Gute Nacht.

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Leichten Schrittes ging Jako die letzten Treppenstufen hoch, betrat die Ebene, bog nach links zur großen dunkelgrünen Haustür, steckte den Schlüssel ins Schloss, die anderen Schlüssel und Anhänger klickerten geräuschvoll gegen das alte Holz, er drehte den Hausschlüssel nach links, es klickte, schließlich drückte der vor einiger Zeit erblondete Musiker die Klinke nach unten, lehnte sich nun leise keuchend dagegen und betrat den leicht ausgeleuchteten Flur.

Es war nach Mitternacht, und er hatte sich mit Niklas, dessen Schwester Elena und Sina, die ein paar Tage zu Besuch in Berlin war, einen schönen Abend verbracht, sie waren Billard spielen und dann in den Straßen der Großstadt spazieren, vom Leben erzählend und die klare Nachtluft genießend. Und jetzt ließ er das Erlebnis lächelnd Revue passieren, hängte im Gedanken versunken die Jacke an die Garderobe, zog die Stiefel aus, streckte sich leicht, ehe er kurz im Bad verschwand, um noch eben die Zähne zu putzen.

Wie gewohnt ging er in Richtung seines Zimmers, als er aus dem Blickwinkel sah, dass im Zimmer seiner Mitbewohnerin noch Licht brannte. Jenny. Irgendwann hatte er mit ihr hin und hergeschrieben, und von anderen erzählt bekommen, dass es ihr zuhause schlecht ging, es keine Unterstützung gab, und erst Recht keinen Sinn in ihrer künstlerischen Begabung gesehen wurde und sie
ausziehen wollte, und über einige Wochen verteilt hatte es sich dann ergeben, dass sie schließlich schrittweise bei ihm mit in der WG eingezogen war. Sehr zurückhaltend und lieb war sie, aber Jako hatte sie dann zur Seite genommen und gesagt, dass sie ruhig sie selbst sein darf, mit einem Zwinkern natürlich, und von da an traute sie sich nach und nach mehr zu, und jeden Tag spürte er unterschwellig ihre Dankbarkeit,
sie kam mehr aus sich heraus, verließ öfters ihr Zimmer und manchmal fragte sie ihn bei ihren Zeichnungen sogar um Rat.

Im Großen und Ganzen konnte Jako sagen, dass er sie schon ins Herz geschlossen hatte, als sie das erste Mal damals in Hamburg nach dem Konzert aufeinandertrafen,
und unbewusst wurde sein Beschützerinstinkt erweckt, wenn sie in der Nähe war. Irgendwann, dachte er, würde sie wie eine etwas jüngere Schwester für mich sein, und ich kann ihr mithelfen, ihren Weg zu finden. Langsam trat er an die halb offene Tür an, das Deckenlicht brannte noch, und wie immer herrschte das übliche Chaos wie bei ihm ebenso im Zimmer.

Vorsichtig schritt er durch den Raum an das Bett, sah lächelnd, dass seine Mitbewohnerin tief schlafen musste, denn ihre Stirn war ernst gekräuselt, der Mund stand leicht offen, und der rechte Arm war hinter das Kissen gelegt, während der linke Arm locker Schwein, ihr Plüschtier, an die Brust gedrückt hatte. Der rechte Fuß war an das Nachtlicht gelehnt, welches auf dem Bett stand, und knapp daneben lagen noch verstreut das Stiftemäppchen und auf der zusammengerollten Decke lag der Zeichenblock. Leise gähnend und ganz leicht quietschend rollte die junge Frau nach links, streckte die Beine zitternd durch und schlief weiter, die Schultern angezogen.

Jakob unterdrückte ein 'Aaaaw', beugte sich vorsichtig über die Schienbeine der Dunkelhaarigen, um die Stifte vom Bett zu räumen, nahm schließlich den Malblock und legte beides sorgfältig neben das Bett.
Einen Moment lauschte er ihrem gleichmäßigem Atmen, ehe er nach dem Saum der Decke griff, die andere Hand da zu nahm und die Kleinere zudeckte. Eine innere Wärme strömte aus seinem Herzen, und aus einem Impuls heraus setzte Jako sich nah an das Bett, streckte sich leicht durch und strich vorsichtig über den Schopf,  schaute nachdenklich auf die Künstlerin, nahm die Hand weg und verharrte ein wenig auf der Schulter der Jüngeren, flüsterte ganz leise eine 'Gute Nacht', stand schließlich langsam auf, löschte das Licht und fühlte, als hätte er das Richtige getan.

Ich weiß ja nicht.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt