-5- Absicht?

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Zwischen Argentinien und Paraguay, 2. April.2017

Ich drückte mich tiefer in meinen Flugzeugsitz. Meine Finger trommelten im Rhythmus von Odio Amarte auf das Display.
Nun wo ich endlich Zeit zum Nachdenken hatte weigerte mein Verstand sich förmlich dagegen.

Der unbekannte Junge neben mir, der nebenbei bemerkt echt süß aussah, begann mich komisch anzuschauen, da ich mich in meinem Sitz hin und her welzte. Es war eben ziemlich unbequem, wenn man sich dank seiner störenden Halskrause nicht richtig anlehnen konnte. Womöglich war es auch die Halskrause, die mich komisch wirken ließ.

Ich schloss die Augen und versuchte mit aller Kraft einzuschlafen. Doch es funktionierte nicht , da ein Gefühlssturm in meinem Kopf brütete. Sie waren nicht zu ordnen.
Es waren zwar nur noch zwei Stunden Flug vor mir, aber ich könnte gut noch ein bisschen Schlaf nachholen.
Gestern hatte ich noch ziemlich lange mit mit Mamá geskypet und da es zwischen Mexiko und Argentinien einen Zeitunterschied gab wurde es etwas später.

Ich raffte mich nun auf, um der Toilette einen Besuch abzustatten. Die Beine des Jungens waren aber im Weg, weshalb ich beinahe über ihn stolperte. Gerade noch rechtzeitig stützte er mich. Dankbar blickte ich zu ihm hoch, was er lächelnd erwiderte.
»Danke...«, ich stockte, da ich den Namen des hübschen Jungens nicht wusste.
»Lautaro«, vervollständigte er meinen zuvor abgebrochenen Satz.
Ich starrte ihn an. Wow, er sah wirklich ziemlich gut aus. Seine Haare waren dunkelblond, fast schon braun, seine vollen Lippen waren hellrosa, aber am schönsten waren wohl seine Augen, dessen Lider groß waren, so groß, dass es aussah als wären seine gesamten Augen groß, jedoch wurden sie zur Seite hin immer schmaler.
»Fertig mit abchecken?«, wollte er sichtlich vergnügt wissen.
Verlegen rappelte ich mich aus meiner halbsitzenden/ halbstehenden Position auf und ging den schmalen Gang zum Klo entlang.

Für Gewöhnlich ging ich nicht auf Flugzeugtoiletten und das hatte folgenden Grund: Man hatte mir erzählt, dass Flugzeuge wenn sie über Meer oder Ozean flugen, den Stuhlgang darüber ausleerten. Außerdem waren sie meistens furchtbar dreckig, aber ich musste nun wirklich dringend.

Vor dem Klo erwartete mich eine erschreckende Überraschung.
Valentina stand an die Klotür gelehnt und war eng mit Michael umschlungen der sie fest an die Tür drückte, während sie sich intensive Zungenküsse gaben.
Also dafür, dass ihre Beziehung geheim bleiben sollte, gaben sie aber ordentlich Gas. Und das auch noch hier wo sie theoretisch jeder sehen konnte.

Amüsiert räusperte ich mich.
Schlagartig zuckten sie auseinander.
»Karol!«, rief Vale erschrocken.
Michael kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
»Karol, bitte sag den anderen nichts...«, begann Valentina verzweifelt auf mich einzureden.
»Jaja ich weiß schon ihr habt eine geheime Beziehung und niemand soll davon wissen«, unterbrach ich die blonde Schönheit. Mike stand lediglich da und drückte ihre Hand. Seine pure Lust konnte ich sofort in seinen Augen ablesen. Männer.

»Woher weißt du das?«, fragte Valentina panisch. Ich zuckte mit den Schultern und zwang mich dann zwischen den beiden Liebestäubchen hindurch, um endlich aufs Klo zugehen.
»Karol!«, Mike umklammerte auf einmal mein Handgelenk mit so einem festen Griff, dass es schon weh tat.
Ich drehte mich wieder zu den beiden um.
»Was?«, brachte ich schlicht heraus.
»Wir bitten dich aufrichtig, niemandem von dem zu erzählen was du zuvor gesehen hast!«, er griff fester zu. Ob er überhaupt bemerkte, dass er meinen Arm beinahe zerquetschte?
»Okay«, murmelte ich und sah schon wie Valentinas Augen anfingen zu leuchten, »Lasst mich nur eins wissen. Warum haltet ihr es geheim?«.

Unschlüssig sah Michael zu Valentina. Es sah so aus als wartete er auf eine Art Zustimmung von ihr. Die er dann schließlich auch bekam, denn sie nickte.
»Wegen Caro«, erwiderte er.
Verwirrt runzelte ich die Stirn: »Was hat Caro damit zu tun?«.
Wieder kratzte er sich unentschlossen den Nacken, eine Standart-Bewegung Michaels:
»Naja sie steht irgendwie auf mich«.
»Ihr seid mir viel zu kompliziert«, stöhnte ich und öffnete die Toilettentür, »Ich bin langsam froh, dass ich nicht bei euch mit drin stecke«, und verschwand endgültig in der kleinen Kabine.

Asunción, 3.April.2017

Mein Blick schweifte über die atemberaubende Aussicht die ich von der Bühne aus hatte. Wie auch in Argentinien zuvor hatte das Jockey Club Stadion kein Dach. Es war schön die Konzerte unter freiem Himmel zugeben, allerdings nicht wenn es regnete. Für mich war es zwar nicht all zu schlimm, da die Bühne überdacht war, jedoch war es für das Publikum ziemlich blöd.

»Karol, Michael, Ruggero und Gastón! Wir proben jetzt 'Un Destino'«, rief Sergio.
Ich drehte mich wieder zurück und steuerte auf das Schlagzeug zu, an dem Gastón bereits Platz genommen hatte.
Ruggero und Michael kamen gemeinsam mit den Mädchen hinter dem Vorhang, der zur Bühne führte, hervor. Katja, Malena, Ana, Chiara, Carolina und Valentina hatten sich alle die gleiche Lederjacke gekauft.

Meinen Kopf drehte ich in die andere Richtug, um meine Reaktion zu verstecken.
Einerseits fand ich es furchtbar kitschig die gleichen Klamotten zu kaufen. Andererseits jedoch machte es das ziemlich eindeutig, dass ich nicht dazugehörte.
Ich fragte mich ob es deren Absicht war?
Ob sie wohl wollten, dass ich mich alleingelassen fühlte?
Ob sie wollten, dass die Fans es wussten?

Wenn nicht waren sie ziemlich unvorsichtig. Niemand von ihnen, außer Katja, folgte mir auf Instagram. Und wenn sie Bilder teilten, war ich jedes Mal die einzige, die nicht markiert war.
Wollten sie, dass ich vor den Fans als Loser darstand?

»Hi!«, Ruggeros Stimme treibte mich von meinen Verschwörungstheorien ab.
»Hi«, antwortete ich knapp und schaute ihn an. Er war oberkörperfrei. Wieso trug dieser Junge nie ein T-Shirt? Hatte er keine?
Kurz konnte ich meine Augen nicht davon abhalten, seinen durchtrainierten Körper zu begutachten.

Die Musik begann. Ich blinzelte und wandte meinen Blick wieder ab. Hoffentlich war es ihm nicht aufgefallen.
Meine Hände umklammerten fest das Mikrofon, als wäre es mit Öl eingeschmiert und würde mir in nächster Sekunde aus der Hand gleiten.
Ich musste mich konzentrieren. Professionell bleiben. Der Oberkörper meines Co-Stars und die Jacken meiner Kolleginnen sollten mir völlig egal sein wenn ich performte.

»No importa lo que venga«, setze ich an, wurde jedoch von Sergio unterbrochen.
»Karol, etwas mehr Konzentration bitte!«.
Verlegen fuhr ich mir durch meine momentanen glatten Haare.
»'Tschuldigung«, nuschelte ich.
Die Musik setzte ein zweites Mal ein. Diesmal suchte ich mir einen Punkt, den ich anstarrte. Es scheinte zu gelingen.
»Gut das war es für heute. Wäre schön wenn du heute Abend nicht wieder hinfällst, Karol«, witzelte Sergio. Ich verdrehte gespielt genervt die Augen, während die Jungs mich auslachten.
»Ich verspreche es«.

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Sorry, dass das Kapitel so spät kommt, aber wie bereits gesagt bin ich im Urlaub in Italien... Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen 😏.
C I A O !

Verblasst -RuggarolWo Geschichten leben. Entdecke jetzt