3.

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„Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich fragen, wer dich diese Nacht so gut gevögelt hat." Peinlich berührt blieb ich in der Ladentür stehen und sah mich in dem Café nach weiteren Kunden um. „Keine Panik, hier ist noch keiner." Mein Blick huschte zum Tresen, hinter welchem Joshua stand und Tassen abtrocknete, die er ins Regal stellte.
„Ich ziehe langsam in Erwägung mir ein anderes Café zu suchen, bei welchem ich meinen Morgenkaffee kaufen kann.", knurrte ich und hob meine Tasche auf den Barhocker neben mir, nachdem ich mich ebenfalls auf einen fallen ließ. Doch Joshua konnte nur lachend den Kopf schütteln, während er einen Becher unter die Kaffeemaschine stellte und ein paar Knöpfe drückte.
„Du wirst aber keinen so freundlichen und charmanten Barista wie mich finden.", grinsend lehnte er sich zu mir herüber und tätschelte behutsam meinen Kopf. Ich schlug seinen Arm weg und musterte ihn eindringlich.
„Dort wird man mich aber nicht mit der Aussage ‚du wurdest gut gevögelt' begrüßen.", grummend umfasste ich den warmen Becher, welchen er mir über den Tresen geschoben hatte.
„Enya, wir haben es halb sieben und du bist geschminkt, trägst ein Kleid, hohe Schuhe und hast deine Haare gemacht. Normalerweise schneist du hier erst um kurz vor acht rein und bist nicht so aufgetakelt", seine Mundwinkel hoben sich. „zier dich nicht so, ich kenne dich schon ein paar Jährchen."

Stöhnend barg ich mein Gesicht in den Händen und bereute es, nicht einfach mit Jimin im Bett geblieben zu sein. Wäre die entspannte Version gewesen.

Krank machen, das hatte er vorgeschlagen. Er hätte Minjae in die Schule gefahren und wäre dann auf dem schnellsten Wege wieder zu mir nach Hause gekommen. Doch ich wollte unbedingt mit Janghee sprechen und außerdem standen heute in der elften Klasse Klausuren an, welche ich nicht sausen lassen konnte. So sehr mich meine Schüler dafür lieben würden, dem Jahrgangsleiter wäre dies sichtlich ein Dorn im Auge.
„Kannst du mir einen Kakao zum Mitnehmen machen, mit Sahne und den kleinen Marshmallows oben drauf?", fragte ich und zog mein Handy aus der Tasche.
Kurz tippte ich auf diesem herum, schaute, ob sich etwas an meinem heutigen Stundenplan geändert hatte und verdrehte keine Sekunde später meine Augen.

Pausenaufsicht.

Aus Frustration trank ich einen Schluck von meinem viel zu heißen Kaffee und verbrannte mir prompt die Zunge. Zischend blickte ich zu Joshua, der sein gehässiges Grinsen nicht unter Kontrolle bekam.
„Ich glaube, ich gehe lieber. Sonst werde ich des Mordes angeklagt.", meinte ich und griff nach den beiden Bechern, nachdem ich aufgestanden war und mir meine Tasche über die Schulter gelegt hatte. Er warf mir einen Luftkuss zu, weswegen sich dann doch noch ein Lächeln auf meine Lippen zauberte. Mit einem Nicken drehte ich mich um und wollte gerade seinen Coffeeshop verlassen, da rief er mich bei meinem Namen.
„Enya", ich wandte mich ihm zu und hob fragend eine Augenbraue. „du bist eine wunderbare Freundin, Frau und Mutter." Sprachlos öffnete ich den Mund, schloss ihn wieder und legte meinen Kopf schief. Joshua presste seine Lippen aufeinander und blickte hinunter auf das Geschirrhandtuch, welches vor ihm auf dem Tresen lag. Das Lächeln von eben war verschwunden.
„Denk dir nichts dabei, ich wollte es einmal gesagt haben." Seine Augen richteten sich wieder auf mich. Zu sagen, ich sei verwirrt, wäre wohl untertrieben.
„Ich glaube, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stolz ich bin, dich meinen besten Freund nennen zu können.", sagte ich und verließ den Shop, ohne ein weiteres Wort seinerseits zu hören.

Von Joshuas Worten überrumpelt, huschte ich über den Parkplatz der Schule, nachdem ich meinen Wagen geparkt hatte. Das Wetter konnte sich heute auch nicht entscheiden, es war ein ewiges Hin und Her zwischen Nieselregen und keinem.
Mit einem gedehnten Seufzen betrat ich das riesige Gebäude und machte mich auf die Suche nach dem Mädchen. Ich hatte mal durch einen dummen Zufall mitbekommen, dass sie schon viel früher in der Schule war und sich in der Bibliothek aufhielt, um dort die Zeit tot zuschlagen. Vielleicht fand ich sie da.
„Die Bibliothek ist noch geschlossen.", hörte ich es durch die Reihen hinweg. Ich blieb in der Fantasy- Abteilung stehen und drehte mich auf meinem Hacken um meine eigene Achse. Auch ich liebte Bücher.
„Was machst du dann hier?", murmelte ich und griff irgendein Buch heraus, dessen Einband feuerrot im Licht schimmerte. Kurz wog ich es in meiner Hand, dann schlug ich es auf.
„Lesen, was sonst.", kam es grantig zurück und ich seufzte. Ich wusste mittlerweile, dass sie sich auf der anderen Seite des Regals befand, es sich dort auf dem Fußboden bequem gemacht hatte.
Mit dem Buch bewaffnet, ebenso wie dem Kakao in der anderen Hand, umrundete ich die Barriere und stand keine Minute später vor ihr. Ihr Blick richtete sich auf, damit sie sehen konnte, wer vor ihr stand. Zwar versuchte sie ihren Schock zu verbergen, doch ihre Augen vergrößerten sich schlagartig. Aber davon ließ ich mich nicht beirren, stattdessen stellte ich meine Tasche bei Seite und setze mich neben sie ans Regal. Leicht lächelnd hielt ich hier das Getränk hin.
„Kakao, mit Schlagsahne und Marshmallows. Mein liebstes Getränk, wenn ich lese.", gab ich zu und zuckte mit den Schultern. Zögerlich nahm sie es entgegen und bedankte sich mit einem leichten Nicken. Das Buch, welches sie gelesen hatte, lag ausgebreitet auf ihrem Schoß.
„Was machen Sie um diese Uhrzeit hier in der Bibliothek?", fragte sie leise und nippte am Getränk.
„Das gleiche könnte ich dich fragen, doch wahrscheinlich käme dann nur ein ‚lesen, was sonst' Kommentar.", meinte ich, während ich die Blätter durch meine Finger sausen ließ. Janghee blickte verlegen weg, doch das purpurrote Gesicht konnte sie nicht verbergen. Stumm schlug ich die erste Seite des Buches auf und betrachtete für einen kurzen Moment den großen, geschwungenen Buchstaben, der bei jedem Kapitelanfang aufzufinden war.

Die Maske - Sweet Pea | JiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt