Er hatte nur für einen kurzen Moment die Augen geschlossen.
Zum falschen Zeitpunkt. Er hatte die Kreuzung übersehen, ebenso wie den kleinen, schwarzen Wagen, welcher von rechts gekommen war.
Verzweifelnd umklammerte er das Lenkrad des LKWs, seine Unterlippe zitterte. Es war seine Schuld gewesen.______
Ich wollte es nicht glauben. Hierbei handelte es sich nur um einen absurden Alptraum, der nicht enden und mich bis ans Ende meiner Nerven strapazieren wollte. Anders konnte ich es nicht erklären.
Im Laufschritt zwängte ich mich an den ganzen Menschen vorbei, die im Eingangsbereich wirklich nur im Weg standen. Ich musste sofort zur Notaufnahme.
Als ich dort ankam, lief ich einfach an der Krankenschwester vorbei, welche mich eigentlich abfangen wollte.
„Entschuldigung! Sie dürfen hier nicht rein." Jemand packte mein Handgelenk. Mit dem Vorsatz der Krankenschwester gleich die Augen auszukratzen, wenn sie mich nicht sofort loslässt, drehte ich mich um. Ich blickte in die wärmsten, braunen Augen - Angst und Sorge konnte ich in diesen erkennen. Vorsichtig zog Jimin mich an sich heran und umschloss meine Schultern. Entschuldigend wandte er sich an die Krankenschwester, erst jetzt bemerkte ich, dass mein ganzer Körper unter Strom stand. Die zittrigen Hände konnte ich kaum unter Kontrolle bekommen. Seine Hand fuhr langsam und beruhigend meinen Oberarm auf und ab.
„Wir suchen Miss Lee, sie war in einen Autounfall mit einem LKW verwickelt.", seine Stimme war monoton. Die Krankenschwester nickte und durchsuchte einen Stapel Zettel.
„Darf ich fragen, wie Ihr Verhältnis zu Miss Lee ist?", fragte sie und hob für einen kurzen Moment den Kopf. Hätte Jimin mich nicht festgehalten, wäre ich über diese verdammte Theke gesprungen, welche uns voneinander trennte. Sie sollte mir einfach nur sagen, wo sie lag und keine Volksreden halten. Meine Schultern bebten.
„Familie." Ohne nachzudenken unterstrich ich Jimin Gesagtes mit einem Nicken und krallte mich in seine Jacke. Sekunden verstrichen, zu viele. Doch ich hielt meinen Mund geschlossen und überließ meinem Freund das Reden. Ich hätte mich sonst nicht im Zaum halten können.
„Hier entlang. Miss Lees Verlobter ist ebenfalls schon eingetroffen, ebenso wie weitere Mitglieder der Familie. Ihre Familie scheint groß zu sein.", sagte sie, während sie vor uns herlief und uns durch die Korridore des Krankenhauses führte. Jimin und ich sahen uns kurz an und hoben gleichzeitig die Augenbrauen. Verlobter? Wir reagierten nicht auf ihre Worte, sondern ließen diese einfach offen stehen. Früher oder später, wenn sie in einer Datenbank ihre Verwandten ausfindig machte, wusste sie, dass wir nicht zur Familie gehörten und stattdessen nur Freunde waren. Doch fürs Erste schoben wir diese Gedanken, weit in die letzte Ecke unseres Bewusstseins, als wir vor einer Glaswand stehen blieben. Die dahinterliegenden Vorhänge waren zugezogen.
„Sie können eintreten, der Doktor wird Sie gleich aufsuchen.", mit einer schnellen Geste deutete sie auf die Tür und verschwand nach einer kleinen Verbeugung. Ich griff nach Jimins Hand und nickte, nachdem ich einmal tief eingeatmet hatte. Natürlich wussten wir schon, dass sie vorerst ins künstliche Koma versetzt worden war und doch war es schrecklich gewesen, Eunmi so da liegen zu sehen.Um ihren Hals war eine Cervicalstütze gelegt worden, Schläuche führten in ihren Mund und das Gesicht, ebenso wie ihre Arme, waren mit Kratzern und tiefen Einschnitten übersät, welche Teils bandagiert wurden. Die leisen Töne des EKGs störten die allgemeine Ruhe.
Der Raum selbst war kahl, so kahl wie es in einem Krankenhaus üblich war. Vereinzelt hingen an den Wänden ein paar Bilder von Blumen, die die Stimmung erheitern sollten, doch viel bewirkten sie nun auch wieder nicht. Gegenüber des Bettes, in welchem Eunmi lag, stand an der Wand ein Tisch mit drei Stühlen. Auf der Fensterbank standen ein Raumerfrischer und irgendeine halbtote Pflanze, welche ich nicht identifizieren konnte.Emma, die auf einem der Stühle gesessen hatte, stand auf, nachdem wir den Raum betreten hatten und fiel mir in meine Arme. Ihre Augen waren geschwollen und vom Weinen gerötet. Fest drückte ich sie an mich. Über ihre Schulter hinweg sah ich Yoongi und Taehyung ebenfalls am Tisch sitzen, an der Fensterbank lehnte Joshua, seine Arme hatte er vor der Brust verschränkt, während er abwesend auf seiner Unterlippe herumkaute und ins Nichts starrte.
Auf einem Stuhl am Bett von Eunmi saß Jungkook schlafend. Sein halber Oberkörper lag verrenkt auf ihrer Matratze, seine Hände hatten die ihre fest umschlossen. Ich hätte gelächelt, wenn der Grund nicht schrecklich gewesen wäre. Langsam löste ich mich von Emma und strich ihr vorsichtig mit meinem Daumen die Träne von der Wange.
„Wie lange ist er schon hier?", fragte ich flüsternd und nickte in Richtung Bett. Emma drehte sich um, schniefte kurz und wischte sich einmal übers Gesicht.
„Soweit ich weiß, hat er die ganze Nacht hier verbracht. Als Eunmi ins Krankenhaus geliefert worden und noch halbwegs bei Bewusstsein war, hat sie die ganze Zeit nach ihm gefragt. Die Polizei hat ihn daraufhin ausfindig gemacht." Sie ging zu ihrem Stuhl zurück und setzte sich.
„Passt jemand auf Minjae auf?" Joshua blickte auf, ein schmales Lächeln hatte sich auf seinen Lippen gebildet, ein magerer Versuch uns aufzumuntern. Jimin nickte, der sich neben Taehyung gegen die Wand gelehnt hatte. Auch Taehyung wirkte etwas abwesend. Wir alle hatten Eunmi in unser Herz geschlossen, das kleine Technik-Wunderkind, welches hauptsächlich im Technikraum der Schule gelebt hatte.
„Er ist gerade in der Schule, nachher holt ihn ein Arbeitskollege von mir ab. Wir wollten ihm das nicht zumuten", fügte er hinzu und fuhr sich durch seine Haare. Joshua nickte und im selben Moment betrat, nach einem leisen Klopfen, der Doktor das Zimmer, gefolgt von einer jungen Krankenschwester. Emma erhob sich und wollte gerade Jungkook wecken, da stoppte Yoongi sie, indem er ihren Pullover festhielt. Fragend betrachtete sie ihren langjährigen besten Freund und hob eine Augenbraue.
„Nicht, lass ihn schlafen. Wer weiß, wie lange er auf gewesen war.", murmelte er und erhob sich ebenfalls. Da mir flau im Magen wurde, stellte ich mich neben Jimin, der meine Anwesenheit spürte und nach meiner Hand griff. Wir waren füreinander da, in guten, wie in schlechten Zeiten.
„Ich möchte Ihnen nicht die Hoffnung nehmen aber in mancherlei Hinsicht sieht es schlecht für die Patientin aus." Ich festigte den Druck meiner Hand. „Da Miss Lee von dem Auto erwischt wurde, welches der LKW gerammt hatte, leidet sie unter einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Der Schock und dieses Trauma haben bei ihr zu Lungenversagen geführt, weswegen sie erst einmal ins künstliche Koma versetzt wurde. Jedoch werden wir, abhängig von ihrer körperlichen Verfassung, dies in den nächsten Tagen aufheben." Tief einatmend schloss ich meine Augen und lehnte mich gegen die Wand.
„Was ist mit neurologischen Störungen? Sind welche aufgetreten?", fragte eine kratzige Stimme und wir blickten alle zum Bett, an welchem Jungkook saß und sich durch die zerzausten Haare strich. Er sah schrecklich aus.
„Dazu wollte ich gerade kommen. Das Schädel-Hirn-Trauma hatte eine Lähmung Ihrer Beine zur Folge, das steht fest. Ob Sie aber auch unter einer Aphasie oder epileptischen Anfällen leidet, müssen wir erst feststellen. Doch in Ihrem Zustand ist das nicht empfehlenswert. Es tut mir sehr leid, Ihnen dies mitteilen zu müssen." Mit einem knappen Nicken wandte sich Jungkook vom Arzt ab und betrachtete lange die blasse Eunmi. Ich sah zu Jimin auf, der sich beim Doktor bedankte.
Nachdem dieser verschwunden war, ging Jimin zu Jungkook und legte ihm aufmunternd eine Hand auf die Schulter. Der Junge blickte auf, Jimin hob seine Mundwinkel.
„Wir sind alle da. Wir stehen das gemeinsam durch, als eine Familie."
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Die Maske - Sweet Pea | Jimin
FanfictionAchtundzwanzig und glücklich. In den Händen hält Enya ihr ganzes Leben und alles, was sie sich in diesem wünscht. "Ich liebe dich.", flüsterte Jimin stolz. "Ich liebe dich so sehr." Niemand hatte geahnt, dass ihre Liebe zueinander auf eine so harte...