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Die Haare fielen ihm büschelweise aus. Er musste sich nur kurz durch die Haare fahren, und schon hatte er sie zu hundert zwischen seinen Fingern. Dean stand aus seinem Bett auf, was ihm unglaubliche Kraft kostete. Als er schließlich auf seinen Beinen stand, waren seine Knie so zittrig, dass er sich kaum halten konnte. Sein Körper war so abgemagert, dass er seine herausstehenden Rippen deutlich fühlen konnte. Von seinem zuvor sehr athletischen, sportlichem Körper war nun nicht mal mehr etwas zu ahnen gewesen. Schleppend und immer wieder eine Pause machend, ging Dean Richtung Badezimmer, bis ihm plötzlich schwindelig wurde und sich vor seinen Augen alles drehte. Er stützte sich an der Lehne eines Stuhls ab und massierte sich mit der anderen Hand seine Schläfen, bis ihm schließlich Schwarz vor Augen wurde und er umkippte.


Schweißgebadet schreckte Dean aus seinem Bett auf. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Kontrollierend fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und warf anschließend einen prüfenden Blick darauf. Nichts. Es war nur ein Traum gewesen. Er seufzte erleichtert, nur um sich im nächsten Moment daran zu erinnern, dass all das tatsächlich bald zur Realität werden würde. Benommen rieb er sich die Augen und zog sich ein Shirt über seinen nackten Oberkörper. Er ging in die Küche, nahm sich ein Whiskeyglas und schenkte sich Scotch ein. Er leerte es in einem einzigen Zug und schenkte sich sofort nach. Sein Glas in der Hand haltend sah er sich im gesamten Raum um. Es war seltsam, dass ausgerechnet der extrem sterile und ein wenig altmodisch-spärlich eingerichtete Bunker Dean endlich dieses Gefühl von Zuhause gab. Mittlerweile hatten Sam und er sogar ein paar Bilder an die Wand gehängt, um es ein wenig wohnlicher zu machen.
„Dean?", hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich sagen, „ich habe Licht gesehen... warum bist du noch auf? Und....", Sam machte eine kurze Pause und zeigte mit dem Finger auf die Whiskeyflasche, „warum trinkst du Whisky? Es ist 3 Uhr früh."
Dean lachte. „Ich war durstig, Sammy."


Argwöhnisch zog Sam eine Augenbraue hoch. Er kannte seinen Bruder und glaubte ihm ganz offensichtlich nicht. Sam setzte sich an den Tisch und bedeutete Dean mit einer Handbewegung, sich zu ihm zu setzen. Statt es seinem älteren Bruder gleichzutun, nahm er einen Schluck aus dem Wasserglas, das vor ihm stand.
„Das war wirklich seltsam, das mit Cas' Gnade, meine ich. Plötzlich ist sie einfach so in deinem Zimmer... ich meine, warum sollte Metatron sie ausgerechnet dort verstecken? Nicht gerade das beste Versteck der Welt."
Dean zuckte mit den Schultern und tat so, als wüsste er von nichts – so wie er es zuvor schon bei Cas versucht hatte. Er schob den Stuhl ein Stück nach hinten und setzte sich anschließend darauf.
„Keine Ahnung, Mann. Vielleicht ist Metatron ja doch nicht so schlau, wie Gott dachte", wie so oft lachte Dean über seine eigene Aussage.
Sam schürzte die Lippen. Er wusste, dass Dean nicht die Wahrheit sagte.
„Wir haben doch darüber geredet, uns in Zukunft immer die Wahrheit zu sagen, weißt du noch? Metatron würde so etwas wichtiges niemals an so einem Ort verstecken, Dean. Niemals."
Lautstark stellte Dean sein Glas auf den Tisch, um zu verdeutlichen, dass er wütend war.
„Verdammt nochmal, Sam", schnauzte er ihn an, „ich bin kein Kleinkind, verstanden? Ich hab gemacht, was ich für richtig hielt. Und ich würde es immer wieder tun."
Sam hatte ihm aufmerksam zugehört. „Was hast du gemacht, Dean?", er sah ihn mit seinem traurigen Hundeblick an.
Er erwiderte nichts. Stattdessen richteten sich seine Augen schuldbewusst auf den Boden. Dean wollte dieses Gespräch jetzt nicht führen.


Er wusste, was er Sam angetan hatte und er wusste, dass Sam es nicht verstand. Er hingegen konnte nachvollziehen, wie beschissen Sam es finden musste, er hätte den Rest seines Lebens nichts anderes getan, als nach Rowena zu suchen, um die Krankheit wieder rückgängig zu machen, wäre es andersherum gewesen. Mit diesem Gedanken hatte er sich allerdings nicht auseinandersetzen können, als Dean den Deal gemacht hatte. Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, alles, was er wollte, war Cas' Leben zu retten. Und das hatte er geschafft. Natürlich wusste Sam nicht, dass der Engel mittlerweile so viel für Dean bedeutete, dass er sogar sein Leben für ihn gab, doch woher sollte er es auch wissen – Dean sprach nicht darüber. Er hatte es auch noch nie, mit niemandem.
Das Gespräch wurde abrupt vom Klingeln eines Handys unterbrochen. Dean nahm sein Handy aus der Tasche seines Shirts und konnte am Display sehen, dass es Cas war, der anrief. Er runzelte die Stirn. Was wollte er um diese Uhrzeit?
„Cas? Alles klar? Was... wieso... klar. Sam und ich sind hier. Okay. Bis dann", er legte auf und sah in das fragende Gesicht von Sam.
„Cas kommt gleich her, er meinte, er hat Neuigkeiten. Gestern hat uns so ein Typ.... Na ja, nicht verfolgt, aber er war halt da", die Fragezeichen aus Sam's Gesicht verschwanden mit dieser Schilderung nicht besonders, „Cas meinte, der Typ war Henoch, oder so ähnlich..."
Nun erhellte sich die Miene von Sam. „Henoch, etwa der Sohn von Set?"

How can I ever get over you?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt