Kapitel 8

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Ich wache auf, als die Sonnenstrahlen, die durch das hohe Gebüsch in die Höhle eindringen, auf meinem Gesicht tanzen. Langsam strecke ich mich und sehe zu Kim's Schlafplatz, auf welchem nur dummerweise jede Spur von Kim fehlt. Schnell rappele ich mich auf und laufe zum Ausgang der Höhle. Ich schiebe mich durch das Gebüsch und platziere eine Hand über meinen Augen, da die Sonne mich schrecklich blendet. "Kim?", rufe ich leise, laufe einige Schritte und runzele meine Stirn. Als mir niemand antwortet, lasse ich mich an dem Felsen vor der Höhle auf den Boden rutschen und blicke gedankenverloren in die Ferne.
Irgendetwas war los und ich würde alles tun, um das Geheimnis dieser Menschen herauszufinden. "Guten Morgen", Ava lässt sich neben mir nieder, "Ich hoffe, du hast angenehm geschlafen?"
Ich nicke knapp, "Ja, und du?"
"Ich auch...", sie lehnt den Kopf vorsichtig an die harte Felsenwand hinter sich.
Sie scheint nach den richtigen Worten zu suchen, es sieht aus, als wolle sie mich etwas fragen.
"Sag, Lucie, weshalb willst du zu uns gehören?-", sie sieht mich fragend an, "Und jetzt sag nicht, dass du uns bewunderst. Ich habe in jedem deiner Blicke die Verachtung stechen sehen."
"Ich will zu euch gehören, weil...", ich denke nach, "Einfach so. Verstehst du?" Ich kann ihr unmöglich die Wahrheit erzählen. Ich traue ihr nicht, ich traue niemandem hier vollkommen. Vielleicht Kim, ja, das wäre möglich.
Plötzlich höre ich ein Rascheln und Dean stürzt hinter den Bäumen hervor, auf uns zu. Die Tränen laufen unbändig über sein geschocktes Gesicht. Ava keucht auf, springt zu ihm und zieht ihn in ihre Arme, "Hey, Dean, shht."
Dean's Schultern beben, er drückt sein Gesicht in ihre Schulter.
William scheint etwas mitgekriegt zu haben, woher auch immer, jedenfalls stürzt er aus der Höhle.
"Dean, was ist los?", er läuft zu ihm und zieht ihn von Ava fort. Als Dean sich löst, sehe ich einen Blutfleck an der Stelle seines Herzens. Ein greller Schrei entfährt mir.
"Du blutest!", rufe ich besorgt aus und laufe nun ebenfalls hin. Ich beachte die Tatsache einfach nicht, dass ich Dean in keinster Hinsicht kenne. Ich weiß bloß, dass er gerne mit Ava rummacht.
"Kim...", beginnt Dean und sofort ist mir klar, was geschehen ist. Ich realisiere es bloß nicht. Ich weiß es, aber statt der Angst, die man sich denken sollte, fühle ich nur Leere. Beißende, schmerzende Leere.
"Was ist passiert?", wimmere ich leise, beinahe lautlos.
"Sie ist tot", der Blutfleck auf Dean's hellem T-Shirt breitet sich aus, Ava stützt ihn und verkneift sich scheinbar einige Tränen. Ich drehe mich um und renne fort, damit man nicht sieht, wie mir die Tränen unaufhaltsam über das Gesicht rennen. Ich höre, wie William meinen Namen ruft, höre Schritte, aber ich beginne einfach, zu sprinten. Ich sprinte den Wald entlang, bis ich bei einer kleinen Lichtung angelange.
Ich lasse mich auf den Boden fallen und weine bittere Tränen.
Mein Herz schlägt in meinem Bauch und die Erinnerungen kommen zurück, jede Einzelne.
Als sie das erste Mal den Klassenraum betrat, als sie das erste Mal mit mir sprach.
Als wir uns das erste Mal trafen, das erste Mal umarmten, das erste Mal miteinander lachten.
All das schlägt in meinem Kopf aufeinander wie eine Welle.
Was ist passiert?
Diese Frage pulsiert in meinem Unterbewusstsein seit ich es erfahren habe.
Jetzt drängt sie sich nach vorne, geradewegs in mein Bewusstsein.

"Lucie", ich werde von einer sanften Stimme aus den Gedanken gerissen.
Vor mir steht William, in seiner wahrhaftigen Schönheit, und nichtsdestotrotz schmerzt mein Herz unfassbar. Als ich zu William aufsehe, sehe ich, dass auch er einen Blutfleck an seinem Herzen hat. Es breitet sich zwar langsam aus, aber ich sehe genau, wo es herkommt.
Ich schreie kurz leise auf, bevor ich aufspringe und ihm befehle, sein Shirt auszuziehen.
Er sieht mich eine Weile an, als wolle er verneinen, aber ich werfe ihm einen warnenden Blick zu.
Ich würde ihn alle machen, wenn er das jetzt nicht tun würde.
Er nickt seufzend, streicht sich das Shirt vom Leib und ich blicke geschockt auf eine kleine Wunde.
Es sieht aus, als hätte ihn jemand mit einer Nagel gepiekst, aber das Blut fließt in Unmengen aus seiner Brust.
Mir wird schwindelig und William stützt mich vorsichtig, "Hey, Lucie..."
Ich schüttele den Kopf, "Das ist unmöglich. Du müsstest geschwächt sein..? Du verlierst so viel Blut, durch so eine kleine Wunde?", es ist alles mehr eine Frage, als ein Satz.
Was ist los? Sind übernatürliche Kräfte im Spiel?
Schnell ziehe ich mir meine Jeansjacke von den Schultern und sehe ihn an.
"Darf ich?"
Er scheint keine Ahnung zu haben, was ich vorhabe, dennoch nickt er.
Ich presse die Jeansjacke auf seine Wunde, doch er schüttelt den Kopf, "Lucie.."
Ich presse sie weiter drauf und meine Augen werden erneut von Tränen vernetzt.
"Lucie!"
Als mir die Tränen nur so über die Wangen rollen, sehe ich zu ihm auf. Er legt eine Hand auf meine, die die Jacke noch immer fest auf die Wunde drückt.
Sanft sieht er mich an und legt die zweite Hand auf meine Wange, "Es wird nicht aufhören zu bluten, bis ich es will."
Ich runzele verwirrt die Stirn, "Jap, bei mir ist das auch so. Ich kann meine Wunden kontrollieren?!"
Ich lache kurz wegen meines eigenen Witzes auf, weine jedoch weiterhin, deshalb klingt es eher wie ein Schniefen.
"Nein, ich kann sie wirklich kontrollieren. Normalerweise verheilen sie, wenn ich meine Hand drauflege, aber das ist keine normale Wunde. Es ist Herzblut. Wenn jemandem etwas geschieht, der dir wichtig ist, dann fängst du an, dort zu bluten", murmelt er leise und nimmt meine Hand von seiner Brust. Er sieht mir in die Augen.
Ich schüttele ungläubig den Kopf, "Unmöglich."
"Nein. Nichts ist unmöglich", er legt den Kopf schief und streicht mit dem Daumen in kreisenden Bewegungen über meine Wange, "Willst du wissen, wie Kim verstarb?"

Die Mit Den Wölfen TanztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt