Kapitel 1

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Meine Eltern sind tot. Die Schnitter haben sie ermordet. Genau so, wie sie schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten die Familien der Kriegernachkommen, die auf der Seites des Guten stehen, umbringen. Und jetzt stehe ich hier. In diesem eleganten, schwarzen Kleid, dass so gar nicht nach einem Kleid für eine Beerdigung aussieht und stehe am Grab meiner Eltern. Meine Füße stecken in einem Paar High Heels, die genauso elegant aussehen, wie der Rest meines Outfits und verdächtig unschuldig glitzern. Ich spüre die Blicke der anderen Angehörigen auf mir. Meine Tante Angie, die jüngere Schwester meiner Mutter Priscilla, lächelte traurig und legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter. Doch ich brauchte  kein Mitleid! Von niemanden! Also schüttelte ich ihre Hand ab und wandte mich von dem Grab ab. Ich konnte einfach nicht länger hier bleiben. All diese Leute, diese Fremden. Ich kannte sie nicht. Vielleicht waren es Schulfreunde meiner Mutter, vielleicht ja Arbeitskollegen meines Vaters, der Mitglied des Rates gewesen war. Aber eigentlich interessierte es mich nicht, wer sie waren oder woher sie meine Eltern gekannten hatten. Ich wollte nur endlich hier weg. Doch als ich an ihnen vorbei gehen wollte, um den Friedhof zu verlassen, hielt mich jemand am Arm fest. Es war Diego, mein Zwillingsbruder. >>Lass mich los.<< fauchte ich. Er schüttelte den Kopf. >>Nein! Du kannst nicht einfach gehen!<< Er trug einen perfekten schwarzen Anzug, der nicht eine Falte vorzuweisen hatte und zeigte aller Welt somit, dass unsere Familie auch ohne Eltern noch genauso perfekt war, wie sie es früher war. Und oh ja, dass war sie. Perfekt.

Unsere Mutter war ein Champion, genau wie ihre Mutter und deren  Mutter vor ihr. Und jetzt bin ich wohl dran. Ich bin 16 Jahre alt, weshalb sich meine Magie jetzt langsam herauskristallisiert. Noch weiß ich nicht, was es ist, aber ich bin mir sicher, dass Aphrodite die richtige Wahl treffen wird, was meine Magie anbelangt. Diego war verdammt enttäuscht von mir, aber ich hielt es nicht mehr aus. >>Diegito, lass mich los, oder du wirst es bereuen.<< Ich riss mich von ihm los und rannte davon. Meine Absätze blieben im Gras des Friedhofs stecken und ich kam viel zu langsam voran. Also riss ich sie mir von den Füßen und rannte weiter. Mir war nicht ganz klar, wohin ich rannte, aber eines wusste ich: Ich musste hier weg.

Als ich völlig außer Atem und total erschöpft stehen blieb, bemerkte ich, dass ich vor unserem Haus stand. Es war eine hübsche, perfekte Vorstadtvilla, die sich genau an ihre Umgebung anpasste. Seit dem Tod meiner Eltern hatte ich unser Haus nicht mehr betreten, da wir bei unserer Tante eingezogen waren. Doch ich musste einfach noch einmal zu jenem Ort zurück, an dem meine Eltern gestorben sind. Unser Ersatzschlüssel war versteckt in einem Blumentopf, dessen Hortensien schon längst verblüht waren. Ich schloss die Tür auf und sofort stieg mir der Geruch von Desinfektionsmittel in die Nase. Natürlich, der Rat hat ihr Blut sicherlich weg machen lassen. Alles wirkte so, wie immer. Sauber, ordentlich und gewohnt. Es war so, als würde jeden Moment Diego die Treppe runter kommen, um zu seinem Tanztraining zu gehen oder als würde ich Papá am Tisch über seinen Unterlagen sitzen sehen, wenn ich nur um die Ecke biege. Doch da stand niemand. Und auch unsere Haushälterin war nirgendswo zu sehen, die sonst immer am Herd stand und Kekse backte. Ich sah auch nicht meine Mutter, die mit de Arbeit telefonierte oder im Garten saß und las. Nach ihrem Abschluss an der Mythos Academy, wollte sie nicht, wie mein Vater dem Rat beitreten, auch wenn die sicherlich alles getan hätten, um sie als Mitglied zu gewinnen. Stattdessen wollte sie ein normales Leben führen. Also wurde sie Immobilienmaklerin. 

In 3 Wochen müssen Diego ebenfalls auf die Mythos Academy. Vermutlich wäre es gut für uns Kontakt zu Jugendlichen zu haben, die wie wir sind. Doch dennoch habe ich Angst davor. Angst davor, wie sie auf jemanden wie mich reagieren könnten. Auf einen Champion. Mein Bruder wird es sicherlich einfacher haben. Er ist wie unser Vater ein Spartaner und jeder weiß, dass die Spartaner mit Abstand die coolsten Krieger sind. Während ich noch nicht einmal weiß, was ich kann. Ich seufzte.

Als ich die Treppe hoch lief überkam mich ein Gefühl von Heimweh. Ich wollte nicht auf die Mythos Academy oder bei meiner Tante leben. Ich wollte, dass alles wieder so wird, wie früher. Aber es wird nie wieder so wie früher. Mein Zimmer wirkte so auf mich, als hätte ich es nie verlassen. Die weiße Tagesdecke mit den goldenen Sternen lag ordentlich auf meinem Bett und die hellen Wände fingen das Licht auf, dass durch die Balkantür strahlte. Alles wirkt so vertraut. Und als ich das Fotoalbum in die Hand nahm, dass neben meinen dutzenden Büchern stand und durch die Seiten blätterte fing ich an mit weinen. Wieso? Wieso sie? Sie waren noch nicht bereit zu sterben und ich, ich bin nicht bereit, sie zu verlieren. Jetzt habe ich nur noch Diego und Angie.

Fedemila - die Schatten unserer Seelen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt