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Kapitel 1: Verlorene Hoffnung, gefangen im Eis

"...ra...!"
Jemand rief sie.
"Shikura!"
Erschrocken fuhr sie aus ihren süßen Träumen der Freiheit hoch.
"Endlich bist du wach!" Tyren half ihr auf die Füße und legte sich seinen Umhang um.
"Tyren, wa..."
"Wir müssen sofort von hier verschwinden!", unterbrach er sie und starrte auf die bewusstlose Kriegerin auf dem Boden. "Wir wurden entdeckt...!"
"Aber sie waren doch in einer riesigen Gruppe! Wieso sollte eine allein uns töten kommen?" Shikura klopfte sich den Staub aus den Gewändern und folgte ihm zu einem Felsspalt in einer finsteren Ecke.
"Sie sollte uns nicht töten, sondern gefangen nehmen.", erklärte ihr Tyren, während er sich in den Spalt quetschte, der erst nach und nach breiter wurde. "Alle Todesritter werden erst gefangen genommen und dann irgendwohin gebracht. Was dann passiert weiß ich nicht und ich habe das ungute Gefühl, dass ich es nicht wissen will."
"Verstehe." Shikura ging seitwärts neben ihm her, da der Platz gerade mal für eine halbe Person reichte. Also von Schulter bis zur Wirbelsäule. "Aber sie sind uns nah...was tun wir, wenn sie uns finden?"
"Wir kämpfen bis zum Tod.", sagte Tyren kalt. "Sie werden uns nicht lebend in die Finger bekommen, das schwöre ich dir!"
Shikura lächelte amüsiert und nickte. "Mh."

Nordends weißes Licht umfing sie.
"Jetzt müssen wir laufen.", warnte sie Tyren wispernd. "Mach dich bereit..."
"Aber haben unsere Verfolger nicht Pferde? Sie werden uns spielend leicht einholen, nicht wahr?" Shikura sah zögerlich um sich. Ihre Hände zitterten.
Bei ihrer überstürzten Flucht hatte sie ihre runenverstärkte Waffe verloren.
Sie konnte jetzt nur noch Blut zum Kochen bringen und tödlich kalte Nebel und Schneestürme beschwören.
Ohne ihre Waffe war sie gar nichts.
"Das ist wohl wahr, aber..." Auch Tyren sah sich um. "Dort hinten sind Bäume. Wenn wir es schaffen, dorthin zu gehen, ohne dass sie uns bemerken, kommen wir hier weg. Es fängt an zu schneien."
"Die Nordlichter tanzen wieder...", hauchte Shikura und zeigte auf ein Loch in der Wolkendecke, wo grünes, blaues und rotes Licht umhertanzte.
"Es sieht schön aus, ja. Aber wir müssen sie ein andernmal ansehen." Tyren nahm ihre Hand.
"Aber wenn es das letzte Mal ist?"
Shikuras Frage ließ ihn zusammenzucken.
"Das wird es nicht.", meinte er dann zuversichtlich, als er sich wieder gefasst hatte. "Ganz bestimmt nicht. Und jetzt los."
Sie rannten los, verließen ihre Deckung.
Der Schnee unter ihren in Todesrunenstoff gekleideten Füßen knirschte.
Shikura sah kurz nach hinten.
Sie sah Pferde in goldener Rüstung und Menschen mit ebenfalls goldener Rüstung und leuchtenden Schwertern.
"Tyren! Sie kommen schon...!"
Tyren knirschte hörbar mit den Zähnen.
Dann machte er eine schwungvolle Bewegung, mit der er Shikura sanft in die Luft warf und im Braut-Style wieder auffing. Dann begann er zu schweben und seine Augen liefen rot an.
Dann spürte Shikura nur noch Wind.
Hatten sie es diesmal geschafft?
Waren sie diesmal entkommen?
Auf einmal stolperte Tyren und fiel der Länge nach hin.
Shikura rollte noch ein paar Meter weiter.
Als sie sich den Schnee aus dem Gesicht gewischt hatte und zu ihm sah, entdeckte sie einen Grizzly.
Tyren schrie schmerzerfüllt, als sich der große Bär in seinem Nacken verbiss und ihn umherschüttelte.
Auf einmal brach sein Schrei ab.
Tyren lag auf dem Boden, sein helles Blut färbte den Schnee rot.
Der Grizzly wandte sich nun Shikura zu.
Sie wich zurück.
Ihre blau leuchtenden Augen suchten verzweifelt einen Ausweg, einen Baum auf den sie klettern konnte, eine Höhle...
Nichts.
Ihr Rücken drückte sich zitternd an einen Baum.
Der Grizzly stand direkt vor ihr.
Hoffnungslos und mit ihrem Tod vor Augen rutschte Shikura an dem Baum hinunter.
Sofort durchnässte der kalte Schnee ihre Kleidung.
Um sie herum war alles kalt.
Sie hätte den Grizzly töten können, doch vom Töten hatte sie genug. Sie wollte...Sie konnte nicht mehr.
Und dann hörte sie Gewieher.