Kapitel 7

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Ein hoher Ton quietschte in meinen Ohren als ich langsam wieder zu mir kam. Ich öffnete die Augen und musste zwei Mal blinzeln um klar sehen zu können. "Sie wacht auf", tönte eine Stimme irgendwo neben mir. "Was hast du dir bloß dabei gedacht?", es war meine Großmutter und sie klang wütend. "Tut mir ja leid! Ich wusste nicht dass sie so leicht ohnmächtig wird", murmelte eine andere Stimme und ein sonderbares Bild erschien vor meinen Augen: Ein blasser Junge mit blauen Augen der sich über mein Gesicht beugte. Ich richtete mich ruckartig auf und hatte das Gefühl als würde mich jemand Kopfüber in kaltes Eiswasser tauchen: "Hoppla". Aber es verschwand sofort wieder und ich schaute mich hektisch um. Ich befand mich immernoch in dem seltsamen Turmzimmer, nur waren die zerrissenen Vorhänge vor dem Fenster zurück gezogen und das Tageslicht schien durch die schmutzigen Scheiben. Ich legte die Hand auf meinen Kopf und befühlte die Stelle über meinem Ohr. Die Beule konnte ich deutlich fühlen und biss die Zähne zusammen. Neben mir saß meine Großmutter und hielt mir einen Becher mit dampfender Flüssigkeit unter die Nase. Doch ich beachtete sie garnicht; mit vor Schreck geweiteten Augen starrte ich den Jungen an der hinter ihr stand und sich neugierig über ihre Schulter beugte. "Liebes das ist ein Kräutertee. Trink, er beruhigt die Nerven", sagte Gladis und hielt das Getränk höher. Ich war immer noch nicht im Stande auch nur einen Muskel zu bewegen. Die seltsame Erscheinung beugte sich noch weiter nach vorne, so nah dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Eine leichte Kälte ging von ihm aus und ich blinzelte heftig. "Ist dir schlecht?", fragte er. Ich glotzte immer noch weiter. "Siehst du doppelt?", ich konnte nicht antworten. "Oh Gott, hast du Gedächtnisschwund?!", rief der Junge panisch und endlich konnte ich meinen Kopf schütteln. "Dem Himmel sei dank", seufzte er und ich griff hektisch nach dem warmen Becher. Der Tee war ein wenig bitter, aber die Wärme beruhigte mich tatsächlich ein wenig und ich konnte mich ein kleines bisschen entspannen. "Du bist mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen, aber es ist zum Glück nichts schlimmes passiert", erklärte meine Oma und ich versuchte mich auf ihre Augen zu konzentrieren und nicht auf den Jungen. Das war allerdings nicht so einfach, denn er strahlte über das Gesicht wie ein Honigkuchenpferd, wärend er mich unentwegt ansah. Ich merkte erst das der Nerventee alle war, als Gladis mir den leeren Becher wegnahm. "Ich geh nach unten und hole noch mehr", sagte sie, stand auf und ging doch tatsächlich aus dem Raum. Warum zur Hölle ließ sie mich mit diesem ... was auch immer alleine?! Weil er oder es mich noch immer nicht aus den Augen ließ, begann ich mit meinen Fingern zu spielen. Das tat ich immer wenn ich nervös war. "Mein Name ist Nicolas, falls du es vergessen haben solltest. Und du bist Kayla, die alte verkniffene Lady ist deine Oma und deine Eltern...", ich unterbrach seinen Redefluss in dieser seltsamen verstellten Stimme, als würde er mit einer Zurückgebliebenen reden, indem ich ihm versuchte zu zeigen, dass ich mein Gedächtnis nicht verloren hatte. Seine Mundwinkel fielen geradezu hinunter wärend er zusehend panisch meinen Fingerbewegungen zu folgen versuchte. "Stopp, stopp, stopp .... stopp!", rief er und streckte abwehrend beide Hände von sich. "Ich versteh absolut kein Wort von dem was du mir ... äh ... zeigst", fügte er hinzu und ich hielt inne. "Warte hier müsste irgendwo ein ... ", der Junge huschte durch den Raum, schob Tücher und Stühle beiseite, warf mehrere Bücher aus ihren Regalen und hob sogar einen Tisch mit einer Hand hoch. "Aha!", rief er und kam wieder auf mich zu. Hinter ihm schwebten ein Notizblock und ein Stift her. "Schreib einfach auf was du sagen willst", lächelte Nicolas und die beiden Schreibsachen schwebten langsam auf meinen Schoß. Zögerlich griff ich nach dem Kuli und dem Block, dann schrieb ich ein kurzes: Mir geht's gut. Er atmete erleichtert auf und klatschte in die Hände. "Super, so fällt uns das Unterhalten doch schon viel einfacher", lachte er und ich schaute ihn wieder nur verwundert an. 'Wer bist du?', schrieb ich und der Junge zog verwundert eine Augenbraue nach oben. "Das hab ich dir doch vorhin gesagt. Bist du sicher das mit deinem Kopf alles in Ordnung ist?", fragte er und ich verdrehte die Augen. Ich wollte nicht seinen Namen wissen, nur wer 'genau' er war. Das teilte ich ihm mit. Mit einem Mal schien Nicolas darüber nachdenken zu müssen, denn er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die unteren Zähne. Das machte ich auch immer wenn ich überlegen musste, offensichtlich war ich da nicht die einzige. "Nah schön, also .... Ich heiße Nicolas, bin ein Geist, wohne bei Lady Gladis Harrison in einem modrigen alten Zimmer und vor vier Wochen bin ich ein weiteres Mal achtzehn geworden. Du brauchst mir nicht zu gratulieren", erklärte mein Gegenüber und ich brauchte ein Weilchen bis ich die Informationen verarbeitet hatte. "Du fällst jetzt aber nicht schon wieder in Ohnmacht, oder?", fragte der Geist und ich schüttelte energisch den Kopf. "Gut, das ist sehr gut", grinste er und ich nickte. Was anderes fiel mir nicht ein. In dem Moment kam Gladis wieder ins Zimmer, ein Tablett voller Kekse, zwei Tassen und einer Kanne Tee in den Händen. Sie stellte Alles auf ein kleines Tischen das in der Nähe das Kamins an der Wand stand und putzte mit ihrer Hand notdürftig den Staub von einem der Stühle. Ich stand auf und nahm ihr gegenüber Platz. Nicolas schwebte zu uns hinüber und machte es sich auf einem der Holzbalken gemütlich die aus der Wand ragten. "Nicolas! Am Tisch wird still gesessen!", tadelte meine Oma den Geist und ich konnte ein kleines Grinsen nicht verhindern als der Angesprochene einen Schmollmund zog und in Richtung des Bodens sank. Ein Stuhl rückte von selbst dazu und Nicolas setzte sich im Schneidersitz ... darüber. "Zufrieden?", grummelte er und meine Großmutter kniff die Lippen zusammen. "Das bin ich", sagte sie und goss sich eine Tasse Kräutertee ein. Ich griff vorsichtig nach einem Keks und biss hinein. Er war mit Schokolade gefüllt und ich leckte mir genüsslich ein wenig davon aus dem Mundwinkel. Plötzlich hörte ich ein seltsames Gurgeln und Knurren, wie leises Donnergrollen in der Ferne. Verwundert schaute ich nach rechtes und sah wie Nicolas die Naschereien mit seinem Blick geradezu zu hypnotisieren schien. "Das ist so ungerecht", maulte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Der Geruch wird jetzt die nächsten zwei Wochen wieder in diesem Raum festkleben und ich kann nicht mal an den Keksen lecken". Ich wurde neugierig. 'Kannst du denn keine menschliche Nahrung zu dir nehmen?', schrieb ich auf meinen Block und der Geist schüttelte den Kopf. "Das kann keiner von uns. Ich muss mir mein Essen wo anders holen", erklärte er offensichtlich darüber begeistert, dass ich mich für sein Leben oder Dasein interessierte. 'Und wo?', fragte ich und Nicolas antwortete wie aus der Pistole geschossen: "In der Civitas Sancti". Als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, räusperte er sich und erklärte feierlich: "In der Geisterstadt".

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 02, 2019 ⏰

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