Carly Argent

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Ich trat auf die Veranda. Die kühle Nachtluft durchdrang meinen dünnen Pullover und ließ meine Haut zittern. Es war schon sehr spät und der fast ganz runde Mond tauchte alles in ein schauriges Licht. Dazu war es noch ungewöhnlich neblig diese Nacht; weiße Nebelschwaden zogen sich durch den Garten und den dahinter liegenden Wald und verliehen der Umgebung eine Unheimliche Atmosphäre.

Ich war alleine in dem großen Haus, welches etwas abseits von der Stadt lag. Mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester Emma wohnte ich noch nicht besonders lange in diesem Haus. Erst vor ungefähr drei Monaten hatte mein Vater plötzlich verkündet, dass sie von Chicago in dieses kleine Städtchen ziehen würden. Mein Vater Robert Argent war hier nun der neue Sheriff. Nach anfänglichen Einwenden war ich letztendlich doch froh über diese Entscheidung gewesen. Mir gefiel es hier.
Meilenweite Landschaften und keine nervigen Nachbarn, die einen die Zeitungen klauten. Außerdem hatte ich schon zwei neue Freunde gefunden. Tommy und Amber. Während meine Eltern und Emma ihren kranken Großvater besuchten und erst in einer Woche wieder kommen würden, musste ich mich um alles kümmer; einschließlich das Kaninchen meiner Schwester.

Dass ich nun eine Woche alleine in diesem riesigen Haus sein würde, störte mich nicht; schließlich war ich schon 17 Jahre alt und konnte sehr gut auf mich selber aufpassen. Außerdem kannte ich meinen Großvater Gerard Argent nur flüchtig, da mein Vater mich meistens von diesem Teil der Familie fernhielt. „Das sind alles arrogante Fanatiker, die ihre Freizeitbeschäftigungen mehr schätzten als alles andere", hatte mein Vater einmal gesagt. Welche Freizeitbeschäftigungen er meinte, wusste ich allerdings nicht.

Ich stieg die knarrenden Holzstufen hinab und lief über den Kieselsteinsweg, wobei die kleinen Steinchen bei jedem Schritt unter meinen Füßen knirschten. Hinter einem großen Busch lag der Stall von Sparkles, dem Kaninchen meiner Schwester. Ich konnte Sparkles noch nie richtig leiden, doch als ich den Stall erreichte erstarrt ich, denn die Stalltür war offen und von dem Kaninchen keine Spur.
„So ein Mist!", murmelte ich.

Das blöde Kaninchen darf nicht während meiner Aufsicht verschwinden.

Meine Schwester würde mir das nicht so schnell verzeihen.
Zum Glück war das komplette Grundstück eingezäunt.
Fieberhaft überlegte ich, wo sich das Kaninchen befinden könnte.
Gedankenverloren berührte ich den Anhänger meiner Kette, die ich schon als kleines Kind von meinem Vater geschenkt bekommen hatte. Der Anhänger bestand aus einem dunklen Holz und in der Mitte schimmerte ein heller Stein im Mondlicht. Meine Schwester hatte den gleichen Stein, nur an einem Armband befestigt.
Ich trug meine Kette Tag und Nacht.

Wahrscheinlich habe ich den Stall heute morgen beim Füttern nicht richtig zu gemacht.

Auf einmal fiel mir das offene Gartentor, das zum Wald führte, auf.
Mein Blick schweifte über den riesigen Wald.
„So ein Mist!", murmelte ich noch einmal.

Unknown WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt