißt Hannah und studiert Fotografie im ersten Semester."
"Aber du weißt doch, dass du dich besser mit ein paar aus deinem Studiengang zusammentuen solltest. Es ist sehr wichtig, dass du dort Kontakte knüpfst."
"Mu-um! Ich suche mir selbst aus, mit wem ich befreundet sein will und mit wem nicht!" War ja klar, dass so etwas kommen musste. "Ich muss jetzt auflegen-"
"-aber Schatz, ich wollte doch noch-"
"- ich melde mich! Tschüss!"
Genervt legte sie auf und steckte ihr Handy zurück in ihre Hosentasche. Das war so typisch für ihre Mutter; immer wollte sie ihr Vorschreiben, was sie zu tun und lassen hatte.
Als sie zurück auf die Terrasse kehrte, war keine Spur von Hannah und Nick zu sehen. Verwundert runzelte sie die Stirn und ging in die Wohnung. "Hannah? Nick?", rief sie, doch keiner antwortete. Sie ging in jeden Raum, doch die zwei waren nirgends zu finden. Zuletzt fehlte noch das Schlafzimmer. Vorsichtig spähte sie durch das Schlüsselloch, und tatsächlich. Ihre Vermutung bestätigte sich. Sie spürte ein Ziehen in der Brust, obwohl sie einfach nur enttäuscht und verärgert war. Dass Hannah sich nun Nick krallte, störte sie auf eine gewisse Weise ziemlich. Sie wollte zum einen einfach nur in das Zimmer stürmen und die beiden auseinander zerren, zum anderen hatte sie den Drang abzuhauen. Schließlich entschied sie sich für letzteres. Wie konnte sie so hinterhältig sein!
Chloé fühlte sich ausgenutzt. Ausgenutzt und leer.

Sie stürmte Hals über Kopf aus der Wohnung, durch das Treppenhaus in die Dunkelheit. Das einzige, an was sie gerade nur noch denken konnte, war das Bild der beiden auf dem Bett, sich befummelnd. Normalerweise würde sie jetzt schreien und alles tun, dass diese Szenario aus ihrem Kopf verschwindet, doch sie tat nichts dergleichen: sie lief einfach nur an der Straße entlang und fühlte nichts außer Leere.

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