Kapitel 4

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Als ich am nächsten Tag die Augen aufschlug schien die Sonne durch das Fenster und ich wusste für den ersten Augenblick nicht wo ich war. Doch dann fiel es mir ein. Meine Großmutter, die Adoption, das schöne alte Haus... mit dem verbotenen Zimmer. Aber nein ich würde mir jetzt nicht wieder den Kopf darüber zerbrechen. Stattdessen überlegte ich wie ich meiner Oma eine Freude machen konnte. Praktisch als Dankeschön, dass sie mich aus diesem Heim befreit hatte. Ich schlug die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Dann hastete ich nach unten in die Küche, nur um festzustellen das meine Großmutter bereits am Herd stand und Schinkenstreifen briet. Was solls. Ich konnte sowieso nicht kochen. Also fragte ich sie ob ich ihr ein wenig helfen konnte. "Guten Morgen Kayla, das ist wirklich lieb von dir. Du kannst schon mal den Tisch decken wenn du möchtest. Die Teller sind im Schrank", meinte sie und deutete mit dem Ellenbogen nach oben. Ich nickte und streckte mich um das Schränkchen zu erreichen.

Wärend wir aßen hatte meine Großmutter erzählt, dass sie mit Vornamen Gladis hieß und ich sie so nennen durfte. Für mich war das in Ordnung; ich hatte mir schon gedacht dass sie nicht Oma genannt werden wollte. Nachdem ich ihr beim Abspülen geholfen hatte ging ich hinaus in den Garten. Die Wolkendecke von gestern war verschwunden und eine angenehm warme Frühlingssonne schien auf das taufeuchte Gras. Ich streifte meine Schuhe ab und vergrub die nackten Zehen darin. Ich liebte es draußen zu sein, vor allem wenn es Frühling war. Das Wetter war weder zu heiß, noch zu kalt und außerdem begann es wieder überall zu blühen. Ich seufzte und ließ mich zurück fallen. Um die Grasflecken konnte ich mich später kümmern. Eine kühle Prise wehte über mich hinweg und ich atmete tief ein. Mit einem Ruck setzte ich mich auf; Es war schon wieder der Geruch nach Sandelholz und dieser anderen Note. Ich schaute mich um aber konnte nichts ungewöhnliches entdecken. Auch zwischen den Bäumen konnte ich Nichts erkennen. In diesem Moment knarzte ein großer Eichenast in meiner Nähe. Er wippte ziemlich heftig, als würde jemand darauf herumklettern. Ich stand auf und kniff die Augen zusammen, doch besser sehen konnte ich dadurch trotzdem nicht. Mit einem Mal war der Baum wieder still und kein Blättchen regte sich. Ohne zu überlegen ging ich hastig zurück zum Haus. Ich hatte die seltsamen Vorfälle gestern nur für dumme Einbildungen gehalten. Besonders die Melodie und das plötzliche Auftauchen des Handtuches, denn ich hätte Gladis hören sollen. Doch nach diesem Vorfall gerade eben war ich mir ziemlich sicher, dass in dem Haus und auf diesem Grundstück irgendetwas vor sich ging.

Mit einem lauten Knall schloss ich die Haustür hinter mir und ging nach oben in mein Zimmer. Zwei Türen weiter war ein leises Klavierspiel zu hören und ich beschloss meine Großmutter nicht dabei zu stören. Ich sperrte hinter mir ab und setzte mich auf mein Bett. Mit einem Mal kam mir das alte Anwesen nicht mehr ganz so gemütlich vor. Ich schüttelte den Kopf und ging zu meinem Fenster um es zu öffnen, doch dann fiel mein Blick auf die Eiche davor und ich ließ es lieber sein. Doch was sollte ich jetzt mit meiner Zeit anfangen? Mein Blick wanderte zu der Staffelei hinüber und ich begann zu lächeln als ich die Farbpalette auf dem Fensterbrett liegen sah. Die beiden Dinge schienen mich geradezu anlocken zu wollen. Warum eigentlich nicht? Ich griff nach dem Pinsel, tauchte ihn in ein dunkles Grün und ließ ihn wahllos über die Leinwand gleiten. Als ich den Strich sah und das Holz des Pinsels zwischen meinen Fingern spürte, fühlte ich mich sofort um ein ganzes Stück wohler. Ich liebte es meine persönlichen Kunstwerke zu erschaffen, auch wenn die meisten von ihnen Blumen waren. Es war einfach mein Hobby und das konnte ich hier in vollen Zügen ausleben. Nicht so wie im Waisenhaus wo mir nur Bleistift und Block zu Verfügung gestanden hatten. Wärend ich zeichnet wurde das Klavierspielen immer lauter und ich begann zusammen mit dem Lied im Takt zu malen.

Eine Weile später, ich hatte gerade meinen letzten Strich gesetzt, saß ich auf dem Bett und begutachtete die saftige grüne Wiese im Vordergrund und sie seltsame weiße Eiche im Hintergrund. Von drüben wehten noch immer die Noten des Klaviers zu mir ins Zimmer und ich fing an mich zu wundern wie viele Lieder diese Lady kannte. Ich runzelte die Stirn und überlegte ob ich vielleicht einmal hinüber gehen sollte, allerdings wollte ich bei Gladis nicht in Ungnade fallen also entschied ich mich dagegen. Stattdessen griff ich nach meinen Schulbüchern und beschloss ein wenig für morgen zu lernen. Vielleicht war ja ein Überraschungstest angesagt und ich mochte es lieber wenn ich vorbereitet war. Nach einer halben Stunde gab ich es auf, weil ich mich nicht konzentrieren konnte. Ich hatte die Seiten schon mindestens fünfmal duchgelesen, aber nichts wollte mir in den Kopf. Wieso brauchte man auch Dinge wie Physik oder Chemie, wenn man es später  im Leben sowieso nie nutzen würde? Ich gab auf und legte das Buch zurück zu meinen Schulsachen. Dann warf ich mich auf meine weiche Matratze und schloss die Augen wärend ich den Klängen des Klaviers lauschte. Es waren wirklich wundervolle Lieder. Einige von ihnen klangen traurig und ernst, andere schnell und rhythmisch. Gladis war wirklich ein wahres Naturtalent. Das Spielen verstummte kurz, warscheinlich blätterte sie die Seiten um. Doch plötzlich war da wieder dieses beklemmende Gefühl, als würde jemand unmittelbar neben mir stehen. Ein eisiger Schauer kroch mir über den Rücken und ich fühlte einen kleinen Anflug von Panik. Doch dann ertönte wieder das Tastenspiel auf dem Nebenzimmer und das warnende Kribbeln in meinem Nacken verschwand. Ich stieß hörbar die Luft aus und versuchte mich wieder zu entspannen. Aber das sagte sich so leicht. Schließlich stand ich auf und beschloss nach unten zu gehen. Vielleicht konnte ich ein paar der Bücher lesen, die Gladis mir gestern gezeigt hatte. Ich schloss die Zimmertür auf und trat auf den Flur hinaus. Die sanften Töne begleiten mich meinen ganzen Weg nach unten in den Flur. Ich ging in die Küche und von dort aus in das altmodische aber gemütlich wirkende Wohnzimmer. Mein Herz schien auszusetzen nur um danach doppelt so schnell weiter zu schlagen. Ich spürte wie sämtliche Farbe aus meinem Gesicht wich und meine Hände zu zittern begannen. In dem großen Ohrensessel gegenüber des Kamins saß meine Großmutter und laß.

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