Kapitel 3

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Mein Herz fühlte sich komisch an. Irgendwie so als wäre es nicht mehr da und trotzdem spürte ich wie kaputt und beschädigt es war. Es fühlte sich anders an, als mein altes Herz, was ich in Phoenix zurück gelassen hatte. Der Schmerz war so schlimm, dass ich ihn fast gar nicht spürte. Dort wo mein Herz war, war ein riesiges schwarzes Loch und ich hatte keine Ahnung - keine verdammte Ahnung - was ich dagegen tun sollte. Ich wusste sonst immer eine Lösung, denn ich war der festen Überzeugung, dass es immer eine Lösung gab. Doch ich hatte mich wohl geirrt. Ich war planlos und wusste nicht was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Wie ich weiter machen sollte, denn er war nicht mehr da. Ich hatte vieles durchmachen müssen, doch nie Verlust. Verlust durch einen Tod. Ich hatte meinen Vater verloren. Diese Erkenntnis ließ mich wieder einmal weinen. In mir zog sich alles zusammen und ich hatte das Gefühl mein Körper wäre total zusammengekrampft. Ich konnte dieses Gefühl nicht beschreiben, da es so neu für mich war. Ich hatte das Gefühl zu fallen und zwar in ein dunkles und tiefes Loch aus dem ich so schnell nicht mehr heraus finden würde. Und die ganze Zeit über konnte ich nur daran denken, dass ich ihn zu selten gesehen habe. Klar, wir haben jeden Morgen telefoniert, doch wir haben uns zuletzt vor knapp einem Jahr gesehen und das auch nur kurz. Ich musste mich für mein drittes Semester vorbereiten und hatte die Zeit mit ihm nicht genutzt. Wir hätten so viel machen können. So viele schöne Erinnerungen schaffen können, doch ich hatte alles versaut. Ich liebte meinen Vater so sehr, da er der einzige war, der immer hinter mir stand. Er war der einzige, der dafür war mich aus Phoenix rauszuholen und er war der einzige, der mich verstand. Er war alles für mich gewesen und jetzt war er einfach weg und die ganze Welt lebte ihr Leben weiter als wäre nie etwas passiert. Doch ich habe einen wundervollen Menschen an den Himmel verloren. Es war einfach schrecklich mitanzusehen wie jeder glücklich sein Leben leben durfte und ich immer und immer wieder die selbe Scheiße durchleben musste. Ich dachte in Charleston wird alles besser. Ich dachte hier darf ich wieder glücklich sein und schon wieder lief ich gegen eine Wand. Diesmal aber stärker, als jemals zuvor.

"Abigail", hörte ich Amy in die Dunkelheit sagen und spürte wie sie sich neben mir bewegte. Nachdem Mason mir erzählt hatte was passiert war, war ich komplett zusammengebrochen. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie ich in mein Zimmer gegangen war, doch vor knapp drei Stunden war ich aus meiner Erstarrung erwacht und hatte geweint, bis ich keine Tränen mehr übrig hatte. Und jetzt lag ich hier mit Amy in meinem Bett, die mir Trost schenken wollte, doch mir wäre es lieber gewesen, wenn sie mich alleine gelassen hätte. Irgendwann war es plötzlich Nacht gewesen, doch ich hatte noch nicht geschlafen. Ich konnte einfach nicht. Ich verstand noch immer nicht so ganz was passiert war und vor allem verstand ich nicht wieso. Wieso musste ein Mensch sterben, der nie etwas Böses getan hat und immer nur Licht in die Welt anderer gebracht hat? Wieso sterben immer die Menschen, die es am wenigsten verdienen und bei denen es am meisten wehtut? Doch leider konnte niemand - ich eingeschlossen - diese Fragen beantworten. Ich wusste nicht, was aus Mason geworden war und ich kümmerte mich auch nicht wirklich darum. Welch eine Ironie, dass einer der Menschen, die mich am meisten verletzt hat, mir die Nachricht über den Tod meines Vaters überbringt. Ich hätte lachen können, doch ich konnte einfach keine Reaktionen zeigen. Als wäre ich eine Hülle, die zwar existiert, aber nicht mehr lebt.

"Bitte versuch ein bisschen zu schlafen", sagte Amy. Ich gab keinen Ton von mir und starrte weiterhin aus dem Fenster. Ich hatte nicht mehr geredet. Schon seit Stunden nicht, da alles in mir drinnen noch versuchte zu verstehen, dass ich meinen Vater nie wieder sehen würde. Nie wieder sein Lachen hören würde und nie wieder mit ihm im Auto Songs von The Rolling Stones singen würde. Ich würde ihm nie wieder sagen können wie sehr ich ihn liebte. In mir war alles gebrochen. Ich war gebrochen.

Irgendwann ging die Sonne auf, doch die Sonnenstrahlen, die mich sonst immer im Gesicht kitzelten nahm ich nicht mehr richtig war. Ich spürte zwar wie sie mich wärmten, doch in mir war alles kalt und tot. Am Montag würde Dads Beerdigung sein. In Phoenix. Mason hatte mich darum gebeten mit ihm zurück zu fliegen, doch ich hatte ihm noch keine Antwort gegeben. Ich wusste, dass ich hingehen sollte. Ich möchte auf gar keinen Fall die Beerdigung meines Vaters verpassen, doch das hieß, dass ich zurück müsste. Ich hatte mir vor zwei Jahren eigentlich vorgenommen nie wieder nach Phoenix zurück zukehren, doch das war bevor mein Vater gestorben ist. Oh Gott, und meine Mom! Sie brauchte mich. Sie hatte zwar Menschen dort, die sie unterstützten, wie Beispielsweise meine Grandma, doch sie brauchte mich bei sich und ich wollte für sie da sein. Fast dreizig Jahre war sie mit meinem Dad verheiratet gewesen und hat sich mit ihm ein Leben aufgebaut. Und jetzt war er weg. Ich hatte Angst vor dem was mich in Phoenix erwarten würde und wen ich wieder sehen würde. Mason war schon schwer genug gewesen, doch wenn ich an die anderen dachte, drohte mir mein Herz vor Angst zu explodieren. Zwei Jahre waren vergangen, zwei Jahre lang wollte ich nicht zurücksehen und jetzt musste ich zurückkehren. Das Schicksal war ein Miststück.

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