Als wäre es gestern...

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(1462 Wörter)

»„Timon-Schätzchen, da bist du ja, du Drecksdepp!"
Ich zuckte zusammen, als mich jemand antippte und drehte mich zu der Person um. Sofort blickte ich in deine wunderschönen braunen Augen, die hinter einer schwarzen Brille versteckt und unter dem breiten Grinsen etwas zusammengekniffen waren. Augenblicklich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, während ich: „Schade, ich dachte, ich müsste dich heute mal nicht sehen" erwiderte. Du bist in Gelächter ausgebrochen, ich stimmte mit ein, es riss mich mit, dein Lachen, das hat es schon immer getan.
„D-darf ich?", fragte ich irgendwann, in meinem Kopf spielte sich gerade mein Vorhaben ab, während du nur verwirrt, aber immernoch seicht grinsend die Augenbrauen zusammen gezogen und genickt hast. Schnell schloss ich dich in meine Arme, ich nehme an, dass du etwas perplex die Augen aufgerissen hast, bevor du vorsichtig deine Hände auf meinen Rücken gelegt hast. Eine Weile lang standen wir nur so da. Weil du ja etwas kleiner als ich bist konnte ich meinen Kopf auf deiner Schulter ablegen und sobald ich das getan hatte merkte ich, wie du nach meinem ersten Atemzug gegen deinen Hals etwas zusammengezuckt bist. Zu meinem Bedauern weilte die Umarmung aber nicht ewig, wie auch, irgendwann ist alles vorbei. Dann standen wir getrennt voreinander, blickten uns nur stumm an, bis du letztendlich das Wort ergriffen hast.
„Ja sag mal, was machen wir denn jetzt?"
Das wusste ich tatsächlich auch nicht, wir beschlossen also, einfach ein bisschen herum zu schlendern und uns zu unterhalten.
„Und, wie läuft es so bei dir und Hannah?"
Ein wenig bedrückt hatten mich die Fragen und das Wissen über deine Beziehung zu ihr schon eine Weile. Sie war eine charmante, humorvolle Frau, ihr habt gut zusammen gepasst. „Wir sind seit einem Monat getrennt", hast du fast schon beiläufig geantwortet und den Mund zu einem mitleidigen Lächeln verzogen. Ich blieb stehen und sah dich verwundert an. „Wieso das denn?" Du hast mich am Ärmel gepackt und weiter gezogen, ohne mir auf meine Frage zu antworten. „Wieso hast du mir das nicht schon eher erzählt?" Ich bekam nur ein Schulterzucken deinerseits als Antwort, während wir weiter durch eine weniger belebte Gegend Münchens liefen.
„Es lief einfach nichtmehr so wie vorher, weißt du? Hat nicht mehr funktioniert. Deshalb.", sagtest du dann irgendwann und klärtest damit endlich meine Frage. „Verstehe.. tut mir leid.", erwiderte ich etwas verlegen und könnte schwören, dass du etwas wie: „Schon gut. Ich bin fast etwas froh" gesagt hast. Was mich allerdings etwas gewundert hat, ihr wart immer sehr glücklich miteinander und - naja, eigentlich das perfekte Paar, während ich an Versuchen, eine Freundin zu finden, gescheitert war. Ich konnte nicht glauben, dass du deine makellose Beziehung an den Nagel gehängt hast. Aber im Endeffekt war es ja dein Leben und deine Entscheidungen, egal was ich daran auszusetzen hatte, letztendlich musste ich damit leben. Und in diesem Fall war das nichteinmal schwer. Der Stein, der mir durch eure Beziehung auf dem Herzen lag war nun verschwunden, auch wenn mich noch interessiert hätte, wie der überhaupt da hin kam. Schweigend gingen wir dann nebeneinander her, keiner von uns wusste, was er sagen sollte und die Stille zwischen uns wurde unangenehmer, als die Abenddämmerung langsam hereinbrach. „Hat was romantisches, dieser Sonnenuntergang", sagtest du und lachtest auf, und obwohl ich es da nicht gesagt hatte; ich habe das gleiche gedacht. Aber ich habe es unausgesprochen velassen, aus Angst, du würdest mich verstört ansehen. „Lass uns zum Hotel gehen, es wird spät und wir haben viel vor morgen", unterbrachst du letztlich die Stille, hast mich wieder am Arm gepackt und bist um die Ecke gegangen. Ich konnte nicht anders als zu dir herunter zu sehen, während du, den Blick starr auf den Weg gerichtet und mit zielsicherem Schritt, neben mir herliefst. Eine brennende Röte schoss mir ins Gesicht, als du mich auf einmal angesehen und gelächelt hast - ich liebe ja dein Lächeln, dein warmes, liebevolles Lächeln, mit dem du mich immer wieder wohlfühlen lässt. „Alles in Ordnung, Timon?", fragtest du, immernoch lächelnd, diesmal belustigt. „Du siehst aus, als würdest du gleich sabbern", fügtest du hinzu und lenktest deinen Blick nur ganz kurz auf meine Lippen, was mich trotzdem faat wahnsinnig gemacht hätte schätze ich, zumindest, wenn du im nächsten Moment nicht laut zu lachem begonnen hättest. Etwas verlegen stimmte ich mit ein, anders wusste ich mich gerade nicht zu retten. „Nein aber wirklich. Woran denkst du gerade? Sei ganz ehrlich." Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, mir geht so vieles gerade im Kopf herum. Du?" - „Keine Ahnung. Nennst du mir ein Beispiel? Vielleicht eins, was deinen Blick eben erklärt?" Ich blieb stehen und sah dich verwirrt an. „Wenn du mir sagst, was du denkst, hilfst du mir, selbst zu denken. Verstehst du?" Ich schüttelte lamgsam den Kopf. „Nein, irgendwie nicht, tut mir leid" - „Wie auch immer, ist sowieso albern, du musst mir nichts erzählen, wenn du willst." Du wolltest schon weiter gehen, als ich es mir anders überlegte. „Ich hab nachgedacht, warum du Hannah verlassen hast. Weil ihr doch so ein perfektes Paar wart. Und mein Gehirn hat wieder primitiven Nonsens produziert, irgendwelche matschigen Gedanken und Träume, die nie wahr werden, weil- ich weiß nicht warum. Das hab ich gerade gedacht." Du sahst mich für mehrere Augenblicke an, bist wieder auf mich zu gegangen und hast dich so neben mich gestellt, dass ich meinen Rücken nun einer Steinmauer zuwandte, gegen die du mich mit einem Mal drücktest. Mein Herz raste und ich hatte das Gefühl, es würde gleich explodieren, mein Atem ging hastig, unregelmäßig und ich hatte die Augen weit aufgerissen. „Träume, sagst du. In etwa sowas hier?", hauchtest du leise, zu meinem Verwundern sahst du mir nicht ins Gesicht, sondern nur auf deine Hand, die du in mein Shirt gekrallt hast, um mich besser festhalten zu können. Ich schluckte schwer, nickte und presste ein leises „J-ja" hervor. Du lachtest kurz leise, ließt mich los und gingst wieder zwei Schritte von mir, um mir den Rücken zuzuwenden. „Es stimmt also", hörte ich dich sagen. „Es stimmt also, was mein Bauchgefühl mir sagt." Ich war nun aus meiner Schockstarre herausgekommen, stand wieder aufrecht und hatte es auch geschafft wieder normal zu atmen, verwirrt war ich allerdings immernoch. „Was meinst du?", fragte ich leise, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob reden eine gute Idee war. „Ich kann dir vertrauen. Du bist ehrlich zu mir. Du würdest mich nicht verraten. Du würdest zu mir halten, egal was wäre. Das sagt mir mein Bauchgefühl. Es stimmt doch, oder?" - „J-ja, natürlich tut es das-" Endlich drehtest du dich zu mir um, sahst mich an und durchbohrtest mich mit dem durchdringenden, aber doch sanften Blick durch deine Schokoladenbraunen Augen. „Hannah war nicht so, hab ich festgestellt. Ich habe sie schon lange mit dir verglichen, und mir ist immerwieder aufgefallen, wie sehr sie sich verändert hat. Und dass du eigentlich immer schon so warst, wie sie war, als ich sie kennenlernte. Ich weiß noch, wie ich mich damals "unsterblich" in sie und ihre Art verliebte. Aber diese Art hat garnicht sie. Die hast du."
-
Der Tag, an dem wir uns das erste Mal privat getroffen haben, war der schönste Tag meines Lebens. Ich wusste von Anfang an, dass das etwas besonderes ist, dass du etwas besonderes bist. Ich habe geahnt, dass wir nicht nur beste Freunde sein würden. Irgendwie warst du schon immer mehr für mich als andere. Ich kann es nicht wirklich erklären. Flo, du weißt, dass ich dich liebe. Und dass ich dich brauche. Wenn ich dich um eines bitten kann, dann darum, dass du mich nicht ohne Vorwarnung verlässt. Ich weiß, dass das egoistisch ist. Aber ich will dich nicht gehen lassen, ohne mich von dir zu verabschieden. Ich liebe dich Flo. Ich komme morgen wieder. Ich werde hier sein.«

Schweren Herzens strich Timon ein letztes Mal mit seinem Daumen über den Handrücken des älteren, der so dalag und friedlich zu schlafen schien. Man könnte es beinahe als Schlafen bezeichnen, würde es nicht schon eine Woche lang andauern. Jeden Tag verbrachte Timon hier, und jeden Tag erzählte er eine gemeinsame Erinnerung wie ein Märchen. Vielleicht glaubte er, Flo könne sich an nichts mehr erinnern, sobald er aufwachte, und hätte lediglich das, was ihm in seinem Komaschlaf erzählt wurde. Vielleicht half es Timon aber auch einfach, über seine Anwesenheit hinwegzusehen. Denn dem Studenten fiel es unheimlich schwer, von seiner besseren Hälfte getrennt zu sein - nicht bei dem Mann sein zu können, den er liebte, gerade jetzt, wenn dieser ihn brauchte. Es brach Timon das Herz. Und so redete er jeden Tag von jenen Erinnerungen, die die irgendwie schönsten waren, und an die er sich noch alle erinnerte, als wäre es gestern gewesen.
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(A/N: Ich hoffe, diese komische, verdrehte Zeitform ist irgendwie logisch und nicht allzu verwirrend gewesen ^^")

#kleider-Schrank (Eine Sammlung an #kleider Oneshots)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt