-6- Das Pasquarelli-Aber

440 26 23
                                    

5.April.2017, Salta

Stumm und mit starrer Miene zog ich meinen pinken Koffer hinter mir her. Es war echt ein Drama gewesen alles in nur einen Koffer zu stopfen. Hinter mir konnte ich Gekicher der anderen hören.
Chiara hatte sich eine Mini-Hand, die man sich auf den Finger setzten konnte, gekauft, was anscheinend super unterhaltsam war.
Ich beschleunigte meinen Gang und schritt weiterhin mit mürrischer Miene voran.

»Karol!«, schrie jemand. Fans am Flughafen? Verwirrt blickte ich mich um.
Ich konnte meinen Augen nicht trauen.
»Clarita«, schrie ich erfreut und völlig aus der Fassung. Ich rannte auf meine brünnette Freundin zu und fiel ihr freudestrahlend in die Arme.

»Was tust du denn hier?«, wollte ich mit emotionaler Stimme wissen. Gerade in diesem Moment löste ihr Auftreten so viel Freunde in mir aus. Fast 2 Wochen hatte ich niemanden aus meiner Familie geschweige denn von meinen Freunden, gesehen.
»Dich überraschen«, murmelte sie in meine Schulter hinein.
»Ist dir gelungen«, ich hakte mich fröhlich bei meiner Freundin ein.
Clara grinste und stellte ihren Koffer in die richtige Position, um ihn weiterzuziehen.
Meine Kollegen hatten uns inzwischen eingeholt und warfen meiner Freundin merkwürdige Blicke zu, jedoch äußerten sie sich nicht dazu.

Mit dem Taxi wurden wir zum Hotel kutschiert. Es war schön zur Abwechslung wieder in einem bekannten Land zu sein. Vor allem war es aber schön, dass ich Clara bei mir hatte. Ich würde sagen, dass ich in diesen wenigen Stunden mit Clara mehr gelacht hatte als in der ganzen Woche.

Mein Blick schweifte aus dem Fenster der großen Limousine. Mittlerweile waren wir in der Innenstadt und fuhren an einem kleinem italienischen Restaurant vorbei.
Automatisch musste ich grinsen, da es mich an die Zeit mit Rugge in Italien erinnerte, denn dort hatten wir in einem optisch ähnlichen Restaurant gegessen.
Ich schwelgte ab in Erinnerungen.

Mailand, Juni 2016

»Herzlichen willkommen in einem wahrhaftigen 'Ristorante', Segnorina Sevilla! Wie fühlen sie sich kurz bevor sie das erste Mal von der italienischen Küche kosten?«, verkündete er fröhlich während er die Tür des Restaurants aufstieß.
Ich kicherte: »Rugge, ich habe schon mal italienisch gegessen!«.

»Nein. In Argentinien gibt es italienische Restaurants, ja...«, begann er mit einer Oberlehrerstimme.
Ich schmunzelte da ich genau wusste, dass nun das berühmte Pasquarelli-Aber folgen würde.

»...Aber!«.
Laut begann ich zu lachen, was ihm ein Stirnrunzeln ins Gesicht quittierte , doch er ließ sich nicht davon stören:
»... dort ist der Teig eklig labberich, da Pizza nur hier in Bella-Italia, in einem Steinofen gemacht wird. Und in Lateinamerika gibt es nur abgepackte Nudeln. Der Fisch geht aber«.

Ich nickte gespielt seriös: »Alles klar«.
Noch ernster als ich, nickte er und ließ sich auf einem Stuhl, am Tisch in der Ecke fallen. Da in Europa gerade Sommer herrschte und es ziemlich heiß zu dieser späten Stunde war, aßen wir draußen.

»Warum gehst du dann in Argentinien überhaupt Essen?«, wollte ich nun amüsiert wissen.
Er zuckte ahnungslos mit den Schultern: »Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht, Karol. Einmal hat es so wenig geschmeckt, dass ich in die Küche gegangen bin und mich über das Essen beschwert habe«.

Mit großen Augen sah ich ihn an: »Das hast du nicht wirklich getan?«.
»Doch«, murmelte er verdutzt über mein plötzliches Entsetzen.
»Aber sowas macht man doch wirklich nicht«, erwiderte ich.
»Ich schon!«, behauptete er entschlossen und beugte sich über die Speisekarte.

Verblasst -RuggarolWo Geschichten leben. Entdecke jetzt