Kapitel 2: Hinterhalt-Langschuster

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„Einheit drei, Statusbericht! War die Hütte ein Treffer?", versuchte der Funker, Schulz mit Namen, besagte Truppe zu kontaktieren. Ich saß gerade mit unserem einheimischen Führer, Dorian, vor einem Tisch, auf dem wir eine Karte ausgebreitet hatten. Darauf waren fünf verschiedenfarbige Kreise zu sehen, jeder wurde einer Einheit zu je zwei Soldaten zugeordnet und diese mussten den entsprechenden Bereich nach unserem Ziel absuchen. Bisher war unsere Suche erfolglos, doch wenn Einheit drei eine Hütte gefunden hat, deutete das zumindest darauf hin, dass hier jemand war. Falls der Kontakt weiter ausbleiben und meine Männer nicht innerhalb von zwanzig Minuten hier ankommen sollten, da ich ihnen den Befehl gab, zurückzukehren, falls sie die Verbindung mit uns verlieren, so wäre das jedoch der Beweis, dass wir 47 gefunden hatten. Deshalb sagte ich zu den übrigen Soldaten, die in unserer Unterkunft, die nur ein beheizter Container war, folgendes: „Macht euch kampfbereit! Wir haben ihn gefunden, das ist jedoch noch nicht bestätigt. Sollte ich jedoch in zehn Minuten jemanden sehen, der weder seine Uniform angezogen noch seine Waffe geladen hat, dann werde ich denjenigen höchstpersönlich bis zum Hals im Schnee vergraben. Habt ihr das verstanden?"

„Jawohl Sir!", antworteten meine Männer, standen stramm und salutierten. Sie alle sahen kampfeslustig aus, doch man sah den Zweifel in ihren Augen. Niemand wusste, zu was dieser Mann wirklich fähig war und nun wusste er, dass wir kommen.

Als nach zwanzig Minuten noch immer kein Anzeichen von Einheit drei zu sehen war und auch der Funkkontakt ausblieb, hatten wir zwar die Bestätigung, dass wir 47 gefunden hatten, aber auch, dass zwei unserer Kameraden tot waren. Ich wusste zwar, dass ich als Anführer ruhig wirken musste, damit auch die anderen die Nerven bewahrten, doch das schien mir nicht gut zu gelingen.

„Alles in Ordnung, Sir? Sie sehen ein bisschen bleich aus.", fragte Eckmann, der Sanitäter unseres Teams.

„Mir geht es gut. Nicht gerade beruhigend zu hören, dass zwei bestens ausgebildete Soldaten so schnell ausgeschaltet wurden, dass sie uns nicht einmal Bericht erstatten konnten. Dieser 47 scheint geradewegs aus der Hölle entflohen zu sein.", sagte ich mit einem Frösteln.

Dann wandte ich mich wieder an meine Männer und verkündete: „Wie ihr alle bereits wisst, hat 47 Kurzschell und Hofmeister getötet. Doch nun kennen wir seine Position und diesmal wird er sehen, zu was Gebirgsjäger fähig sind. Wir sind besser ausgerüstet als er und in der Überzahl. Zur Not sprengen wir seine Hütte einfach in die Luft!"

Die Soldaten jubelten, hoben ihre Gewehre in die Luft und schrien: „Diesen Wichser werden wir kalt machen!"

Dann begaben wir uns auf den Weg durch die verschneite Berglandschaft. Leider sah ich am Himmel Wolken, die verhießen, dass es bald schneien würde. Doch 47 würde fliehen, falls wir weiter warteten und so mussten wir handeln. Unter anderen Umständen hätte ich den Gesang der Vögel und die Ruhe genossen, doch nun war ich sehr angespannt. Es war meine Aufgabe, meine Truppe zu schützen und sie wieder sicher nach Hause zu bringen. Bei zwei von ihnen hatte ich bereits versagt und ich wusste nicht, wie viele noch folgen würden. Dieser Mann war anders als alle meiner bisherigen Ziele. Langsam bekam ich Angst, dass er uns bereits auflauerte, irgendwo versteckt mit einem Scharfschützengewehr lag und darauf wartete, dass wir endlich auftauchen. Doch das Gewehr in meinen Händen und mein Helm sowie meine Schutzweste mit zwei Platten aus ballistischem Stahl gaben mir wieder Mut. Laut Diana hatte er nur zwei halbautomatische Pistolen und ein Messer bei sich, eventuell hatte er sich auch hier einen Bogen gebaut, um Munition zu sparen, was seine Reichweite stark einschränkte. Mit unseren Sturmgewehren waren wir ihm auf mittlere Entfernung überlegen und selbst wenn er sich irgendwo verstecken und auf den Erstbesten schießen würde, wüssten wir dann seine Position und könnten ihn problemlos ausschalten. Einheit drei war vermutlich einfach unvorsichtig und außerdem wussten sie ja nicht, dass 47 in der Hütte wohnte. Doch mit reiner Spekulation gewinnt man keine Schlacht und so wartete ich erst einmal ab, wie das Gebiet rund um unseren Zielort aussah. War es offen oder in einem dichten Wald? Von welcher Seite gab es Deckung für uns? Welche Fluchtmöglichkeiten gab es für ihn? Wie weit konnten wir uns ihm nähern, ohne in seine effektive Reichweite zu gelangen? All diese Fragen galt es zu beantworten und danach abzuwägen, wie man am besten handelte. Als wir die Hütte nach rund zehn Minuten erreichten, war von 47 auf den ersten Blick keine Spur. Seine Behausung lag auf einer kleinen Lichtung die frei von großen Steinen oder umgestürzten Baumstämmen, die uns Deckung oder zumindest Sichtschutz geboten hätten. Wir mussten also entweder vom Wald, der circa zwanzig Meter von unserem Zielobjekt entfernt war, angreifen oder uns vorsichtig nähern und ihn überraschen. Erstere Möglichkeit schien attraktiver, doch die Hütte bestand aus massiven Baumstämmen, die einer Kugel durchaus standhalten konnten und die Fenster schienen aus gespiegeltem Glas zu bestehen. Vermutlich hatte er ein paar Einheimischen angeboten, ihn für ein bisschen Geld bei dem Bau der Hütte zu unterstützen und sie anschließend umgebracht. Tatsächlich verschwanden laut unseren Nachforschungen einige Männer kurz nachdem 47 untergetaucht war. Ich hatte meinen Gegner unterschätzt. Er schien dieses Szenario gut durchgeplant zu haben und hatte sich entsprechend vorbereitet. Da mir nichts anderes übrig blieb, teilte ich meine Männer auf, ließ sie die Hütte umzingeln und vorrücken. Die Taktik, von mehreren Seiten anzugreifen und so den Gegner zu überrumpeln, hatte schon viele Schlachten entschieden, beispielsweise jener Kampf der Germanen im Teutoburger Wald gegen die Römer oder auch den Vietnam Krieg. Die ungeschützte Flanke des Gegners angreifen, verschwinden und dann erneut zuschlagen war eine simple, aber geniale Strategie, die ihren Wert oft genug demonstriert hatte. So schlich meine Truppe in Zweiergruppen aus allen vier Himmelsrichtungen geduckt in Richtung ihres Zieles, bis plötzlich eine gewaltige Explosion ertönte. Meine Ohren klingelten durch den lauten Knall, doch ich nahm das Surren von Kugeln und das Schreien meiner Kameraden wahr. Ich blickte mich um und sah, wie zwei meiner Männer blutend im Schnee lagen, während die übrigen kopflos in das Haus stürmten. Dorian, der neben mir saß, verpasste mir eine Ohrfeige und ich konnte wieder klar denken. Doch erneut gab es eine Explosion, diesmal jedoch in der Hütte. Das Funkgerät an meiner Schulter vibrierte und eine panische Stimme ertönte und schrie: „Sir, was passiert hier? Ist dieser 47 ein Dämon, der alles was er will in die Luft sprengen kann, was er will?"

„Beruhige dich, Soldat. Bleibt fürs erste im Haus und seht euch um. Vielleicht gibt es einen Keller oder sowas, in dem er sich versteckt hält.", befahl ich ihm.

Ich sah mich um und versuchte zu erfassen, was gerade geschehen war. Irgendetwas war explodiert, vielleicht hatte 47 eine Handgranate bei sich, danach hatte unser Gegner die Verwirrung genutzt und zwei meiner Männer ausgeschaltet, die nun in meiner Sichtweite im Schnee lagen. Meine Truppe hatte daraufhin Schutz in der Hütte gesucht, doch auch dort war etwas explodiert. Wenn 47 dort war, musste ich meine Männer anführen und so sprintete ich zu der Behausung, riss die Tür auf und traf auf die übrigen Soldaten. Sie saßen in dem recht großen Raum auf dem Boden und sahen verstört aus. In einer Ecke, die zu einem weiteren Ausgang führte, lagen die zerfetzten Überreste eines Menschen, doch es waren die Reste einer Uniform zu sehen. Offensichtlich hatte dort eine Claymore-Miene gelegen. Ich zählte meine Soldaten durch und konnte sehen, dass bereits vier von ihnen fehlten, zwei waren verletzt, der Rest sah aber noch kampffähig aus. Auf einmal entdeckte ich jedoch ein kleines Objekt auf einem der Bücherstapel, das einer kleinen Kamera ähnelte. Im selben Moment durchbrach ein Geschoss eines der Fenster und traf Eckmann. Als ich sah, dass er blutete und vermutlich tödlich getroffen war, schätzte ich, dass 47 auch mit einer Waffe höheren Kalibers als einer Pistole ausgerüstet war. Das bestätigte meine These, dass das kleine Objekt eine Kamera war, mit der er uns nun beobachtete und unsere Positionen auch durch die gespiegelte Glasscheibe ausmachen konnte. Ich zertrat jene schnell mit meinem Stiefel und kümmerte mich um Eckmann. 47 hatte die Weste durchdrungen, da diese nur Schutzklasse 2 bot und somit nur gegen Kurzwaffen effektiv war, und ihn in der Brust getroffen. Da das Blut, das der Verletzte ausspuckte jedoch voller Luftbläschen war, wusste ich erfahrungsgemäß, dass seine Lunge beschädigt worden war. Da jedoch Eckmann unser Sanitäter war, konnten wir ihm nicht helfen und mussten so unserem Kameraden dabei zusehen, wie er langsam verblutete, da ihm keiner einen Gnadenschuss verpassen wollte. Während ich die Hand des Sterbenden hielt, der vor Schmerzen nur ein unartikuliertes Stöhnen herausbrachte, dachte ich mir: „Das wirst du bereuen, gottverdammter 47!"

Hitman-Der Tod von Agent 47Where stories live. Discover now