9.Every Girl owns a secret

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Ich erhalte meine Strafe dafür, was ich Anthony angetan habe. Anscheinend war ein Teil des Gesprächs mit dem Direktor doch nicht so leicht abzutun gewesen - als es darum ging, dass ich Gewalt angewendet habe, um den Streit zu schlichten. Okay, es leuchtet mir ein. Aber ist es so eine große Sache?
Für meinen Vater anscheinend schon.

Er predigt mir schon seit zehn Minuten, wie falsch ich mich benommen habe und das es ja so gefährlich sei auf diese Weise aufzufallen - ich könne ja nicht wieder die Schule wechseln. Wenn er wüsste, dass ich das nur zuschlug um Gerechtigkeit walten zu lassen, würde er dennoch sagen, dass es Fehler war? Ist das denn nicht das was er zum Beruf gewählt hat? Für das was richtig ist zu kämpfen.
“Ich bin aber froh, dass du mit dieser Price diese Bilder gemacht hast“, murmelt mein Vater schließlich und beißt in seinen Burger. “Du bringst dich endlich wieder etwas in diese Gesellschaft mit ein“.

Wir sitzen in einem kleinen Restaurant, dass Regina als 'vorzüglich' bezeichnet hat. Es hat einen asiatischen Touch. An den modernen Wänden hängen koreanische Bilder dessen Rahmen mit deren Schriftzeichen verziert sind. Die Stühle bestehen aus einem dunkeln Holz, welches Mahagoni genannt wird. Ich fühle mich hier nicht wohl, fällt mir auf, als ich den Kronleuchter aus Kristallen betrachte, der wertvoller sein müsste, als mein gesamtes Leben. Ich kann mir gut vorstellen, dass Elizabeth und ihre Freundinnen hier essen gehen würde.

Ich nicke als Antwort für meinen Vater und nippe an meinem Glas Wasser. Wenn er bloß wüsste, in welche Schwierigkeiten er mich gebracht hat.

“Erzähl mir von meiner Mutter“, fordere ich ihn auf einmal auf. Die Worte verlassen meinen vorlauten Mund, bevor ich sie zurücknehmen kann.

Die Züge meines Vaters werden angespannt. Er blickt nicht von seinem Teller auf.
Nach einer Weile räuspert er sich.
“Du brauchst mal einen neuen Haarschnitt. Hier“, er ignoriert meine Forderung und drückt mir einen Schein in die Hand. “Du hast es dir verdient“, fügt er hinzu. In diesem Moment wissen wir beide, dass das nicht wahr ist. 

Traurig nehme ich das Geld an. Bestechung? Wie tief ist die Beziehung von meinem Vater zu mir gesunken?

“Ich hasse es zum Friseur zu gehen“, knurre ich und ziehe mir meine Lederjacke über die Schultern, weil mir plötzlich kalt ist. “Das müsstest du wissen“.

Mein Vater wirft mir einen verletzten Blick zu, entscheidet sich aber dann so zu tun, als hätte er meine Worte nicht gehört. “Und wie war deine Woche? Das habe ich ja die letzten Tage nie gefragt, war zu beschäftigt“.

Die zahllosen Gelegenheiten, in denen er sich in mein Leben hätte einbringen können, standen mir lebhaft vor Augen. Unsere Familie lebt eine prächtige Lüge, denn wir tun so, als wären wir nie verletzt worden. Als wäre alles gut.
Er tut so, als hätte meine Mutter nicht existiert. Er ist letztendlich wie meine Mutter. Beide wollen eigentlich nichts von mir wissen.
Ich möchte sagen wie schlecht es mir geht. Das ich Angst habe. Das ich Angst habe vor mir. Angst vor der Angst. Angst vor dem Versagen. Jedoch bleiben mir die Worte, welche mich endlich erlösen würden, im Hals stecken und ich schlucke sie schmerzhaft hinunter. Ich habe einen Mund voller ungesagter Dinge. Ich denke kurz an Jassica. Auf gewisse Art und Weise bin ich verantwortlich dafür, dass sie die Drogen damals vertickt hat, auf gewisse Art habe ich die Strafen verdient und die Vorwürfe, die mir mein Vater macht. Und schlimmer noch - wenn sie Menschen abhängig gemacht hat, bin ich auch noch daran Schuld. Sie steht irgendwie mit mir in Verbindung, sie ist mein Problem, meine Verantwortung.

“Gut“, krächze ich also. Mir wird fast schwarz vor Augen. Morgen ist Samstag. Ich weiß was das bedeutet.

“Ist alles gut? Du bist ganz blass, Mäuschen“. Mein Vater sieht mich besorgt an.

The lies we live | GxGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt