No. 1

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Zusammen mit _anouk_2305 geschrieben❤
Ob ich diese Verantwortung übernehmen kann? Ich balle meine Hände zu Fäusten. Dieser weisse Krankenhausflur und der Geruch von Desinfektionsmittel machen mich verrückt. Ich verbinde mit diesem Ort einfach nichts Gutes. Doch das sollte sich heute ändern. Wenn wir das nächste Mal hier raus kommen, sind wir nicht mehr zu zweit. Wir werden zu dritt sein. Sie, ich und ein kleiner Zwerg. Ein kleiner Zwerg, über den ich die Verantwortung habe. Aber was wenn ich versage? Schliesslich war mein Leben bis vor kurzem noch wie ein grosser Wutanfall. Meine Aggressionsprobleme haben mich schon so manches Mal fast umgebracht. So oft war der Abzug meiner Knarre leicht. Auch logisch, wenn man bedenkt, dass man verlernt zu fühlen, wenn man unter Ratten bleibt. Ich hatte einfach den falschen Freundeskreis. Drogen, Sprayen, Raubüberfälle. Kriminalität halt. Doch zum Glück habe ich es aus diesem Sumpf herausgeschafft. Wer weiss, wo ich sonst heute wäre. Wahrscheinlich hätte ich mir schon längst den Goldenen gegeben. Doch dann kam Papa aus dem Gefängnis. Er war meine Rettung. Er war es, der mir meine Augen geöffnet hat. Und auch er ist der Grund weswegen ich jetzt hier sitze und mir solche Gedanken mache. Ohne ihn wäre ich nämlich nicht mit der Situation klar gekommen als sie mir gesagt hat, dass sie schwanger sei. Wir waren zu dieser Zeit noch nicht sehr lange Zeit zusammen und hatten noch nie über das Thema Kinder gesprochen. Aber mein Papa hat mir die Augen geöffnet und mir klar gemacht wie toll es sei, Vater zu werden. Seine Worte leuchteten mir ein. Nach diesem Gespräch mit meinem Vater, bin ich zu ihr gegangen und habe ihr erklärt, dass ich mich freuen würde und immer hinter ihr stehen würde. Egal was komme. Dessen war ich mir nämlich vor dem Gespräch mit meinem Vater noch nicht sicher. Jetzt im nachhinein ist es die beste Entscheidung meines Lebens. In den Adern dieses kleinen Zwerges würde mein Blut fliessen. Auch wenn es viel Verantwortung bedeuten würde. Aber auch er ist der Grund, dass ich mir Gedanken mache. Gedanken, ob ich ein guter Vater sein kann. So gut, wie mein eigener Vater war. Denn obwohl mein Vater damals die meiste Zeit meiner Kindheit im Gefängnis verbracht hat, ist er der beste Vater den ich mir wünschen kann.

Eine Krankenschwester läuft an mir vorbei. Sofort setze ich mich in meinem unbequemen Krankenhausstuhl auf, in der Hoffnung, dass dieses Warten endlich ein Ende hat. Doch sie schaut mich nur mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen an und geht weiter. Seufzend sinke ich wieder in mir zusammen.

Meine Gedanken schweifen zu dem ersten Frauenarzttermin, bei welchem ich dabei war. Ich erinnere mich noch genau, wie nervös ich war. Wobei die Nervösität vor dem Arzttermin nicht an die Nervosität herankommt, die ich heute verspüre. Als wir dann aufgerufen wurden, lief ich meiner Freundin mit vor Nervosität zitternden Händen hinterher. Der grösste Teil der Untersuchung war für mich langweilig. Dies änderte sich jedoch schnell, als die Frauenärztin das Ultraschallgerät vorbereitete. An diesem Tag sah ich zum ersten Mal den kleinen Zwerg. Es war, als würde mein Herz nur durch einen Punkt auf dem Ultraschall beginnen schneller zu schlagen. An diesem Tag habe ich zum ersten Mal vor Freude geweint. Und es war auch dieser Tag, an dem ich mir zum ersten Mal Gedanken über unsere Zukunft gemacht habe. Über die Zukunft mit dem Zwerg. Wir bräuchten auf jeden Fall eine grössere Wohnung, wenn nicht sogar ein Haus. Für drei Personen. Und Hund. Schliesslich habe ich ja auch noch Tuko. Zum Glück sind zu dieser Zeit Freunde meiner Eltern umgezogen und wir konnten in das Haus einziehen. Ab diesem Zeitpunkt ist sie nicht mehr Arbeiten gegangen. Schwangerschaftsurlaub. Sie hat beschlossen ihren Schwangerschaftsurlaub dafür zu nutzen, das Haus einzurichten. Obwohl ich ihr das eigentlich wegen der Schwangerschaft verboten habe. Doch sie hatte schon immer ihren eigenen Kopf: was sie tun wollte, tat sie. Meine Gedanken schweifen weiter zu dem Zeitpunkt, als ihre Stimmungsschwankungen angefangen haben. Jeden Tag wechselte es ab zwischen «Schatz, ich liebe dich so sehr!», «Du verstehst mich sowieso nicht.» und «Wieso tust du mir das an?!». Echt eine anstrengende Zeit. Als dann noch ihre Heißhungerattacken angefangen haben, war es bei mir fast vorbei mit meiner Geduld. Jeden Tag musste ich einkaufen gehen und jeden Tag aufs Neue hat mich irgendeine Kassiererin entweder wissend angelächelt oder komisch angeschaut. Ist auch verständlich, wenn Man(n) drei Gläser Gewürzgurken, Nutella, Senf, Erdnüsse, Lebkuchen (im SOMMER!) und kiloweise Orangen einkauft.

Schreie reißen mich aus meinen Gedanken. Schreie meiner Freundin. Doch Sorgen mache ich mir mittlerweile kaum noch. Auch wenn es anfangs ungewohnt war, meine Freundin aus dem Kreissaal schreien zu hören, habe ich mich daran gewöhnt. Schliesslich geht das schon mindestens drei Stunden so. Zwischendurch ist Stille, dann beginnt sie wieder zu schreien.

Vorher war sie in einem der Krankenzimmer. Dort war ich noch bei ihr. Als es dann in den Kreissaal ging habe ich mich geweigert. Und deswegen sitze ich jetzt seit einer gefühlten Ewigkeit hier im Flur des Krankenhauses. Ein Krankenbett wird an mir vorbeigeschoben. Ich weiss nicht, wie viele Betten schon an mir vorbeigeschoben wurden. Beim siebzehnten habe ich aufgehört zu zählen.

Meinungen und Kritik sind erwünscht!

Kontra K - Sohn (Songfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt