-3- Urknall

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Córdoba 31.03.2017

Ich stand auftrittsbereit vor dem Vorhang. In wenigen Minuten würde ich auf die Bühne fahren und das Konzert würde beginnen. Vielleicht war es komisch, aber ich war nicht nervös, im Gegenteil ich freute mich. Ich freute mich, die Kinder glücklich zu machen, in dem ich tat, was mir Spaß machte. Außerdem machte es auch mich glücklich. Es war etwas, wohin ich fliehen konnte.
»Karol, auf die Bühne!«, ertönte eine Stimme durch mein Headset.
Schön wäre es, wenn nun jemand neben mir stehen würde, mir viel Glück wünschen würde und meine Hände drücken würde. Doch da war niemand.
Ich lächelte traurig und betrat die Bühne.
Tosendes Gekreische ertönte.
»Hallo Córdoba!«, schrie ich mit einem breitem Lächeln im Gesicht, »Wie geht's euch? Gut?«.
Sie kreischten alle wild durcheinander.

»Estoy cerca de alcanzar mi cielo...«, begann ich. Das Publikum sang laut den gesamten Text mit und schrie meinen Namen.
Es war schön, zu wissen, dass es immer noch Menschen gab, die an mich glaubten. Und die würde es immer geben, denn Karolistas waren wohl die treusten Wesen überhaupt.
Wenn ich in diese vor Freude vor strahlenden Gesichter sah erwärmte sich mein Herz. Fast als wäre ich genauso glücklich wie sie, aber das war ich nicht.
Kinder betrachteten die Welt mit anderen Augen. Sie sahen stets das positive in jeglicher Situation. Genau das war angeblich der Schritt zum Glücklich sein. Jedoch war es schwer wenn nicht sogar unmöglich, für jemanden der realistisch blieb. Es war lediglich Wunschdenken wieder diese naiven Kinderaugen zu besitzen.
Ich konzentrierte mich wieder auf den letzten Vers von Alas und ging schließlich in Beifall und Geschrei von der Bühne ab.

Nach un Destino stürmte ich in meine Garderobe und die Skater unterhielten solange das Publikum. Inzwischen musste ich mich in Windeseile umziehen. Es war schon ein bisschen mühsam, aber trotzdem mochte ich Konzerte lieber als das normale Drehen, da es einfach so rührend war die Reaktionen meiner Fans zusehen.
Ich betrat meine Garderobe, in der meine Stylistinnen Paula und Noa schon warteten, um mir in mein nächstes Kleid zu helfen.
Mit ihrer Hilfe befand ich mich ziemlich schnell in dem Kleid, was ich für Valiente, Vuelo, Alas und Siempre Juntos tragen sollte. Es war lila, hatte einen Rock der vorne offen war und eine Hose zeigte mit bunten Punkten. Von den Konzert Kleidern mochte ich es am liebsten.
Paula zupfte noch ein bisschen daran herum und kontrollierte, ob mein Mikrofon noch richtig saß, bevor sie mich schon wieder auf die Bühne schickten.

Valiente und Vuelo lief wie geplant, obwohl es schon recht schwierig war sich die vielen Schritte von sämtlichen Choreografien zu merken. Glücklicherweise besaß nur die 1. Strophe und der Refrain eine feste Choreo. Danach durften wir zum Glück improvisieren.
Ich hatte das Gefühl, dass die Fans das Improvisieren viel lieber mochten. Dem Gekreische nach zu urteilen, wenn ich Ruggero bei Un Destino antanzte.
Nach Vuelo lief ich nochmal kurz von der Bühne herunter, da ich mir für Siempre Juntos meine Skates anziehen musste.

»Hast du nun mit Agus gesprochen?«, hörte ich Ana zu Carolina sagen, die nebeneinander hergingen.
»Nein«, murmelte Carolina kleinlaut, so dass ich es gerade so hören konnte. Sie schien verlegen zu sein.
»Warum nicht, Caro? Du musst es ihm sagen!«, behauptete Ana laut, woraufhin Carolina erschrickte. Ich wurde langsam neugierig. Was musste Carolina ihm so wichtiges sagen?
»Ich weiß, aber...«, fing Carolina an, doch verstummte plötzlich und sah mir nun direkt in die Augen. Auch Ana schien mich nun zu bemerken: »Karol!«, ich zuckte erschrocken, über ihren Ton, zusammen, »Hat man dir nicht beigebracht, dass man keinen fremden Gespräche lauscht?«.
Wie bitte? Sie waren auf einem offenen Flur, wo theoretisch auch Agustín entlang laufen konnte! Wenn sie sich lautstark unterhielten und ich zufällig neben ihnen lief, konnte man das doch nicht unter 'Belauschen' zählen.

»Ähm ja. 'Tschuldigung«, stammelte ich und verschwand genervt in meine Gaderobe.
Was hatte ich ihnen eigentlich getan? Eine Frage die ich mir häufig stellte, aber nie beantwortet bekam.
Ich schlüpfte aus den lilanen, ungemütlichen Stiefeln und tauschte sie gegen Lunas pinke Rollschuhe aus, um danach auf die Bühne zu fahren.
Es ertönte das übliche, begeisterte Gekreische der Fans. Ich schlängelte mich zwischen Ruggero und Michael hindurch und schlug ein Rad. Wieder ertönte lautstarker Beifall.
»Sigue girando el mundo«, setzte ich als erste ein.
Mike setzte fort: «Pero que estemos juntos«.
»Ya no es casualidad«, von Ruggeros weicher Stimme bekam ich jedes mal wieder eine Gänsehaut. Ich ging nicht darauf ein, sondern fixierte mich auf die Choreografie, die auf Rollschuhen doppelt so schwer wie ohnehin schon war.
Trotzdem hatten wir sie schon so oft geprobt, dass sich meine Arme und Beine beinahe automatisch zum Rythmus der Musik bewegten.
Es lief alles wie geplant. Wie immer. Ich vergaß keinen einzigen Schritt. Mich wunderte es jedes Mal, dass ich die ganzen Schritte nicht einfach vergaß, so wie sonst auch alles.
Wir waren am Ende des Songs angelangt. Somit auch am Ende des Konzerts. Siempre Juntos war schon die Zugabe, aber trotzdem riefen sie alle danach wieder "Zugabe". Am liebsten würde ich in diesen Momenten nochmal auf die Bühne laufen, aber dafür war keine Zeit.
Ruggero nahm mich bei meiner Hand und riss mich damit aus meinen Gedanken. Er wollte mich um meine eigene Achse drehen, so war es vorgeschrieben. Jedoch war ich auf einen Schlag total verwirrt und verlor mich in seinen großen, braunen Augen.
Die Zeit schien auf einmal still zu stehen. Alles passierte abnormal langsam. Wie eine Slow-Motion Aufnahme.
Ich spürte einen Urknall, doch wusste ich überhaupt nicht was gerade vor sich ging. Ich war verwirrt, verloren in Ruggeros Augen. Und drehte mich. Drehte mich immer weiter. Mir wurde schwindelig. Das Publikum war plötzlich verschwommen. Alles war verschwommen. Bis auf ihn. Er stand einfach da, grinste mich an. Ruggero Pasquarelli, scharf und glasklar. Meine Sicht drehte sich weiter um ihn herum. Immer und immer weiter.
Alles fühlte sich blümerant an bis ich auf den kalten Boden krachte.
Mein Sichtfeld verfärbte sich schwarz. Tumult breitete sich in der Halle aus.

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Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen ☺️.
Leute, meine Freunde meinen Rugges Augen seien viiieeel zu groß 😭 dabei sind sie doch genau perfekt 😍. Ach so und sorry für diesen Cut heute... Naja ich bin halt gemein ☺️.
C I A O !

Verblasst -RuggarolWo Geschichten leben. Entdecke jetzt