Nach dem Fall

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,,Du hättest mir sagen können, dass es die alte Dame gewesen ist, die immer ihren Fünf-Uhr-Tee in der Lobby getrunken hat, weißt du?" murmelte John in Sherlocks Richtung. ,,Dann hätte ich nämlich nicht vor allen Umstehenden deinen Liebhaber spielen müssen."

Er starrte fast schon nachdenklich in die untergehende Sonne und auch wenn ihm die Situation entsetzlich kitschig und seltsam zugleich vorkam, konnte er doch nicht anders, als eine gewisse Zufriedenheit darüber zu verspüren, dass Sherlock den Fall endlich gelöst hatte. Nach mehreren Stunden des Pläne schmiedens und im Hotel herum irren, hatten sie sich ihren Platz am Strand Johns Meinung nach zumindest mehr als verdient.

,,War es so schlimm, John?" Jetzt klang Sherlock doch ein wenig besorgt. Beinahe, als hätte er alles, was bisher passiert war, lediglich als unbedeutenden Fakt wahrgenommen, ohne sich den Folgen überhaupt bewusst zu sein.

Er hatte die Beine übereinandergeschlagen, hockte dennoch kerzengerade neben John, dem er einen Seitenblick zuwarf, den der Doktor jedoch nicht deuten konnte.

,,Du meinst hoffentlich den Kuss, oder?"

Er erinnerte sich daran, wie Sherlock ihn an sich gezogen hatte, wie er sich zu ihm heruntergebeugt hatte und John sich fast schon offensichtlich auf die Zehenspitzen gestellt hatte. Fast so, als hätte er es kaum erwarten können, dass es endlich passierte.

Seine Hände hatten irgendwann damit angefangen durch die dunklen Locken des Detektivs zu fahren, ihn zu sich hinunter zu ziehen, während Sherlocks Lippen auf seine getroffen waren. Alles was danach folgte, war sozusagen Geschichte.

,,Offenkundig."

John wandte sich Sherlock zu, als wollte er mehr als nur diese eine präzise Antwort des Detektivs hören. Es kam keine.

,,Also wie war es?" hakte er schließlich selbst nach, während er sich innerlich dafür verfluchte. Er war verdammt nochmal nicht schwul und dennoch war er sich nicht wirklich sicher, was er von Sherlocks Kuss halten sollte. Denn dafür, dass der Detektiv angeblich asexuell war, war er erstaunlich gut im Küssen.

,,Du meinst wie es war dich zu küssen?" Ihre Blicke trafen sich.

,,Jep." Der Doktor biss sich auf die Lippe, hoffend nicht ganz so verlegen auszusehen, wie er vermutete. Sherlock durfte auf keinen Fall wissen, was zur Hölle gerade in seinen Gedanken vorging und obgleich der Consulting Detective nicht in der Lage war sie zu lesen, so reichte bei ihm auch eine Deduktion zu viel aus, um den Doktor endgültig aus der Fassung zu bringen.

,,Es war..." begann Sherlock beinahe zögernd. ,,Es war notwendig."

,,Notwendig?" John hob fragend die Augenbrauen.

,,Notwendig." wiederholte Sherlock. ,,Wenn du schon wissen willst, wie es war dich zu küssen, warum beschwerst du dich dann darüber, dass es ein Teil meines Plans war, um diesen Fall zu lösen?"

Seine Gedanken rasten und trotzdem konnte er die Erinnerung nicht einfach fallen lassen. Wenn er jemals jemanden für einen Fall geküsst hatte, dann war es lediglich ein Mittel zum Zweck gewesen. Ein Fakt, ein notwendiges Übel, was ihn seinem Ziel näher brachte und ihn gleichzeitig unbeirrt weiter machen ließ. Bei John hingegen war es anders gewesen. Sie kannten sich nicht nur eine gefühlte Ewigkeit, sie teilten sich auch eine Wohnung, verbrachten so ziemlich jeden Tag miteinander und in der letzten Zeit war diese Beziehung enger denn je geworden.

,,Weil es nicht die Art ist, wie du deine Fälle für gewöhnlich löst, verdammt." protestierte der ehemalige Militärarzt. Der Wind wehte inzwischen stärker, die Luft wurde kühler und die Sonne näherte sich Stück für Stück dem Horizont.

Johnlock OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt