Hiding my heart

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Hiding my heart


I wish I could lay down beside you
When the day is done
And wake up to your face against the morning sun

Tim hatte sich verliebt.

Im Endeffekt hatte er es die ganze Zeit gewusst, aber manchmal war es so viel leichter, sich selbst zu belügen, um sich zu beschützen.

Liebe ist so ein furchtbares Konzept. Im Prinzip bindet man sein Herz – dieses dumme fragile Ding – ja an ein anderes Herz, das ebenso fragil und dumm ist und über das man gar keine Macht hat.

Kein Mensch würde eine wacklige Konstruktion an eine weitere wacklige Konstruktion schrauben, wenn er nicht sicher wäre, dass es sie beide stabiler machen würde.

Tims Herz war wacklig. Wacklig und ängstlich und dumm.
Und Stegis Herz war nicht anders.

Sie waren nur zwei dumme, unsichere Menschen und Tim liebte Stegi so sehr, obwohl er wusste, dass es keine gute Idee war, ihre dummen, wackligen Herzen aneinander zu binden.

Selbst wenn Stegi ihn zurücklieben würde, wäre es keine gute Idee, aber dazu kam, dass er es einfach nicht tat und nicht tun würde. Also würden ihre Konstruktionen nicht aneinanderlehnen, sondern einfach umkippen.
(Niemals würde Stegi sich in ihn verlieben.)

Stegi war nicht schwul, er war nicht bi, er war nicht demisexuell und nicht pansexuell und all das nicht, das es vielleicht möglich machen würde.
Stegi war heterosexuell.

Selbst wenn sie ihre Konstruktionen aneinanderschrauben würden, wäre Tim ein Balken und Stegi ein Rohr oder welche dumme Metapher man auch verwenden wollte. Tim war ein Winkel, aber Stegi wollte nicht um die Ecke. Was auch immer.

Stegis Liebe war eine If-Konstruktion – vielleicht konnte es besser in Informatiker-Sprache gesagt werden. If it's a girl and she's pretty and funny and wonderful – he'll fall in love.

Tim hatte sich verliebt, obwohl er doch von Anfang an gewusst hatte, dass es keine gute Idee war. Obwohl er doch immer schon gewusst hatte, dass Liebe immer auch brechende Herzen und Einsamkeit beinhaltete. Obwohl er versucht hatte, sich so zu programmieren, dass da keine Möglichkeit entstand.
(Weil er doch niemanden so nah an sich ranließ, dass er sich verlieben könnte. Weil da doch immer Mauern zwischen ihm und anderen Menschen waren.
(Aber nicht bei Stegi.))

Er hätte es sich so gern erspart, aber man kann dieses dumme, fragile, wacklige Herz nicht abhalten, sich an falsche Konstruktionen schrauben zu wollen und dabei immer wieder kaputt zu gehen, wenn alles zusammenbrach.

Eigentlich war nichts passiert. Eigentlich hatte Stegi ihm nicht einmal einen Korb gegeben. Eigentlich könnte Tim es drauf ankommen lassen und Stegi sagen, was er fühlte und was er dachte von If-Konstruktionen und wackligen Herzen.

Aber Tim wollte das alles nicht erleben.

Er wollte nicht sehen, wie Stegi verstand, was in Tim vorging. Er wollte nicht merken, wie der Kontakt langsam weniger wurde. Er wollte nicht erleben, wie Stegi und er auseinander drifteten. Er wollte nicht, dass Stegi auf ihn Rücksicht nahm, vorsichtig wurde und ihn schonte oder einfach den Kontakt abbrach.

Nein, Tim wollte nicht verliebt sein und er wollte erst recht nicht, dass Stegi es wusste.

Herzen können auch leise brechen. Herzen können auch im Stillen bluten. Herzen kann man gut verstecken.

Tim war nicht verliebt. Wenn ihn jemand fragte, würde er es immer verneinen.


(„Warum willst du dich nicht verlieben?" hatte Lena ihn einmal gefragt, als sie ihn mit irgendeinem Mädchen geneckt hatte und er ihr grob „Ich verliebe mich nicht! Niemals!" ins Gesicht gesagt hatte, damit sie endlich aufhörte.

(Sie hatte nicht gesagt, warum er sich nicht verliebte, sondern warum er es nicht wollte. Seine Schwester kannte ihn so gut.)

„Weil das nicht gut gehen kann" war seine Antwort gewesen, weil er sah, wie Ehen zerbrachen und Beziehungen auseinander gingen und die Paare Kompromisse eingingen oder wegen der Kinder zusammenblieben.

Tim war schon immer ein kluger Mensch gewesen und wenn es so aussah, dass etwas mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf schmerzen und Leid hinauslief – dann ließ er sich nicht darauf ein.

„Kann es wohl." Lena hatte es trotzig gesagt, aber Lena war auch eine Romantikerin und längst nicht so logisch denkend wie Tim.

(Tim wiegte Lena stundenlang in seinem Arm, als ihre erste Beziehung in die Brüche ging. Lena war viel weniger vorsichtig als Tim und er liebte und hasste sie dafür, dass er so mit ihr mitlitt und diesen Typen so gerne verprügeln wollte, obwohl er doch überhaupt kein aggressiver Mensch war.
Lena wischte sich die Tränen ab und machte einfach weiter. Flickte ihr Herz und verschenkte es neu.
(Wie sollte er so auf sie aufpassen?))

Tim hatte sich nie eingestanden, warum er sich nicht verlieben wollte, aber wenn er ganz ehrlich war und im tiefsten Winkel seiner Gefühle suchte, hatte er über Lenas Frage doch ab und zu nachgedacht.

(„Warum willst du dich nicht verlieben?" – „Weil die Liebe mich zugrunde richten würde. Weil sie flüchtig ist und dann bleibt nur das, was zwei Menschen sonst verbinden könnte. Und dafür braucht es keine Liebe, sondern Vertrauen, Verständnis und zueinander passende Interessen."

„Warum willst du dich nicht verlieben?" – „Weil es ein Gefühl ist und eine Hoffnung und man sich lieber auf Fakten und Wissen verlässt."

„Warum willst du dich nicht verlieben?" – „Weil Liebe unlogisch ist."

„Warum willst du dich nicht verlieben? Sag einmal die Wahrheit, Tim." – „Weil ich Angst habe, verletzt zu werden." – „Du bist ein Vollidiot." – „Was, wenn er geht? Was, wenn er mich einfach zurücklässt? Was dann?" – „Was, wenn er es nicht tut?"))

But like everything I've ever known
You disappear one day
So I spend my whole life hiding my heart away

Hearts [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt