Kapitel 4: Rose

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Ich hatte bis jetzt über zwanzig Räume in diesem Haus gesehen. Mein Favorit war, wie sollte es auch anders sein, die Bibliothek. Dort gab es sogar einen Kamin, weit Weg von den Büchern, vor dem ein weicher Teppich lag, auf dem kleine Sessel standen, auf denen man sich es ganz wunderbar gemütlich machen konnte.

In der Villa gab es keinen wirklichen Ort für Caleb zum spielen. Allerding hatte Mr. Harmon uns esagt, sobald Calebs Raum fertig sei, würde er ihn nie wieder verlassen wollen.

Nachdem Caleb und ich fertig damit waren, das Haus zu erkunden, ließen wir die Roller stehen und gingen in den Garten hinter der Villa. Der Garten war riesig und voller Blumen und anderen Pflanzen. Es gab sogar ein paar mini Wasserfälle. Caleb wollte bei ihnen spielen, doch ich verbat es ihm, aus Angst, Mrs. Harmon könnte sauer darüber sein. Ich wollte nicht, dass es so schlecht anfing.

Caleb entdeckte ein paar Vögel in einer ovalen Schale. Er ließ mich stehen und ging auf sie zu. Ich rannte ihm nach, doch stoppte kurz darauf. Caleb hielt auch an, als er sie sah. Ein paar Meter weiter stand ein hoher Springbrunnen, und davor eine Frau, die nicht Mrs. Harmon war, und goss die Blumen.

Sie sah uns, sagte jedoch nichts. Sie goss einfach still weiter die Blumen.

"Wer ist das?", fragte Caeleb.

"Vielleicht die Hausfrau?", sagte ich.

Caleb schüttelte den Kopf. "Mr. Harmon hat nichts von einer Hausfrau gesagt", flüsterte er.

Um einen guten ersten Eindruck bemüht, beschloss ich, sie zu begrüßen. Caleb und ich gingen zu ihr hinüber.  Sie hörte auf, die Blumen zu gießen und schaute auf. Ich konnte nicht sagen, ob sie eine Hausfrau war oder doch etwas anderes. Sie trug ein langes weißes Kleid und dazu en weißes Paar Schuhe. Ihr hellbraunes Haar war ein wenig zerzaust. Sie lächelte uns nicht einmal an.

"Guten Abend", sagte sie in einer monotonen Stimme. "Wer seid ihr zwei?"

"Ich bin Emily, und das ist mein Bruder Caleb", sagte ich. "Die Harmons haben uns adoptiert."

Die Frau lächelte. Es war kein echtes Lächeln. Sie lächelte so übertrieben, als wären wir das beste was ihr jemals passiert sei, und als wäre sie der glücklichste Mensch af diesem Planeten. Vielleicht bin ich verrückt, aber ihr Lächeln jagte mir einen Schauer den Rücken hinunter.

"Emily und Caleb. Angenehm euch kennen zu lernen", sagte sie wärend sie unsere Hände schüttelte. "Ich bin die Gärtnerin. Ich komme hier her um die Blumen zu gießen. Das ist mein Job. Ich hauche diesem Ort gerne ein wenig Leben ein." Sie saugte die Luft ein. "Leben", wiederholte sie. Ihre Aufmerksamkeit war auf den Vogel gerichtet, der an uns vorbei flog. Ihr Blick wanderte wiederc zu uns. Sie wirkte noch seltsamer auf mich, als zuvor.

Caleb fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Wie heißen Sie?", fragte er schüchtern.

"Ich heiße Rosemary. Aber nennt mich einfach Rose", sagte sie.

"Das ist ein wunderschöner Name", meinte ich.

Rose nickte und lächelte. "Nun ja, es wird spät. Die Sonne geht unter, und ich sollte wirklich-" Ich erwartete, dass sie ihren Satz beendete, doch sie tat es nicht. Sie winkte uns zum Abschied und machte sich auf den Weg, weg von uns, weg von der Villa, bis wir sie nicht mehr sehen konnten. Wenn sie hier arbeitte, sollte sie nicht ein Transportmittel haben? Wo ging sie hin? Alles was ih sah, waren Felder und Wiesen. Das einzige Haus in der Nähe war das graue, verlassen aussehende, und ich war nicht sicher, ob sie dort hingehen wollte. Ich konnte falsch liegen.

***

Wir durften unsere Zimmer nach dem Abendessen sehen. Das hatte Mr. Harmon uns gesagt.

Wir setzten uns hin und warteten darauf, dass das Essen fertig wurde. Caleb war zu klein für die Stühle, die für Leute in meiner Größe oder größer waren, wenn man den Tisch erreichen wollte. Dieser Esstisch war doppelt so groß wie unser alter Tisch. Er war riesig. An den beiden Seiten standen jeweils vier Stühle, und am Kopfende des Tisches standen die Stühle von Mr. und Mrs. Harmon. Caleb durfte auf dem Sofa im Wohnzimmer essen, etwas, was wir zuhause niemals gedurft hätten. Ich saß mit den Harmons am Tisch. Wir schwiegen, und es war ein wenig seltsam, bis das Essen fertig war.

***

Das Essen war großartig. Ich konnte nicht glauben, dass Mrs. Harmon das alles allein gekocht haben sollte. Ich bedankte mich für das Essen.

"Kein Problem", sagte sie. "Nun, erzähl uns ein wenig über dich, Emily."

Ich gab nicht viele Details über mich heraus. Ich erzählte nur ein wenig über meine Leidenschaft für Sport, Videospiele, Shoppen, Treffen mit Freunden und Verstecken.

Als ich Verstecken sagte, sahen sie mich mit einem Blick an, der sagte Ist sie nicht schon ein wenig zu alt, um noch Verstecken zu spielen? Das denken die meisten Erwachenen über 14-jährige. Ich erzählte ihnen, dass ich kein normales Verstecken spielen. Ich bevorzugte Verstecken im Dunkeln. Sie schienen verwirrt von meiner Aussage zu sein.

Mrs. Harmon räusperte sich und verschränkte ihre Hände miteinander.

"Nun, ich muss leider sagen, dass es hier im Haus kein Verstecken geben wird. Das Haus ist zu groß dafür und jemand könnte sich verletzen. Kunstwerke könnten kaputt gehen. Ich möchte keine Unfälle erleben."

Ehrlich gesagt machte mich das verrückt. Es regte mich auf, dass ich mein Lieblingsspiel in diesem neuen Haus nicht spielen konnte. Es war dumm, Verstecken zu verbieten. Es ist nicht gefährlich.

Ich unterdrückte meine Wut und nickte. Es war sowieso niemand da, um mit mit zu spielen, von daher war es sowieso egal. Ich vermutete, dass ich mir eine andere Beschäftigung suchen musste.

Ohne es zu bemerken, begann ich zu weinen. Ich wünschte mir, meine Eltern würden noch leben. Ich wollte nicht hier sein. Ich wollte zuhause sein, wo ich mit Abby verstecken spielen konnte.

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