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"Hey zeig mal, was ist das?", rief Katja und riss mir schon im nächsten Moment das Blatt aus der Hand. Sie las laut vor:

Sie fallen,
fallen ins Licht.
Sie fliegen,
fliegen in seine Arme,
die kalten Arme des...
Die kalten Arme des Todes.
Das Letzte,
der letzte, der letzte Moment.
Ein Schöner?
Ein schöner Letzter,
ein schöner Abschluss?
Das Ende,
wie ist das Ende?
Wie ist es,
sich fallen zu lassen,
zu fliegen?
Leblos dennoch lebendig,
lebendig doch leblos,
schon tot?
Nehmen alles wahr,
spüren nichts,
es ist dunkel,
doch da ist Licht.
Alle werden es spüren,
niemand ist endlos.
Alles vergeht,
wir sind alle eins
irgendwann
verblassende Erinnerung!
Alle gleich
irgendwann
leblos, gestorben, tot und kalt.
Ein Körper,
ein toter Körper,
eine leere Hülle.
Die Welt,
die bewegt sich.
Bewegt sich weiter,
bleibt nicht stehen.
Nie für niemanden.
Alles,
alles geht vorbei,
alles hat ein Ende,
ist dafür geschaffen,
gebaut für das Vergehen,
zum Auflösen,
zum Vergessen werden.
Nichts und niemand,
nichts ist ewig,
Ewigkeit endet,
endet mit ihm,
mit dem Letzten,
mit dem
Tod!

-Der Letzte

Ein Horrorszenario.

Nicht nur, dass alle meine durchaus düsteren Gedanken hörten. Sie las es auch komplett falsch. Sie las es nicht, wie ich es geschrieben hatte. Sie gab den Worten eine komplett andere Bedeutung, eine komplett falsche.
Kein Bisschen schwermütig oder tiefgründig, nur oberflächlich, herablassend und belustigt las sie meine Worte. Worte, die so dunkel waren, dass sogar ich mich fast gruselte. Ich hatte Angst vor ihnen und mir, vor meinem Inneren. 
Immerhin kamen sie aus den tiefsten Ecken meines Selbst.                                                                                                                    
Was, wenn meine Worte dunkel waren, weil ich es war? Wenn ich nie strahlen konnte, weil jegliches Licht von außen verschluckt wurde?

Ich hörte nicht mehr zu, nahm das Gelächter gar nicht richtig wahr. Es war mir nicht egal, aber es war mir auch keinen Ärger wert.
Ich hatte meine Worte nur einmal mehr verloren, schaute auf den Fußboden und hoffte, dass mein Blatt auch bald dort landen würde. Dann wäre es vorbei und ich allein.

Doch gerade als jemand Luft holte, um ein Kommentar zu geben, hörte ich eine wütende Stimme: „Was soll der Scheiß? Ich glaube, das gehört euch nicht. Gebt es zurück oder ich durchwühle mal eure Taschen."    

"War nicht in ihrer Tasche, nur in der Hand. Außerdem was bist du, der Moralapostel?", spottete Amy.                                                                                                                                                    "Selbst wenn es nur in ihrer Hand war, es gehört euch nicht. Und hätte sie gewollt, dass ihr es lest, hätte sie es euch freiwillig gegeben. Also her damit!". Wut in seiner Stimme. Ich blickte vorsichtig hoch. Wusste er nicht, was er tat?

Er stand vor Katja und streckte seine Hand nach meinem Papier aus. Dabei schenkte er jedem Einzelnen einen drohenden Blick.
Er meinte es ernst.
Er war so dumm. Wie konnte er es ernst meinen?
Er hatte doch alle Möglichkeiten, konnte der King der Schüler werden. Ein King mit wundervollen blauen Augen.
Doch er stellte sich dagegen, für mich. So dumm konnte er nicht sein.
Er konnte in den letzten Tagen und Wochen nicht übersehen haben, dass ich das Opfer war.

UngesprochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt