18 - Jäger

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Die ersten Sonnenstrahlen des Tages ließen mich verschlafen blinzeln und genervt das Gesicht verziehen. Knurrend bewegte ich mich, drückte die Tür des Wagens auf und stolperte hinaus. Roter Staub wirbelte unter den Sohlen meiner Stiefel auf, als ich mich langsam streckte und den Sonnenaufgang beobachtete. Meine Muskeln schmerzten, da ich hatte im Auto schlafen müssen und die Wunde an meinem Arm pochte noch immer. Anschließend ließ ich mich müde zurück auf den Sitz fallen, nahm mir etwas zu essen und beobachtete, wie die Sonnenstrahlen die Prärie Texas erhellten. Gestern war ich bis zum Einbruch der Nacht gefahren, ehe ich neben einem winzigen Dorf gehalten hatte. Trotz der geringen Einwohnerzahl, die ich vielleicht auf 70 schätzte, hatte ich schon drei Kirchen ausmachen können, die hier gebaut worden waren. Mit Sicherheit hatten die ersten Anwohner auch schon den fremden Wagen bemerkt, der nicht weit entfernt am Straßenrand parkte. Die Gedanken an aufgebrachte Menschen in den Hintergrund schiebend, dachte ich an die Vampire von Gestern. So wie es aussah wurde ich nun nicht nur von den Sklavenhändlern gejagt, sondern von jedem, der sich mit den Engeln gut stellen und einen ordentlichen Batzen Kopfgeld haben wollte. Tausende Werwölfe, Vampire, Magier und andere Wesen, und gegebenenfalls auch Menschen, die von unserer Existenz wussten, würden nun Jagt auf mich machen. Dazu kam, dass ich keine Kräfte hatte. Kurz: Ich war total am Arsch.

Seufzend rieb ich mir über die Stirn, als mein Blick zu dem Schwert glitt. Anscheinend hatte der Kontakt mit meinem Blut es an mich gebunden, aber wieso wusste ich nicht. Unnötig zu sagen, dass das Fehlen meiner Kräfte unmittelbar mit dieser Waffe zusammenhing, aber helfen tat mir dieses Wissen auch nicht. Fakt war, dass es von den Zaubern, die die Engel auf es gelegt hatten, befreit worden war, sodass es nun auch von mir geführt werden konnte. Zusammen mit der Waffe und meiner Fähigkeit anderen Engeln die Energie zu nehmen, war ich nicht mehr ganz hilflos, immerhin ein kleiner Schritt. Heute würde ich mich dann auf den Weg machen, Texas zu verlassen. Es wäre wohl am Besten, wenn ich mich so weit wie möglich von meinem ehemaligen Aufenthaltsort entfernte. Der nächstgelegene Staat wäre Louisiana, das wusste ich noch aus dem Unterricht, doch dazu musste ich zurück und erneut durch Houston. Um in einen anderen Staat zu gelangen würde der Treibstoff niemals reichen, also blieb mir nur diese Option. Als erstes musste ich zurück auf die Interstate, von da sollte es einfach sein, bis in den nächsten Staat zu kommen.

Plötzlich räusperte sich neben mir jemand, weshalb ich mich leicht erschrocken zu Seite drehte. Neben meinem Wagen stand ein Mann mittleren Alters, dessen graue Haare nur noch spärlich vorhanden waren, und sah mich freundlich an. "Kann ich Ihnen helfen?" fragte ich nett und lächelte leicht. Sag nicht, ich bekam jetzt Ärger, weil ich eine Fremde in diesem Kaff war. "Nun ja, vielleicht können sie das." begann er und räusperte sich. "Wir haben hier nur selten Fremde und wenn, dann sind es nur welche aus dem Dorf weiter draußen." setzte er seine Erzählung fort und zeigte die Straße hinunter. Ich runzelte die Stirn und sah ihn leicht verwirrt an. "Ja und?"

"Diese Leute werden hier nicht gerne gesehen, sie haben einen schlechten Einfluss. Falls sie ebenfalls aus diesem Dorf sein sollten, dann würde ich sie bitten, auf der Stelle zu gehen." Verwundert starrte ich in sein älteres Gesicht und hatte keinen blassen Schimmer, was das sollte. "Nein, ich komme von weiter weg." murmelte ich und schüttelte den Kopf. "Aber ich werde sowieso gleich wieder fahren." Der Mann nickte, entschuldigte sich und wollte gehen, allerdings siegte meine Neugier. "Warten Sie!" rief ich und stieg aus. Der Mensch drehte sich herum, wobei sein Blick sich kurz auf meinen verbundenen Arm und anschließend das Schwert in meinem Auto richtete. Im Anschluss sah er wieder mich an, wenn auch etwas argwöhnischer. "Was ist mit dem Dorf?" fragte ich interessiert. Er zuckte mit den Schultern und kratzte sich leicht am Kopf. "Sie machen eigentlich nichts weiter, kaufen ein paar Sachen, dennoch haben sie etwas an sich... Keiner ist gerne in ihrer Nähe." murmelte er. Ich runzelte die Stirn, nicht wissend, was mir das jetzt sagen sollte. "Danke." nuschelte ich noch und rutschte bereits in den Sitz meines Autos. In meinem Kopf stritten sich nun Vernunft und Neugier. Eigentlich sollte ich so schnell wie möglich hier wegkommen, andererseits reizte es mich, dort hinzugehen. Gut möglich, dass dort andere übernatürliche Wesen lebten, die mir nur allzu gern den Kopf abhacken würden. Andererseits könnten mir die Leute dort vielleicht auch irgendwie helfen, jede Hoffnung war mir recht. Letztlich siegte meine Neugier, ich startete den Motor und folgte kurz darauf bereits der Straße.

Mein Name ist AbendsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt