Kapitel 2

41 4 9
                                    

So schnell ich konnte rannte ich den langen Flur entlang, der gerade nicht sehr stark befüllt war, da die meisten schon in ihren Vorlesungen saßen, und ich war ausnahmsweise mal spät dran. Normalerweise bin ich eine der ersten, um mir einen Platz in der ersten Reihe zu sichern, da der Dozent unfassbar leise sprach und ich sonst kein einziges Wort verstand. Ich war zwar nicht sportlich, doch wenn ich wollte konnte ich verdammt schnell sein. Die Studenten an denen ich vorbei lief warfen mir ein paar komische Blicke zu, doch ich interessierte mich nicht für sie, sondern lief schneller.

"Wo warst du?", flüsterte Amy mir leise zu, als ich mich neben sie gesetzt hatte. Ich versuchte vergeblich meine Atmung in den Griff zu bekommen, bevor ich ihr antworteten konnte. Ich musste wirklich mal mit dem Sport anfangen, dachte ich und atmete immer noch sehr schnell und keuchte beinahe, weshalb ich ihr einfach meinen Kaffeebecher hinhielt, den sie musterte, bevor sie mich kopfschüttelnd ansah.
"Du hast echt eine Sucht", sagte sie. Ich lächelte sie an und holte meinen Laptop aus meiner Tasche, um mitzuschreiben, denn es gab nichts das ich mehr hasste, als nicht mitzukommen. Das war schon so, seitdem ich klein war. Ich hatte schon vor der ersten Klasse lesen gelernt, da ich immer eine Vorarbeiterin war. In anderen Schulen hätte man mich damit als Streberin oder Außenseiterin abgestempelt, doch so war es bei mir nie gewesen. Ich hatte immer viele Freunde gehabt. Wir waren damals noch eine Gruppe, die jeden Tag zusammen etwas unternahm, doch wir hatten uns auseinander gelebt. Dinge sind geschehen, Sachen wurden gesagt und irgendwann würde es so schlimm, dass ich weggezogen bin, um sie nie wieder zusehen. Das war früher gewesen. Jetzt hatte ich Amy und Simon.

"Kommst du noch mit?", fragte Amy mich, als wir die Vorlesung verließen. "Ein paar wollten zum See fahren."

Mit ein paar waren wohl mehr als hundert Leute gemeint und mit zum See fahren war eine Party gemeint. Amy drückte das nur so komisch aus, da sie wusste, dass das Wort Party und ich zwei komplett unterschiedliche Planeten waren, die so weit voneinander entfernt waren, dass sie nicht einmal von der Existenz des jeweils anderen wussten.

Ich warf ihr einen vielsagenden Blick zu, der ihr als Antwort wohl genügte. Sie seufzte frustriert.
"Was ist das nur mit dir und den Partys?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Sie sind einfach nicht mein Ding."

Ich war noch nie ein großer Fan von Partys oder anderen großen Feiern gewesen. Sie interessierten mich einfach nicht und ich fand sie langweilig. In Phoenix war ich schon ein paar mal auf einer gewesen und es war immer nur das selbe. Es roch überall nach Alkohol, es spielte Musik, die nicht mein Geschmack war, und die Mädchen boten sich gegenseitig einen Wettstreit darin wer wohl das kürzeste Kleid trug. Definitiv nicht mein Fall.
Amy und Simon hatten beide schon mehr als einmal versucht mich dazu zu überreden mit ihnen zukommen, doch ich hatte ihnen jedesmal abgesagt. Ich lag lieber in meinem Bett und sah mir ein paar Folgen von The Walking Dead an und aß dabei eine ganze Packung Reeses auf. Oh, und selbstverständlich trank ich eine Menge Kaffee. Das hörte sich für mich nach einem guten Freitag Abend an.

"Das wird diesmal ganz anders", sagte Amy und hackte sich bei mir unter. "Wir gehen schwimmen und es werden diesmal auch wirklich nicht viele Leute sein. Höchstens vierzig und es gibt nicht einmal Alkohol."

Zweifelnd sah ich sie an.

"Okay, es wird Alkohol geben, aber komm doch trotzdem mit! Du musst ja nichts davon trinken."

"Amy", sagte ich und blieb draußen auf dem Campus stehen. "Ich hab heute zwei Auswahlmöglichkeiten. Entweder ich genieße einen ruhigen Abend mit Reeses, Kaffee und ein paar Zombies in meinem Bett oder ich gehe mit dir zu einer ‚Nicht-Party' und..."

"Und was?", fragte Amy verwirrt, da ich aufgehört hatte zu sprechen.

Das konnte nicht sein. Ich musste mich irren. Ich musste einfach. Er dürfte gar nicht hier sein.
Ungefähr zwei Meter hinter Amy stand er und sah mich an. Mein Herz hörte auf zu schlagen. Was machte er hier? Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit und mit einem Mal kamen all die Ereignisse in dieser Nacht plötzlich auf mich zu, doch ich versuchte sie mit allen Mitteln zu verdrängen, denn ich werde nicht zurück sehen. Meine Hände waren schweißnass und meine Kehle wurde trocken. Er hatte sich nicht verändert. Kein Stück.

Don't look backWo Geschichten leben. Entdecke jetzt