Erschrocken zuckte Marie zusammen und ließ all ihre mitgebrachten Sachen, um bei Willow übernachten zu können, fallen. Sie war vor Überraschung wie erstarrt, als Lucius hinter einem Baum hervortrat.
"Deine Freundin lebt mit Stil, das muss man ihr lassen."
Seine Augen glitzerten diabolisch, als wüsste er etwas, das sie nicht wusste. Ein eiskalter Schauer lief ihr ihren Rücken hinab. Sein Blick verängstigte sie.
Und sein göttliches Aussehen. War sowas überhaupt erlaubt? Doch nun schien das merkwürdige Glitzern in seinen Augen ihn um einiges weniger attraktiv zu machen.
Er grinste, als hätte er ihre Gedanken gehört.
"Marie", schnurrte er, während er näher an sie herantrat.
"Verzeih mir bitte mein Intervenieren, doch ich konnte nicht riskieren, dass du zu schreien anfängst - wo wir dir doch gar nichts tun wollten."
Unsicher wich sie vor ihm zurück. Wie war das gestern Abend noch gewesen? Sie hatte Lucius' Gesicht gesehen, ihrem nur unweit entfernt, ein schnipsen und alles war verschwommen unter ihren schweren Augenlidern, sie hatte bloß vage durch ihre halb geschlossenen Augen seine Worte registriert, bis sie eingeschlafen war. Interessant. Und beängstigend. Unsicher wich sie vor ihm zurück.
"Was willst du?"
Ein sanfter Ausdruck trat in seine Augen, vertrieb das deutlich weniger liebevolle Glitzern, das zuvor in ihnen gelegen hatte, als er ihr noch näher kam.
"Dich sehen."
Stur reckte Marie ihr Kinn in die Höhe.
"Das hast du ja nun getan. Du kannst das komische Stalkerverhalten unterlassen."
Lucius lachte, bevor er einen weiteren Schritt auf sie zu trat. Zuvor von seinem Aussehen umschleiert und geblendet, war sich Marie ihrer Situation nun umso bewusster. Sie kannte diesen jungen Mann nicht, er schien ihr zwar nicht feindlich gesinnt, doch umgab ihn trotzdem etwas Düsteres, Kaltes. Außerdem hatte er sie dazu gebracht, bewusstlos zu werden. Womöglich hatte er ihr eine Droge oder sonstiges verabreicht.
Ihre eigenen Gedankengänge verunsicherten sie genug, um ein wenig Panik in ihr aufsteigen zu lassen. Warum war er am Tag zuvor so aufregend, neu und interessant gewesen? Nun machte er ihr Angst und schüchterte sie ein.
"Es wäre mir wirklich lieber, du würdest mich in Ruhe lassen", presste Marie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als sie mit dem Rücken gegen einen Baum stieß. Sie war zu langsam, um sich um den Stamm herum weiter von Lucius fort zu kämpfen, den nach nur ein paar langen Schritten war er bereits nah genug, um sich links und rechts von ihrem Kopf mit den Händen abzustützen und ihr so jeden Fluchtweg unverweigerlich zu verstellen.
"Du brauchst keine Furcht vor mir zu haben, Marie. Zwar neigt sich meine aktuelle Phase ihrem Ende zu, doch kann ich dir versichern, dass dich die nächste erst in dem nächsten Jahrzehnt betreffen wird."
Verwirrt runzelte sie die Stirn. Dieser Mann sprach in Rätseln!...
Lucius' POVEr konnte die Unverständnis in ihren Augen sehen, Marie lag vor ihm wie ein offenes Buch. Sie schien einer jener Menschen zu sein, die ihre Emotionen offen zur Schau trugen - ob gewollt oder nicht, war wieder etwas anderes. Wie sollte er ihr auch erklären, wie sein Wesen sich zusammensetzte? Es wäre ja auch langweilig, wenn der Teufel immer nur grausam wäre. Im Moment war er temperamentvoll, leicht reizbar, doch charmant, friedlich und höflich. Er wusste nicht, wie seine Charakterzüge nach dieser Phase aussehen würden, doch würde er Marie niemals gefährden können. In irgendeiner Weise. Ihre plötzliche Angst vor ihm verwirrte ihn. Gestern Abend war sie so kooperativ gewesen, hatte eine positivere Aura ausgestrahlt. Nun schien sie sich in seiner Gegenwart nicht mehr wohl zu fühlen. Doch das Verlangen, dass im schwer im Magen lag und in ihm aufstieg wie ein Adler, welcher sich in die Lüfte erhob, zwang ihn dazu, ihr immer näher zu kommen. Noch nie hatte er sich einer menschlichen Frau gegenüber so hingezogen gefühlt. Dabei hatte er sie bloß in einer Kirche gesehen, einen einzigen Moment seinen alles sehenden Blick in diese Richtung geworfen - und schon war es um ihn geschehen.
"Marie", wiederholte er ihren Namen erneut und lehnte sich nach vorne, sodass ihre Körper sich beinahe berührten. Es kostete ihn all seinen Anstand und sein Gentleman-sein, sich nicht an sie zu schmiegen. Doch so sehr er an sich zu halten versuchte, ein beinahe animalistischen Drang zwang ihn dazu, ihr immer näher zu kommen. Sobald er ihre Körperwärme, welche sich mit seiner erhitzte, ihren Duft intensiver wahrnahm, entfuhr ihm ein Seufzen des Wohlbefindens und der Erregung.
"L-Lucius, ich muss d-dich bitten, einen Schritt oder z-zwei zurückzutreten", stammelte seine Angebetete, welche ihn aus vor Angst geweiteten Augen anstarrte. Warum nur war sie am Abend zuvor so offen gewesen, als könnte sie es gar nicht erwarten, sich mit ihm in ein privates Zimmer zurückzuziehen und nun schob sie ihn verbal von sich?
"Du machst es mir wirklich schwer", raunte er in ihr Ohr, was ihr einen Schauer über den Rücken zu jagen schien, ihrem Zittern und der Gänsehaut auf ihren nackten Armen nach zu urteilen. Ihm war jede Faser ihres Körpers, die seinen in irgendeiner Weise berührte, bis ins peinlichste Detail bewusst. Und nicht nur seine Magengrube reagierte darauf, indem es in ihm zu rumoren schien, auch in seiner Hose wurde es langsam ziemlich eng. Zu gerne hätte er Marie aus ihrem Kleid befreit, die Hälse der Blumen im Gras gebrochen und ihr ihren Kranz abgenommen - jedenfalls nahm er an, dass sie noch Jungfrau war.
Widerwillig wich er doch ein Stück zurück. Unerwarteterweise rammte Marie ihm blitzschnell ihr Knie zwischen die Beine. Mit einem Keuchen sank er in die Knie und hielt sich seinen Schritt.
Vage registrierte er, wie sie eilig ihre Sachen aufhob und dann davon jagte. Sie ließ ihn zurück, erregt, überrascht und grinsend. Diese bis jetzt unbekannte Seite der jungen Frau gefiel ihm besonders. Obwohl er sich innerlich scholt, so mit dem falschen Körperteil gedacht zu haben. Vermutlich hatte sie nun Angst vor ihm. Diese Erkenntnis ließ das Lächeln von seinen Lippen verschwinden. Er würde sich etwas anderes ausdenken müssen, um ihr Vertrauen und somit ihre Freundschaft zu erlangen - das würde sein erstes Ziel sein. Und er würde nicht dulden, dass diese Schar Engel ihm zuvor kam....
Maries POVLangsam schien eine Anthologie an Geschichten, ihre Flucht vor Verrückten betreffend, zu entstehen. Schon zum zweiten Mal in einer Woche, eigentlich zwei Tagen, von einem Wahnsinnigen belästigt zu werden, war schon sehr merkwürdig. Mit einem Seufzen ließ sie sich zum Luft schnappen auf einer Bank nieder. Ihre Unsportlichkeit machte mit einem sehr unangenehmen Stechen in der Seite auf sich aufmerksam.
"Ach, verdammt", murmelte sie leise vor sich hin, während sie sich umsah. Sie war blindlings davongelaufen, einfach weg, war ihr Gedanke gewesen. Nun musste sie wieder ein wenig ihres Orientierungssinnes wiedererlangen.
Wiesentgasse... Nun gut, wenn ich mich bloß an dem gelben Haus nach links wende, sollte ich zur Hauptstraße kommen. Erneut entfuhr Marie ein Seufzen, bevor sie sich wieder von der Bank erhob. Sie würde schon irgendwie in ihre kleine Wohnung zurückfinden. So weit weg wohnte Willow schließlich nicht. Während dem Gehen versuchte sie, so gut wie möglich ihre Gedanken zu sortieren und über die Geschehnisse der letzten Tage zu denken. Sie war auf mehrere komische Typen gestoßen, einen, der sich ausgab, ein Engel zu sein, einen, der sich als Satan höchstpersönlich bezeichnete und die fünf oder sechs Sidekicks des Ersteren. Was hatte sie an sich, um von solchen Menschen angenähert zu werden? Und verfolgt? Grübelnd wäre sie beinahe in einen jungen Baum am Rand des Gehsteiges gelaufen, konnte jedoch gerade noch ausweichen. Sie war tollpatschig, chaotisch und besaß einen schrägen Humor. Etwas Unsportlicheres als sie gab es vermutlich gar nicht, genauso wenig wie einen Menschen, der mehr Schokolade essen konnte als sie. Und zwar in beachtlichen Zeitspannen. Was war an ihr so interessant? Sie war ordinär, normal, langweilig. Wer sollte jemanden wie sie bemerken?
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Wings - Wie die Liebe sprichwörtlich vom Himmel fiel
RomanceMarie ist eine völlig normale junge Erwachsene, wären da nicht ihre erzkatholischen Eltern, welche sie darauf drillen möchten, so strikt zu werden wie sie, möglichst bald einen Mann zu ehelichen und dann jeden Sonntag mit ihren hübschen Kindern in d...