Ich war gefangen in mir selbst, sowie es all die Worte in meinem Kopf waren. Das Schreiben war mein einziges Ventil, um den Druck der vielen Wörter abzulassen. Demnach schrieb ich viel, eigentlich fast immer, wenn ich Zeit hatte. Wenn ich länger keine Zeit hatte, bildete sich ein Stau, der im Gegensatz zu dem Sturm noch viel schlimmer war. Er war schlimmer als alle Messer, die wunde Punkte trafen. Er war schlimmer als alles. Er war das Schlimmste.
Schrei, so laut du kannst,
will dir jemand Fesseln anlegen.
Du bist frei!
Kämpfe mit all deiner Kraft,
will dich jemand einsperren.
Du bist nicht allein!
Nutze all deine Farben,
will dich jemand grau machen.
Du bist bunt!
Renne fort,
will das Böse dich haben.
Du bist zu gut!
Aber fliehe nie vor dir selbst,
lass dich nicht zurück,
denn du bist das Einzige,
was dich immer einholen wird.-Worte an Oskar
Ich las das Gedicht wieder und wieder, kam zu dem Entschluss, dass es für Oskar war. Dass mein Gefühl dabei ganz klar eins war: Angst! Angst, dass die Schatten ihn vielleicht doch zu sehr vom Dunkeln überzeugen konnten. Angst, dass die Stille auch ihn zum besten Freund machte. Er war so anders als ich, aber irgendwie waren wir doch gleich. Ich wollte nicht, dass er eines Tages in seinem Zimmer saß, ohne Freunde. Dass er traurig war, weil ihn keiner hören konnte. Dass er irgendwann aufhörte zu schreien. Dass er so lautlos verstummte wie ich, weil er keine Kraft mehr hatte. Keine Kraft mehr, diese Schreie zu produzieren und zu hoffen, dass sie gehört wurden. Irgendwann wurde jeder kraftlos, wenn alle Ohren taub waren. Wenn alle anderen Dinge im Leben, in der Welt, lauter waren.
Ich wollte Hoffnung für ihn. Und ich schrieb darüber ein weiteres Gedicht. Vielleicht konnte ich ihm das irgendwann zeigen, wenn ich etwas bemerkte. Erste Anzeichen. Auch, wenn ich hoffte, dass es diese nie geben würde! Nicht bei ihm, nicht bei meiner Sonne.
Eine Sache, die ist für uns alle:
Hoffnung
Das grüne Licht,
das uns alle umgibt.
Hoffnung,
das Einzige, was lange bleibt.
Was da ist, wenn man von allen verlassen,
was da ist, wenn alles verloren scheint,
Hoffnung.
Sie gibt uns Kraft,
bringt uns im Sturm zum Lächeln.
Hoffnung,
umgibt uns überall,
hält uns am Leben.
Hoffnung tut weh,
doch Hoffnung baut auf.
Hoffnung bringt uns weiter,
Hoffnung lässt uns stehen.
Dunkel ist nicht zu dunkel für Licht,
das uns die Hoffnung gibt.
Grün ist ihre Farbe,
Grün ist unsere Farbe,
Grün ist Hoffnung!
Und sie ist überall,
diese wunderschöne,
diese antreibende,
diese Hoffnung.-Hoffnung, das helle Licht
Während ich diese Wörter durch meine Hände und Finger hatte fließen lassen, spürte ich wieder diese kleine, grüne Blume. Die Hoffnung. Sie keimte in mir. Und ich war ihr so dankbar. Ich war dieser ewigen Hoffnungslosigkeit überdrüssig. Ich wollte wieder Farbe sein. Wieder Farbe sehen, sie wahrnehmen. Jede einzelne aus diesem riesigen Spektrum sollte mich ergreifen und etwas auslösen in mir. Ich war froh, über dieses bisschen Grün, dass ich meinen Laptop herunterfuhr und aus meinem Zimmer ging. Mit Musik im Ohr. Das sollte mein erster Winterspaziergang dieses Jahr werden.
Ich hatte das Bedürfnis nach frischer Luft, nach echtem Leben. Und wo spielte das Leben, wenn nicht draußen, außerhalb meines Fensters? Ich hatte es doch so ewig lang nur beobachtet, als wäre ich der auktoriale Erzähler, der über der Geschichte stand und alles wusste. Aber die Wahrheit war: Nur weil mein Fenster zwei Stockwerke über der Straße war, war ich noch lange nicht allwissend. Eigentlich wusste ich gar nichts. Wie denn auch? Meine Zimmerwände konnten mir nicht vom Leben erzählen. Gar nichts aus diesem Raum konnte das. Nicht einmal mein Laptop oder das Internet. Das war alles nicht das echte Leben. Aber das war genau das, was ich in diesem Moment brauchte! Das echte Leben. Also schnappte ich mir meinen immer noch rotbraunen Schal, eine dicke Jacke und Stiefel. Zog diese an und verschwand nach draußen, in die echte Welt mit dem wirklichen Leben.
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Ungesprochen
Teen FictionEs ist nicht so, dass ich keine Worte finde. Ich suche nicht. Ich bin still. Ganz einfach still. Tessas Welt ist trotz ihres kleinen Bruders trostlos und dunkelgrau. Bis Casper, der Junge mit den wundervollen, blauen Augen, sie betritt und mit leuch...