-4- Mit den Nerven am Ende

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Córdoba, 31.03.2017

Benebelt öffnete ich die Augen. Ich war nicht lange weg gewesen. Höchstens 2 Minuten, schätzte ich. Trotzallem hörte ich aufgeregtes Gemurmel.

Nun blickte ich wieder in Ruggeros große Knopfaugen. Ich erschrak, weil es das erste war das ich sah und das letzte was ich zuvor gesehen hatte. Er beugte sich besorgt über mich hinüber: »Karol? Alles okay?«.
Ich war irritiert, unfähig zu Sprechen.
Stumm reichte er mir seine Hand. Sofort nahm ich einen stechenden Schmerz im Nacken war.

»Geht es dir wirklich gut? Ich meine du bist mit dem Kopf aufgeschlagen!«, Ruggero schaute mich sorgenvoll an.
Mein Nacken schmerzte höllisch und ich versuchte krampfhaft den Schmerz auszublenden.
»Was ist mit der Show? Wollen wir nicht weiter machen?«, erwiderte ich eifrig. Ich durfte meine Fans nicht enttäuschen, sie waren der Grund warum ich hier überhaupt stand.
»Sie ist zu Ende«, meinte Ruggero.
Verdutzt sah ich ihn an: »Was ist mit der Abschiedsrede?«.
Er setzte seine Stirn in Falten: »Karol, du bist auf den Kopf gefallen! Ich glaube wohl kaum, dass... Ach sieh mal! Da kommen schon die Sanitäter!«.
Ich blickte nach rechts und konnte zwei Männer in lächerlich, gelben Overalls erkennen, die eine Trage mit sich trugen.
Meine Augen weiteten sich. Was sollte dieser unnötige Aufzug?
Ein paar Leute saßen immer noch im Zuschauerbereich und filmten die Situation ,die sich nun gerade auf der Bühne abspielte, fieberhaft mit.
»Ich habe alles ruiniert«, stellte ich seufzend fest.
Ruggero griff plötzlich nach meiner rechten Hand und drückte sie fest. Es tat gut, seine Hände fühlten sich weich und angenehm warm an.
»Du hast gar nichts ruiniert. Die Hauptsache ist, dass du bei Bewusstsein bist. Was ist überhaupt passiert? Hatte dein Rollschuh eine Blockade?«, wollte er mit ruhiger Stimme von mir wissen. Er wusste genau wie er mit dieser Situation umzugehen hatte, denn die Ruhe in seiner Stimme ließ auch mich entspannen.
Ich kam nicht dazu ihm zu antworten, da die Sanitäter sich nun mit der Trage vor mich knieten.
Skeptisch betrachtete ich diesen Anblick.

»Würden sie sich auf die Trage legen, Señorita Sevilla?«, bat mich nun ein Sanitäter mit grauen Haaren und Vollbart.
»Hören sie. Ich bin durchaus fähig noch selbstständig zu laufen!«, behauptete ich, da mir das ganze etwas übertrieben erschien.
»Das mag sein, Señorita. Jedoch sind wir darauf angewiesen!«, erklärte der Zweite von ihnen, welcher dunkles schwarzes Haar besaß, »Da sie auf ihrem Schädel aufgekommen sind, können wir ein Schädelhirntrauma nicht ausschließen, daher wäre es besser wenn sie nicht laufen würden«.
»Das ist doch albern. Ich bin leicht gestürzt und war vielleicht für 2 Minuten bewusstlos...«.
Ruggero fiel mir ins Wort: »2 Minuten? Karol es waren 33 Minuten!«.
»Señorita, wenn sie sich nun bitte...?«, quengelte der grauhaarige Sanitäter.
»Na schön«, stöhnte ich widerwillig auf und legte mich auf die Trage.
Die beiden nahmen die Trage an beiden Enden und hoben mich in die Höhe. Ruggero lief neben uns her. Es war seltsam, dass er mich auf Schritt und Tritt vefolgte, während die meisten anderen schon in ihre Garderoben verschwunden waren. Zum ersten Mal seit langem war ich nicht allein. Ein ausnahmsweise schönes Gefühl.
Ich legte meine Hand um meinen Nacken um diesen grässlichen Schmerz loszuwerden, der mich in diesem Moment kontrollierte.

Nach ein paar Untersuchungen von einem richtigen Artzt (und nicht diesen inkompetenten Sanitätern) stellte sich heraus, dass ich wirklich ein Schädelhirntrauma hatte. Und zu all meinem Übel musste ich nun auch noch eine hässliche, fette Halskrause tragen.
Diese Krause linderte den Schmerz nicht einmal. Mein Nacken schmerzte immer noch wie verrückt und ich fühlte mich derartig schwindelig.
Was für ein Tag.
Die Tür öffnete sich und Ruggero, der vorhin auf Toilette war, betrat den Raum. Als er mich sah prustete er los: »Schicke Halskrause!«.
Gespielt genervt verdrehte ich die Augen.
»Dankeschön«, grinste ich schließlich provokant.
Lachend ließ er sich neben mich auf die Liege fallen. Ich bemerkte, dass er sich inzwischen umgezogen hatte. Er trug nun ein weißes T-Shirt und eine schwarze Hose. Wohingegen ich immer noch mein Kleid vom Konzert anhatte, was auf Dauer ziemlich unbequem wurde, wie ich feststellen musste. Zeit mich umzuziehen war derweil leider noch nicht gewesen.

»Señorita Sevilla, sie können nun gehen!«, verkündete Dr. Busquez, nachdem er das letzte mal meinen Kopf untersucht hatte.
Erleichtert sprang ich auf, doch stellte fest, dass mein Gleichgewichtssinn sich noch nicht erholt hatte. Mein Körper schwankte, doch Ruggero hielt mich in letzter Sekunde an den Schultern fest
»Despacito«, meinte er leicht belustigt.
Seine Hände lagen behutsam auf meinen Schultern. Ich spürte wie eine Hitzewelle durch meinen Körper glitt, die von seinem festen Griff veranlasst wurde. Ich atmete durch und schloss für eine kurze Sekunde die Augen.
»Danke«, murmelte ich verlegen, »Ich- Ich brauche jetzt Ruhe!«.
Ich ließ ihn ohne weiteres stehen und verließ meine Garderobe.
Meine Gedanken waren völlig durcheinander gewirbelt. So derangiert wie ich war, wollte ich jetzt sofort schlafen.
Erschöpft rief ich die Taxi-Agentur, die während der Tour für uns zuständig war, an, dass sie mich abholten. Ich stand da und wartete seelenruhig auf das Taxi. Den Tränen nah. Das alles wurde einfach zu viel für mich. Das einzige was ich momentan wollte, war nach Hause zu fliegen. Zu meiner Familie, nicht nach Buenos Aires, sondern nach Mexiko.
Ich war erst 17. Wer hatte gesagt, dass ich mit so viel Verantwortung umgehen könnte?

»Karol?«.
Ich fuhr verwirrt herum und konnte Ruggeros dunkle Silhouette im Straßenlaternenlicht erkennen.
»Hast du schon ein Taxi bestellt?«, harkte er nach. Stumm nickte ich. Mein Herz schien auf einmal einen Marathon zu laufen. Wieso?
Ich schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen, indem ich langsam ein und aus atmete.
Höchstwahrscheinlich spielten einfach meine Nerven verrückt. Nichts weiteres.

»Alles okay mit dir?«, wunderte Ruggero sich und sah mich schief an.
»Mhm«, bestätigte ich.
»Das Taxi ist da«, gab ich ihm bescheid. Mir wäre es wirklich lieber, wenn ich allein wäre.
Ich war am Ende. Ich konnte nicht mehr.

Kraftlos ließ ich mich auf die Rückbank des Taxis nieder. Ruggero setzte sich neben mich. Ich spürte den Blick des Italieners auf mir ruhen. Es war wie damals als wir in Europa waren. Nur dort hatten wir so viel Zeit miteinander verbracht wie heute Abend. Mit dem Unterschied, dass ich damals keine riesen Halskrause trug, die komplett von dem Rest von mir ablenkte.
Und damals war ich glücklich.

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Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat. Ein großes Dankeschön, dass das Buch schon so viele Kommentare hat, obwohl es erst Mittwoch losging. Im Vergleich zu anderen Geschichten sind es vielleicht wenige, aber ich freue mich trotzdem sehr 🙈☺️. Ich fahre heute in den Urlaub, also werde ich in nächster Zeit wahrscheinlich nicht mehr so regelmäßig updaten. Sorry.

Habt ihr auch schon Ferien? C I A O !

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Verblasst -RuggarolWo Geschichten leben. Entdecke jetzt