2. mein Bruder

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Liebstes Bruderherz,

früher, wo wir noch sehr klein waren, da haben wir uns scheinbar einfach akzeptiert. Mama hat uns mal erzählt, dass du mich an der Straße bei der Hand genommen hast, auf einen überfahrenen Frosch gezeigt hast und dann ganz fürsorglich gemeintest "Du musst an der Straße aufpassen, sonst siehst du aus wie der Frosch da". Schade das ich mich daran nicht erinnern kann, denn das ist wirklich zu niedlich. Früher haben uns auch viele für Zwillinge gehalten, da wir uns ziemlich ähnlich sahen, kein Wunder, wir sind ja nur ein ein-halb Jahre auseinander. Ich kann mich noch genau erinnern, wo wir uns noch super verstanden haben, da habe ich mit in deinem Zimmer geschlafen, weil mein Kinderzimmer neu gemacht wurden ist. Abends haben wir uns dann immer halb tot gelacht wegen irgendwas, sodass Mama und Papa schimpfen mussten, denn eigentlich sollten wir ja schon längst schlafen. Achja und wie du dir einfach drei mal das Schlüsselbein gebrochen hattest. Beim ersten mal war ich indirekt schuld, wir haben uns ein Auto von dir immer zugerollt. Ich Dussel hab es unter dein Bett fahren lassen, beim Versuch es hervor zu holen, hast du dir die Schulter gestoßen und vor dem schlafen gehen, konntest du dein Arm nicht mehr bewegen. Wenige Wochen später waren wir bei Tante Carmen und du Trottel bist vom Schreibtischstuhl gefallen und hast dir das selbe Schlüsselbein nochmal gebrochen. Nur gut, denn beim ersten mal ist es falsch zusammengewachsen. Das dritte mal, warst du schon viel älter, hattest das Skateboard fahren für dich entdeckt. Nachmittags kamst du nach Hause, bist sofort zu mir gekommen und hast mir deine blutende Schulter gezeigt. Ich meinte noch du sollst Mama anrufen, doch du hast es nicht als so schlimm empfunden, aber ich, weswegen ich ihr bescheid gesagt hab. Zum Glück, denn du hast dir das andere Schlüsselbein gebrochen und warum? Dich hat ein Auto angehupt und du bist vom Board gestürzt. #facepalm.

Ab der Grundschule konntest du mich dann irgendwie nicht mehr leiden, sicher war ich für dich die nervige, kleine Schwester. Auf dem Weg zur Schule, hast du immer versucht mich abzuhängen, sogar später auf dem Gymnasium noch. Zu Hause war es auch nicht besser, ständig haben wir uns angezickt, es gab wenige Momente, wo ich sagen kann, da haben wir uns verstanden. Ständig bist du in mein Zimmer gekommen und hast dir einfach was ausgeliehen ohne zu fragen, wollte ich jedoch zu dir, um dich etwas zu fragen, da hast du mich sofort aus deinem Zimmer geworfen, ziemlich unfair. Beim spielen mit deiner Rennbahn, hast du mir nie das bessere Auto gegeben und hast immer versucht zu schummeln, damit ich ja nicht gewinne. Natürlich hatten wir auch mal gute Zeiten und das Autorennen war lustig.

Du warst auch ein Legofreak und das ziemlich lange. Ich hab dir dann immer geholfen die Männchen zusammen zu stecken, mehr durfte ich dann aber auch nicht. Einmal, da haben wir mit meinem Holzschwert und du mit deinem Faschingssäbel gekämpft, dabei bin ich gegen den Blumentopf gestoßen und er ist zerbrochen. Wir haben beide versucht, den jeweils anderen bei Mama und Papa aus der Schlinge zu holen, weißt du noch?

Als ich vom Gymnasium runter musste und auf meiner neuen Schule gemobbt wurde, da hast du zu Hause immer gesagt, dass du mich beschützen wirst, irgendwie hatte ich da einen Hoffnungsschimmer, dass aus uns beiden doch noch ein Dreamteam wird. Leider blieb dieser noch eine Weile aus. Als ich in der neunten Klasse war, bist du auch auf meine Schule gewechselt, hattest keine Lust dein Abi zu machen, du Trottel. Wir hatten dann einige gemeinsame Freunde und ich hab versucht, den Nerd aus dir herauszubekommen. Du warst schon immer sehr eigensinnig und die Meinung der anderen war dir egal, auch meine. Ich hatte mir die ganze Zeit gewünscht, dass du mich endlich als deine Schwester ansiehst, ich hab immer versucht dir zu helfen, hab nie was gesagt, wenn du dir mal wieder einfach was ausgeliehen hast ohne mich zu fragen, doch ein Danke hab ich nie gehört. Erst als ich in die Klinik musste, ist dir scheinbar ein Licht aufgegangen. Ganz plötzlich warst du völlig anders zu mir, hast mich sogar umarmt. Von da an, waren wir ein Herz und eine Seele, wenn irgendetwas war, wenn Mama und Papa mit dir gemeckert haben oder du irgendwelche Sorgen hattest, dann war ich da, hab dich verteidigt und dir zugehört. Mit der Zeit war ich immer die erste und einzige, der du etwas erzählt hast. Das erfüllt mich echt mit Stolz.

Zwei Jahre nachdem ich in der Klinik war, hast du die Phase auch bekommen, wolltest jedoch keine Hilfe. Ich hab mir Sorgen gemacht und immer versucht auf dich einzureden. Auch dein Charakter wurde immer schlimmer, du hast dich zurück gezogen, warst patzig. Ich hab dich kaum gesehen, obwohl wir im selben Haus gelebt haben, trotzdem hab ich dich in Schutz genommen. Dann kam die Zeit, in der du ausziehen "musstest", da ist mir erst bewusst geworden, wie sehr du mir fehlen würdest, auch wenn du gerade mal zehn Minuten weit weg wohnst. Jetzt sehe ich dich nur noch selten, was ich unheimlich schade finde, denn du bist nunmal mein Bruderherz und ich liebe dich sehr, all die blöden Momente wiegen nichts, gegen die schönen, die du mir beschert hast.

Du solltest wissen, als du dich versucht hast, naja du weißt schon, ich dachte ich würde sterben. Im ernst, ich wollte aufhören zu atmen, die Minuten, die endlos verstrichen sind, in denen ich nicht wusste was mit dir ist, waren die schrecklichsten meines Lebens. Versprich mir, dass du das nie wieder machst, mir ein Leben ohne dich vorzustellen ist einfach unmöglich. Vielleicht hört sich hier einiges so an, als ob du voll der Blödmann wärst, aber so ist es nicht, du bist ein toller Mensch, nur sehen das viele nicht so wie ich und behandeln dich mies. Für mich wirst du immer mein Held sein, komme was wolle. ICH HAB DICH LIEB BRUDERHERZ!

15 Tage- 15 BriefeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt