Vier

30.8K 1.9K 185
                                    

Erst denke ich, dass ich von dem unangenehmen Kratzen in meinem Rachen wach werde, aber es sind viel mehr die leichten, fast tätschelnden Schläge gegen meine Wange und ich spüre, wie sich mein Mund erhitzt. Ein leichter feuchter Geschmack breitet sich aus und hätte ich nicht Angst vor Casper, würde ich es ausspucken. So öffne ich nur die Augen und sehe ihm dabei zu, wie er meine Arme von den Bettpfosten löst und dann vor dem Bauch zusammen bindet. Ohne meinen Blick von ihm abzuwenden beobachte ich das Geschehen. Wie er so geschäftig ist, so konzentriert. Darauf bedacht mich nicht anzusehen.

„Du solltest etwas anderes anziehen, bevor wir wieder runter gehen. Die vögeln dich sonst gleich nochmal“, informiert er mich und hebt mich hoch. Er wird mir jetzt aber nicht Klamotten von sich geben, oder? Da gehe ich ja lieber nackt.

„Keine Angst, musst keine Männerklamotten tragen“, kichert er leise in sich hinein. Er trägt mich aus dem Zimmer, was ich nicht lange genug gesehen habe, um es einzuschätzen. Nur das große Bett und die dunkel gehaltenen Wände sind mir aufgefallen und schon sind wir draußen auf dem Flur.

„Musst du nochmal wohin?“ Lustig, wie er mich schlagen konnte, vergewaltigen lassen konnte, bluten sehen konnte, aber nicht ordentlich fragen kann, ob ich auf' s Klo muss. Den Blick auf meine Knie gerichtet schüttele ich den Kopf und stelle überrascht fest, dass die Beine abgesehen von den Schenkelinnenseiten verschont geblieben sind. Hier und da ein paar Schürfungen, aber sonst nichts. Casper bringt mich in ein mir fremdes Schlafzimmer. Die Wände sind in einem hellen Creme gestrichen, dass den kleinen Andeutungen im Wohnzimmer ähnelt. Man merkt schnell, dass es sich hierbei wohl um das Schlafzimmer seiner Eltern handelt. Denn außer einem großen Ehebett und einer Schrankwand steht hier nichts weiter rum. Mal abgesehen von den hellen Teppichen rechts und links des Bettes und den leichten und durch die Länge dennoch gewaltigen Vorhängen an der hellen Fensterfront. Wieder mal ein Blick über den See. Darauf stehen die ja. Er setzt mich auf die Matratze und tritt an den Schrank. Bestimmt zieht er eine schmal geschnittene Stoffhose aus einer Schublade und ein schlichtes aber durchaus teuer wirkendes Oberteil. Wohl immer noch das billigste, was er finden konnte. Ist nicht so, dass ich von sowas keine Ahnung habe. Standard in meiner Familie, sich gegenseitig Liebe zu erkaufen. Und man will ja nicht unhöflich sein. Er drückt mir beides in die Hände und mustert mich dann.

„Glaub ja nicht, dass du Unterwäsche oder sowas bekommst“, zischt er dann ziemlich zickig und ich halte seinen grauen Augen stand. Schiefer. Schiefergrau. Er braucht einen Moment, um zu verstehen. Gönnerisch stellt er sich gegen die Tür gelehnt in den Rahmen und grinst mich spöttisch an.

„Ist ja nicht so, dass ich dich schon nackt gesehen haben, Schätzchen, aber selbst in Unterwäsche hast du vergleichsweise viel an zu gestern.“ Seine Worte und die darin liegende Ironie schneiden ein wie eine Ohrfeige und ich drücke die Fingernägel in die Handballen. Genervt stöhnt er auf, als ich mich immer noch nicht rühre, kommt mit starken Schritten zu mir und hockt sich vor mich.

„Trittst du mich, trete ich zurück. Und du weißt, wessen der stärkere gewesen sein wird“, warnt er mich und öffnet meine Hose. Grob zieht er sie herab und ich verfluche mich für das kleine Wimmern, das mir entflieht, als die Flecken zwischen meinen Oberschenkeln etwas abbekommen.

„Selbst Schuld“, grummelt er und hilft mir in die Hose. Unten ist der Stoff etwas lang und der Bund zu weit, aber sonst passt sie ganz gut. Ich protestiere nicht, als er mir das Shirt über den Kopf zieht und das frische es ersetzt. Ohne ein weiteres Wort hebt er mich wieder hoch und trägt mich hinaus. Die Treppe ist breit und wendet sich in Schnörkeln ins Wohnzimmer. Ich sehe sie schon von der ersten Stufe aus. Wie sie immer noch auf dem Sofa sitzen und irgendwas Trinken. Wie sie sich unterhalten und lachen und ich höre wieder die Schreie. Das Gebrülle, das Dröhnen meines Schädels. Sie werden nicht mal leiser, als wir vor ihnen stehen – wir vor allem – und Casper mich auf einen großen Sessel herab lässt. Wenigstens lädt er mich diesmal nicht bei diesen Wichsern ab. Die schenken mir nicht mal einen Blick. Ich habe kurz Raum mich umzusehen. Hinter der Couchlandschaft ist der Ausgang zur Terrasse und abgesehen von ein paar alltäglichen Möbelstücken finde ich nichts Spannendes. Zu meiner linken ist eine offene Küche mit kleiner Insel und Barhockern. Casper wendet uns den Rücken zu und ich höre das Fließen einer Flüssigkeit. Dann dreht er sich um und läuft zu mir. Er gibt mir eine Wasserflasche und die Penner verstummen.

StockholmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt