Nicht nur Niall war von dem scharfen Ton, den Finn angeschlagen hatte, geschockt. Auch Dilara und ich warfen uns verwirrte Blicke zu. Warum hat er denn jetzt auf einmal so schlechte Laune?! Dieser Typ ist eindeutig ein wandelndes Gefühlschoas. Eben die für mich überraschende Herzlichkeit und jetzt total abgefuckt. Und da sagen sie alle wir Frauen wären kompliziert.
Als wir auf Staten Island angekommen waren, stiegen wir aus und liefen in die Eingangshalle. Dort gab es einige kleine Läden, unter anderem auch eine Saftbar. Ich steuerte direkt darauf zu und holte mir einen Erdbeer-Kiwi-Smoothie. Finn stellte sich neben mich und bestellte das Gleiche. Er streckte dem Kassierer sein Geld entgegen und verschwand so schnell, wie er auch gekommen war. Auch ich bezahlte meinen Drink und gesellte mich zu den anderen. Dilara und Niall unterhielten sich grade angeregt über irgendetwas und Finn saß daneben, den Kopf zu Boden gerichtet. Ich konnte es nicht mit ansehen und beschloss mich neben ihn zu setzten.
Als ich neben ihm Platz genommen hatte, beachtete er mich nicht. Ich drehte mich zu ihm und fing an zu sprechen: "Finn, ich weiß zwar nicht, warum du sauer bist, aber gibt es was, was ich daran ändern könnte? Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich mag es nicht, wenn es meinen Mitmenschen schlecht geht." Er blickte nicht auf. Ich wusste nicht wirklich, ob er selbst so in Gedanken versunken war, wie ich vorhin oder ob er mir schlichtweg nicht antworten wollte. Als ich mich grade weg drehte, sah ich wie er kaum merklich seinen Kopf schüttelte. Ich drehte mich direkt wieder zu ihm und musste meine Stirn runzeln. "Was nein? Nein - du willst nicht darüber reden? Nein - du willst nicht mit mir reden und ich soll dich alleine lassen? Nein - ich kann daran nichts ändern? Nein - du bist nicht sauer? Ich habs noch nicht so drauf mit dem Gedankenlesen, sorry!", ich versuchte die Situation etwas aufzulockern. Wieder schüttelte Finn nur seinen Kopf. Aus ihm war dann wohl nichts mehr raus zu bekommen, also erhob ich mich aus meinem Sitz und beschloss etwas in der Wartehalle herum zu laufen. Wir hatten die Fähre verpasst, was nicht weiter schlimm war, da wir heute eh schon so viel Zeit vertrödelt hatten. Da kam es auf eine halbe Stunde mehr oder weniger auch nicht mehr an.
Als ich grade meinen Smoothiebecher in den Müll geworfen hatte und mich auf den Weg zu den Anderen am anderen Ende der Halle machen wollte, packte mich jemand am Handgelenk. Ich erschrank mich so sehr, dass mir ein Quiecken entfuhr. Allerdings war der Lautstärkepegel hier so hoch, dass es niemand wirklich mitbekam. Ich drehte mich langsam um, ich zitterte am ganzen Körper und mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Shit. Ich schaute gegen eine männliche Brust, welche in einem dunklen T-Shirt mit einer geöffneten Kapuzenjacke steckte. 'OH OH' Langsam richtete ich meinen Kopf gen Himmel. Meine Augen wanderten den Körper hinauf und was ich dann erblickte raubte mir fast den Atem. Ich schnappte hysterisch nach Luft. Schlagartig verwandelte sich meine Angst in Wut. Meine Augen verdunkelten sich wahrscheinlich grade, während ich sie zu Schlitzen zog. Braun traf auf Grün.
Mich überkam dermaßen viel Wut, dass ich mich selbst nicht stoppen konnte und meine Stimme automatische einige Oktaven höher wurde: "Sag mal du willst mich doch total verarschen oder? Hab ich dir nicht schonmal gesagt, dass du aufhören sollst mich zu verfolgen? Checkst du es nicht? DU bist verdammt nochmal echt kruselig!" "Ach komm schon Lexi, ich dachte ich seh dich nicht wieder..." "JA GENAU DAS WAR MEIN PLAN, BRAD!" "Ich bin so froh, dass du noch in New York bist, ich hab dich vermisst! Wie gehts dir denn so? Warum seh ich dich nicht mehr auf der Fähre?"
Ich blickte meinen 'geliebten' Stalker verständnislos an. War er so dumm oder tat er nur so? Als ich grade ansetzte ihm zu antworten und mir gedanklich schon meine besten Schimpfwörter zurecht legte, spührte ich plötzlich zwei starke Arme um meinen Bauch, die mich fest an eine breite Brust drückten. Ich blickte auf und sah Finn, wie er mich schüchtern anblickte. Ich zwinkerte ihm zu, dankbar, dass er mich vor Schlimmeren bewahrte. Ich richtete meinen Blick wieder zu Brad, dem diese Situation wohl nicht so zu gefallen schien. "Oh Brad, mir ging es richtig gut. Ich habe viel Zeit mit ihm verbracht und bin auch zu ihm gezogen. Weißt du, er hat eine wunderschöne Wohnung am Central Park, die wir uns teilen. Herrlich! Mir könnte es garnicht besser gehen. Ach ja und mit der Fähre fahre ich nicht mehr. Wenn fahre ich nur noch Taxi oder sein Fahrer bringt mich an meine gewünschten Ziele. Und wie geht es dir so?" Ich setzte mein bestes Fake-Lächeln an und blinzelte den braunhaarigen Jungen vor mir zuckersüß an, während ich darauf hoffte, dass er mir meine Lüge abkaufte. Um meine Aussage zu unterstreichen, legte ich meine Hand auf Finns und verschränkte unsere Finger miteinander. Man konnte sehen, wie sich Brad versteifte. Als Finn mir einen schüchternen Kuss auf die Wange gab, war es ganz vorbei. "Ja, ja. Total toll. Ich muss zu meinem Zug, bye Lexi!" Brad rannte förmlich aus der Wartehalle.
Sobald er außer Höhrweite war, brach ich in schallendes Gelächter aus und drehte mich freudestrahlend zu Finn um. "Danke, du hast mich gerettet! Das wäre ansonsten echt böse geendet!", voller Elan umarmte ich den großen Jungen, der siegessicher grinste. Dazu musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen, um auch nur ansatzweise meine Arme um seinen Hals schlingen zu können. "Wer war das?", fragte er mich, während er mit geröteten Wangen auf mich herab blickte. "DAS!" Ich deutete mit meinem Finger in die Richtung, in die er verschwunden war, "Das war Brad. Brad ist sowas wie mein Stalker..."
Finn unterbrach mit sofort: "Sowas wie dein Stalker? Weißt du wie gefährlich das ist? Warum fährst du mit uns hier her, wenn du weißt, dass er hier sein könnte...Und dann läufst du auch noch alleine hier in der Wartehalle herum, dir hätte sonst was passieren können!"
"Wooow, ganz ruhig Brauner! Erstens hab ich schon weitaus Schlimmeres erlebt. Zweitens ist Brad einer von der harmlosen Sorte! ...Denke ich zumindest. Er läuft mir nach wie ein Hund und versteht nunmal nicht so ganz, dass das echt beängstigend ist. Aber ich glaube eher weniger, dass er mir was antun würde. Außerdem warst du ja jetzt da, um mich zu retten."Mein Blick traf Finns, der mich etwas schüchtern, aber auch liebevoll anlächelte. "Ich ... I-ich hoffe es war ok... na du weißt schon...", lachend hakte ich mich bei ihm unter und brachte ihn somit zum Schweigen. Ich führte ihn zu den andern beiden, die uns schon erwarteten.
Na das kann ja noch ein Tag werden!
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Nur (m)eine Stadt [SLOW UPDATES]
AksiVerängstigt, allein, traurig - so sieht das neue Leben von Lexi in New York aus. Sie ist aus Frankfurt geflohen und will sich dort ein neues Leben aufbauen. Doch ein Stalker und der Umstand, dass sie langsam aber sicher paranoid wird, machen die Sac...