Nachtgedanken und Shakespeare

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(501 Wörter)

Wie sehr seine Hände doch gezittert hatten, als er die Adresse des Heiders auf den Brief geschrieben, und die Briefmarke darauf geklebt hatte.
Wie er noch gezögert hatte, als er vor dem Briefkasten stand, ein Postangestellter neben ihm, der ungeduldig darauf wartete, die Briefe mitnehmen zu können.
Timon hatte ihn mit großen Augen angesehen, gefragt, ob er den Brief abschicken würde, woraufhin er nur ein genervtes: „Ja, jetzt machen Sie schon!" erhielt.
Er hatte die Luft angehalten, als er den Umschlag in den Kasten warf, und einige Sekunden lang nur so dagestanden, reglos, benommen, als hätte er soeben einen Mord begangen.
Auf dem Nachhauseweg hatte er sich abwechselnd dafür gelobt und verflucht, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob das nun richtig gewesen war oder doch nicht. Er war sich sicher gewesen, dass Florian den Brief einige Male stutzig lesen, und dann aber unbeachtet lassen würde, er war der Überzeugung, es war eigentlich sinnlos gewesen, denn im Endeffekt würde es nichts ändern.
Er würde weiterhin jede Nacht wach liegen, ihn vermissen und zu sich wünschen und sich fragen, was das alles für einen Sinn hatte.
Er würde allein bleiben, vermutlich nie wieder Liebe finden, weil seine Liebe fort war, er würde einen einsamen Tod sterben.

„Timon!"
Er blinzelte einige Male, schüttelte den Kopf, ganz leicht nur, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren.
„Ich habe gesagt: "Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? Es ist der Ost und Timon die Sonne". Da mach ich hier schon einen auf Romeo und dann starrst du nur in der Gegend herum. Hast du vor, dich heute Abend noch zu bewegen?"
Der jüngere war immernoch wie erstarrt, blickte in Florians Richtung, aber nicht direkt ihn an, er sprach nicht wirklich, stammelte nur und begann langsam zu zittern, als ihm die Kälte langsam den Rücken hinaufkroch.
Flo legte den Kopf schräg, es tat ihm leid, Timon so da stehen zu sehen, so benommen wie dieser von seiner Anwesenheit schien. Er wollte ihn nicht einfach frierend dort stehen lassen, allerdings kam er ohne ihn nicht herein, er blickte sich also um. Es dauerte keine halbe Minute, ehe er auf die glorreiche Idee kam, die ihn zu Timon bringen würde. Er kletterte den Balkon hinauf, der nicht sonderlich hoch angebracht war, da der jüngere im Erdgeschoss lebte. So grazil wie nur irgend möglich schwang er sich letztendlich über das Geländer, um Timon daraufhin liebevoll in seine Arme zu schließen.
„Ich bin da, Timon, ich bin bei dir", flüsterte er und strich dem größeren sanft über den Rücken, der augenblicklich aufgehört hatte zu zittern. Es dauerte einige weitere Augenblicke, bis Timon verstand, was eigentlich geschah und die Umarmung erwiderte, ein leichtes Lächeln zierte nun seine Lippen und er bemühte sich, die aufsteigenden Freudentränen zu unterdrücken, von denen zwei sich den Weg über sein Gesicht bahnten.
„Bitte geh nie wieder weg..", sagte er und drückte Flo fester an sich, als würde er ihn anderenfalls verlieren.
„Werde ich nicht. Ich bleibe bei dir. Ich habe auch immer an dich gedacht, Timon."

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