Kapitel 1: Licht Aus

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Wenn du in einem kleinen Haus lebst, das deinen strengen Eltern gehört, sind die Möglichkeiten zum Verstecken begrenzt. Fass dies nicht an, fass das nicht an, pass hiermit auf und pass damit auf. Meine Mutter würde beim Anblick eines auf dem Boden liegenden Kissens in die Luft gehen, und von meinem Vater will ich gar nicht erst anfangen. Er hasste Unordnung noch mehr als meine Mutter, weshalb ich im Haus immer vorsichtig war.

Ich hatte viele Freunde, aber nur eine von ihnen konnte mich besuchen kommen, und das war Abby. Meine Eltern wussten, dass Abby ein Ordnungsfreak war, aber sie wussten nicht, wie leichtsinnig sie war, wenn sie nicht zuhause waren, so wie jetzt.

Die Dielen knarzten unter meinen nackten Füßen. Ich schlich auf Zehenspitzen durch den Flur, während mein Bruder Caleb bis zwanzig zählte.

"7... 8... 9... 10... 11", rief er laut.

Abby, meine beste Freundin, packte mich und drückte mich gegen die Wand. "Emily, wo sollen wir uns verstecken?", flüsterte sie in mein Ohr.

Sie schonb mich in den Wäscheraum, bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte. Es war dunkel und ich konnte nichts sehen. Deshalb machte Verstecken im dunkeln mehr Spaß.

"Versteckt oder nicht, ich komme!", rief Caleb, während er den Flur entlang und am Wäscheraum vorbeirannte. Ich konnte seine kleinen Füße auf dem Boden stampfen hören. Abby und ich versteckten uns hinter dem Trockner, bemüht, nicht zu lachen. Die Dunkelheit spielte meinen Augen Streiche. Schatten veränderten sich, tanzten in Spiralen um mich herum, formten seltsame Umrisse und sandten meine Fantasie in eine andere Welt. Die Dunkelheit war gruselig, sehr gruselig, aber ich liebte diese Spannung.

Wir kicherten leise, als Caleb in Schränken herumwühlte. Ich zog Abby näher zu mir. "Lass uns zum Stützpunkt rennen."

Abby verließ das Versteck hinter dem Trockner als erstes. Ich schüttelte meinen Kopf über ihre Leichtgläubigkeit, immer fiel sie auf meine Tricks herein. Um Verstecken im dunklen zu gewinnen, muss man manchmal auf fiese Tricks zurückgreifen, und das war es, was ich machte.

Hinter mir war eine Tür, die in das Zimmer meiner Eltern führte. Während Abby den Wäscheraum verließ, schlüpfte ich in das Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Es klickte laut, als sie sich schloss und ich dachte schon, es hätte mich verraten. Ich ließ mich an der Tür hinuntersinken, fürchtete, Abby könnte meinen Trick enttarnen. Ich war alleine in der Dunkelheit. Ich fühlte das umliegende nichts. Meine Fantasie spielte mir Streiche, füllte meinen Kopf mit Kreaturen und Monstern, die in der Dunkelheit lauern könnten. Ich schloss meine Augen, angsterfüllt, aber ich genoss es zu sehr, um aufzustehen und zu gehen.

"Hab dich gefunden!", hörte ich Caleb rufen. "Du bist es Abby!"

"Ja!", murmelte ich außer Atem. Ich rannte aus dem Raum und in den Flur um das Licht anzumachen. Der Ausdruck auf Abbys Gesicht brachte mich zum Lachen. Caleb tanzte grinsend umher, da er wusste, dass er es nicht erneut sein würde. Er war jetzt drei mal hintereinander dran gewesen.

Abby sah mich...an. "Ha ha. Sehr lustig. Du hast mich ausgetrickst! Schon wieder!"

"Hab ich nicht", erwiderte ich lächelnd. "Ich habe nur meine Meinung geändert. Abby, es ist nur ein Spiel."

Abby hörte nicht auf zu diskutieren. "Du weißt, das is nicht das erste mal, dass du dass gemacht hast. Es ist das hundertste. Du solltest dran sein." Sie zeigte auf mich.

Ich bin es nie. Ich bin die beste, wenn es ums Verstecken geht. Wenn jemand will, dass ich es bin, muss er mic zuerst finden. Es ist nicht meine Schuld, dass ich so gut in diesem Spiel bin. Mein Vater hatte sogar einmal gesagt, ich sollte einen Pokal für mein Talent im Verstecken bekommen. Ich war die Beste im Verstecken. Jeder wusste das.

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