Kapitel 2 | Erinnerungen

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Die Nacht war dunkel und düster

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Die Nacht war dunkel und düster. Nebel lag über dem verarmten Viertel in New York, wo Dawn mit ihrer Mutter in einem Altbau lebte. Keiner sonst lebte mehr in der alten Wohnung von deren Fassade der Backstein bereits abbröckelte. Sie hatten wenig Geld, konnten die Miete kaum zahlen, obwohl diese durch die abgedrehte Gasleitung ohnehin nicht mehr hoch war, und Dawns Mutter war krank. Ohne den Medikamenten, welche nur sehr schwer zu bekommen waren, würde sie nicht mehr lange überleben. Dawn gab sich alle Mühe ihrer Mutter wo es nur ging zu helfen. Mit ihren jungen 15 Jahren hatte sie schon alles Mögliche probiert um an das nötige Geld zu gelangen. Die dringend gebrauchten Medikamente bekam Dawn von einem Mann, der am Schwarzmarkt tätig war. Für sie gab es keine andere Möglichkeit an die Medikamente heranzukommen, außer durch diesen Mann.
Es war Herbst und der Boden relativ kalt, als Dawn barfuß über den brüchigen Asphalt lief. Kleine, spitze Kieselsteine bohrten sich immer wieder in ihre geschundenen Fußsohlen. Hastig rannte sie durch die verlassenden, verwinkelten Gassen des Viertels, bis sie an dem vereinbarten Treffpunkt ankam. Der Mann wartete bereits auf sie. Sie kannte ihn nicht. Wusste weder seinen Namen, noch wie er aussah, aber er beschaffte ihr dafür das Medikament für ihre Mutter. Dafür war sie ihm sehr dankbar, da sie sonst nicht wusste wohin. In ihrem jungen Alter Arbeit zu finden war schwer, da Kinderarbeit verboten war, doch sie versuchte trotzdem mit kleinen Schwarzarbeiten etwas Geld zusammenzuraffen. Manchmal musste sie sogar klauen um durchzukommen. Denn ohne dem Geld würde sie die Miete der Wohnung nicht mehr zahlen können und sie und ihre Mutter würden obdachlos auf der Straße landen - dies würde wiederum die Gesundheit ihrer Mutter stark gefährden und sie... so weit wollte Dawn gar nicht denken.
"Hast du das Geld?", unterbrach der Mann ihre trostlosen Gedanken. Stumm nickte sie und überreichte ihm das Geld, worauf er ihr eine kleine Packung mit Medikamenten in die Hand drückte. Schnell stopfte sie diese in ihre Jackentasche und zog die dünne Jacke enger um ihrem schmalen Körper. Durch diese harmlose Geste seufzte der Mann vor ihr auf.
"Hier nimm' das Geld wieder. Du hast es weit nötiger als ich. Kauf dir Schuhe darum und etwas Anständiges zum Essen.", meinte er und hielt ihr das Geld wieder hin. Zögernd sah Dawn erst auf seine Hand und dann in sein verdecktes Gesicht.
"Na nimm schon.", drängte er, worauf sie das Geld wieder nahm und leise ein "Danke" murmelte, ehe sie sich umdrehte und den Weg zurücklief.

Dieses Leben war nun schon viele Jahre her. Damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen. Damals... als ihre Mutter noch lebte und als sie noch nichts von ihrem Schicksal wusste, welches sich schlagartig, von einer Nacht auf die andere, gewendet hatte. Ihr Schicksal welches sie anfangs selbst nicht glauben wollte. Ihr Schicksal, die Tochter des Teufels zu sein!
Nur zu gut erinnerte Dawn sich an diese Nacht...

Wie schon so oft, war sie nachts wieder draußen gewesen. Sie hatte nach etwas Essbarem gesucht, da das Geld schon lange nicht mehr für Miete, Nahrung und Medikamente zusammen ausreichte. Der Zustand ihrer Mutter verschlechterte sich Zusehens und Dawn wusste nicht, wie lange es noch so weitergehen konnte. Mit einer mageren Ausbeute betrat sie die alte Wohnung durch die nur noch windschief in den Angeln hängende Tür, und zuckte erschrocken zusammen, als zwei dunkle Gestalten ihr entgegen kamen und nach draußen verschwanden. Rasch lief Dawn die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf und legte das gefundene Essen auf dem dreibeinigen Tisch ab. Eine durchdringende Stille herrschte im Raum. Dawn ging nach hinten ins Schlafzimmer, um nach ihrer Mutter zu sehen, die sie schlafend zurückgelassen hatte, und stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sie sie erblickte. Sofort stürzte Dawn zu der Matratze am Boden, wo ihre Mutter lag. In ihrer Brust klaffte eine große Wunde und ihr Atem ging nur noch stockend.
Dawn blickte sich panisch um, auf der Suche nach irgendeinem Stofffetzen mit dem sie die Blutung stillen könnte, doch sie fand nichts.
Wieder schrie sie auf, rief den Namen ihrer Mutter und griff ihr auf Schultern und Wangen. Tränen über Tränen überströmten ihr Gesicht.
"Mama, nein, du darfst nicht sterben!", schluchzte sie wimmernd und schreiend. Mühsam öffnete ihre Mutter die Augen, sah sie an und murmelte schwach:
"Bleib... stark... für mich. Verwische... unsere... Spuren... sie dürfen... dich... nicht finden..."
Schwach sank sie noch mehr in die Matratze zurück.
"Mama! Nein!", rief Dawn kopfschüttelnd.
"Lass mich nicht allein. Ich brauche dich!"
Doch ihre Mutter lächelte ihr nur schwach zu und murmelte wieder:
"Bleib... stark! Du... schaffst das!"
Danach atmete sie nur noch aus und rührte sich dann nicht mehr.
Sie atmete nicht mehr. Verzweifelt kniete Dawn neben ihrer Mutter und rüttelte an ihrer Schulter, auch wenn sie wusste das es zwecklos war. Sie war tot!
Tränen flossen unaufhörlich über ihre Wangen und ihre Sicht verschwamm. Wer hatte ihr das angetan? Dawn brach in sich zusammen und legte ihren Kopf in die Halsbeuge ihrer Mutter um sie noch einmal zu spüren. Sie weinte unerbittlich und immer mehr Schluchzer erschütterten ihren Körper.

DawnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt