Kapitel 55 - Der Hinweis der Hinweise

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Es war schon dunkel in dem Zimmer, aber Colin hat die Kerzen die in dem Raum standen angezündet. Es war zwar nicht das beste Licht aber zum Lesen genau richtig.

Ich hatte mich auf eine schlimmere Handschrift vorbereitet. Im Gegensatz zu anderen Personen aus meiner Klasse war es eine wunderschöne Handschrift. Ich hätte es wirklich am wenigsten von einem Mann gedacht. Wenn ich dabei noch an einige Schriften von unseren Lehrern dachte. Manche waren genauso schwer zu entschlüsseln wie Hieroglyphen.

"Hast du was gefunden?", fragte Colin hinter mir. Er saß hinter mir und schaute mir über die Schulter. Seufzend schüttelte ich den Kopf. Der ganze Plan der hier entweder aufgeschrieben oder aufgezeichnet war, war perfekt. Keine Lücken, keine markanten Fehler.

Aber ein Plan konnte nicht perfekt sein. Es muss immer irgendetwas geben, was schieflaufen kann. Es muss immer eine Schwachstelle oder eine Lücke sehen. Es ist wie ein Mord. Den perfekten Mord gibt es nicht. Immer wird irgendetwas hinterlassen. Egal ob unscheinbare DNA oder andere Hinweise.

Aber ich kann auch seine Gedankengänge immer noch nicht ganz nachvollziehen. Warum macht er das alles? Sicherlich nicht nur um wieder Zeitreisen machen zu können. Es muss einen anderen Grund geben. Aber dieser war bis jetzt noch nicht aufgeführt worden.

"Willst du etwas trinken?", fragte er und legte seinen Kopf auf meine Schulter. "Nein, danke.", murmelte ich und blätterte dabei zur nächsten Seite.

Eine riesige Zeichnung von einer Uhr zierte die Doppelseite. Es sah genauso aus wie unsere Armband Uhren. Nur irgendwie moderner. Man konnte ein genaues Datum und eine Uhrzeit einstellen. Zumindest stand das so in den daneben geschriebenen Notizen. Ist das die Lücke?

Ich schaute mir die Zeichnung noch etwas intensiver an. Irgendetwas daran war komisch. Den genauen Tag seiner Zeitreise einzustellen ist ja sehr von Vorteil aber warum denn auch die Uhrzeit? Ich las die ersten paar Zeilen über der Uhr.

Es wird die Zeit kommen an der ich alles ändern kann. Dann kann ich mein ganzes Leben wieder in Ordnung bringen. Meine Fehler werden wie wegradiert sein.

"Ich hab's!", sagte ich und sah Colin strahlend an. Dabei deutete ich auf die Zeichnung. "Und was? Die Zeichnung habe ich schon oft betrachtet.", sagte er und schaute mich an. Umständlich drehte ich mich zu ihm um und hielt das Buch mit einer Hand fest. Wir saßen uns gegenüber und ich schaute ihn an.

"Wir fangen ganz von vorn an. Also in dem kleinen Text steht ja, dass er etwas in seiner Vergangenheit ändern möcht. Etwas das sein ganzes Leben grundlegend verändert. Dafür brauch er aber anscheinend nicht nur das genaue Datum, sondern auch die Uhrzeit. Also. Welches Datum zeigt die Uhr?", fragte ich und schaute in seine blauen Augen.

Er nahm das Buch und las dann von der Zeichnung ab. "Der vierundzwanzigste Dezember neunzehnhundertneunundneunzig."

"Genau und die Uhrzeit?"

"Kurz vor eins.", sagte er und schaute mich wieder an. "Das was er ändern will muss genau dann passiert sein.", sagte er und seine Augen finden an zu strahlen. Anscheinend hatte er nur auf so einen Durchbruch gewartet.

Ich nahm ihm das Buch aus der Hand. "Sind hier irgendwelche Zeitungsartikel oder so etwas drin? Er muss ja irgendwie etwas hier drin haben was ihn daran erinnert was da passiert ist."

"Ich glaube ganz hinten war ein kleiner Ausschnitt."

Schnell klappte ich das Buch zu und öffnete die letzte Seite. Ein kleines Stück Papier lag dort. mit zittrigen Händen nahm ich es an mich und drehte es um. Ein Artikel mit der Überschrift: Vater lässt sein Kind an einem Kiosk alleine. Auf dem ersten Blick nichts Besonderes. So etwas hatte ich schon öfters mal gelesen. Leider.

"Und?", fragte Colin. Ich hob kurz meine andere Hand und las mir den Text durch. Es wurde sehr kurz und knapp geschildert was an dem Heiligen Abend passiert ist. Ein Vater hat sein eigenes Kind an dem Kiosk alleine gelassen und ist dann geflüchtet. Die Polizei geht davon aus, dass er das Kind nicht mehr haben wollte und deswegen geflüchtet ist.

Mit meinen immer noch zittrigen Händen gab ich ihm das kleine Stück Papier. Charles will seine Tochter wiederholen die er vor Jahren alleine gelassen hatte. Er wollte seine Fehler begleichen.

Fassungslos schaute mich Colin an. "Es rührt mich ja etwas das er das wieder gut machen will aber dann müsste er auch das, was er mit uns gemacht hat auch wieder gut machen.", sagt er und legte den Artikel wieder in das Notizbuch.

"Die Familie steht über alles. Das ist bei jedem anders aber bei ihm anscheinend sehr extrem."

Ich seifte und klappe das Buch zu. Wir wissen nun warum er das macht und wie er es wahrscheinlich schafft in die Vergangenheit zu reisen. Die Frage ist nur, wie können wir ihn stoppen?

"Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ihn davon abbringen können es zu machen. Die Frage ist nur, wann und wo er diese Lücke finden will. Ich glaube nämlich nicht in diesem Jahrhundert.", sagte ich und lies mich auf das Bett fallen. Meine Energie war für diesen Tag mehr als verbraucht.

"Das werden wir morgen herausfinden."

"Wenn es dann nicht schon zu spät ist.", sagte ich und schaute ihn an. Es könnte auch jetzt schon zu spät sein. Das wusste er genau so gut wie ich. Es konnte auch schon gestern zu spät gewesen sein. "Zerbrich dir nicht den Kopf, Evelyn. Wir schaffen das. Das verspreche ich dir."

"Ich würde so etwas nicht versprechen. Was ist, wenn wir wirklich für immer hierbleiben müssen? Dann müssen wir für immer so tun, als ob wir wirklich aus dieser Zeit kommen. Was wird aus unseren Familien und Freunden? Die Polizei wird schließlich nicht ewig nach uns suchen. Früher oder später werden sie aufhören und uns für tot erklären. Und das schlimmste daran ist, dass jeder ihnen glauben wird."

Ja, für mich ist das Leben im Moment nicht einfach. Ich sehe einfach nur noch Regen und keine Sonne mehr. Der Regenbogen ist schon längst verblasst und auch die Hoffnung in mir, dass ich irgendwann wieder zuhause in löst sich immer mehr in Luft auf.

So langsam stell ich mich darauf ein hier den recht meines Lebens zu verbringen. Im siebzehnten Jahrhundert. Dass einzig Positive daran ist, dass Colin bei mir ist.

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