Die Ernsthaftigkeit in seinem Blick ließ Marie wohlig erschauern. Ein 'Bad Boy' also? Ein komischer Fetisch, sich als Teufel zu bezeichnen, aber sein göttliches Aussehen machte das allemal wett. Wenn er denn nun genauso freundlich zu ihr war wie er erschien und sich nicht als Arschloch entpuppte,
wäre er perfekt.
"Erzähle mir mehr über dich, Luzifer", forderte sie ihn grinsend auf, nun auch bemerkend, dass sein Name dem des Antichristen ziemlich ähnlich war.
"Oder sollte ich Lucifer sagen?"
Sein Lächeln war ein wenig distanziert, doch freundlich. Als ob sie ein kleines Kind wäre, dass ganz knapp an der richtigen Antwort vorbeigeschrammt wäre oder die Lösung falsch verstanden hatte.
"Du kannst mich nennen, wie du möchtechst", schnurrte er mit dieser unglaublichen Stimme. So eine beruhigende Stimme, aber gleichzeitig hatte Marie das Gefühl, als könnte diese Stimme genauso gut zu Gebrüll werden. Allgemein besaß Lucius diese Ausstrahlung; einerseits so perfekt, andererseits umgab ihn irgendetwas Düsteres, etwas Gefährliches. Wenn sie doch nur wüsste, was es war, dass sie auf der einen Seite faszinierte und auf der anderen Seite anzog. Oder auszog? Beides war bei diesem Kerl möglich.
"Hm... Mephistopheles? Diabolus? Vielleicht sogar... Beelzebub?"
Er lachte laut auf und warf dabei den Kopf in den Nacken. Dabei löste sich eine wundervolle blonde Haarsträhne aus seiner Frisur und fiel ihm ins Gesicht, als er sie wieder ansah. Marie schmolz innerlich dahin und verflüchtigte sich in den Tiefen der Kanalisation.
"Alles, nur nicht Letzteres."
Während er schallend in die Nacht lachte, die Musik sowie das Gelächter und das Summen der Gespräche zu ihnen herüber drangen, musterte Marie sein Gesicht. Seinen Eltern muss man echt irgendeine Auszeichnung überreichen. Über einem markanten Kinn fanden sich volle, blasse Lippen, welche sich weich unter einer umso geraderen Nase wölbten. Sein Kiefer sah zum Anbeißen aus, genauso wie seine ausgeprägten Wangenknochen. Und wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gesagt, er hatte gelbe Augen. Dabei war es bloß ein übernatürlich helles Braun, bernsteinfarben und durchdringend. Ihr entfuhr ein träumerisches Seufzen. Wie er wohl ohne T-Shirt aussah... Sie biss sich auf die Unterlippe. Bestimmt besaß er einen traumhaften Körper, ob er wohl auch ein Sixpack hatte. Woah, wie gern würde sie es herausfinden. Klar, Marie, das wird auch sicher toll funktionieren. "Hey, möchtest du dich für einen Moment ausziehen, mich würde da etwas interess-"
"Ich hoffe, ich reiße dich nicht aus deinen Gedanken, aber ich habe dir gerade eine Frage gestellt", unterbrach er ihre verträumten Fantasien von seinem Torso, aus welchen sie erschrocken hochschreckte.
"Oh! Was? Wie? Oohh... Ich Ähm... Tut mir so leid, würde es dir... Äh... Etwas ausmachen, das zu wiederholen?"
Lucius betrachtete sie eingehend, wobei er lächelte. Dieses Mal erreichte es auch seine Augen und schien weniger distanziert und platonisch. Als fände er sie nun sympathischer. Obwohl sie ihm kurz nicht zugehört hatte. Komisches Kerlchen.
"Ich habe gefragt, ob du aus einer sehr christlichen Familie stammst."
Erstaunt über seine Frage runzelte Marie die Stirn. Also, wenn der Kerl telepathische Fähigkeiten hat, sollte er auch genau hören, was ich mir so in meinem Kopf ausmale. Hoffentlich hat er solche nicht, sonst würde er mich bloß für noch schräger halten, als er es eh schon tut.
"Ja, woher weißt du das?"
"Du greifst andauernd zu deinem Hals, als würde dort eine Kette hängen. Dabei tastest du mit Daumen, Zeige- und Mittelfinder so, als würdest du nach einem Kreuz suchen."
"Woah."
Sichtlich beeindruckt musterte sie den Mann vor sich erneut. So viele angenehme Überraschungen...!
"Wie hast du das gemacht?"
"Was?"
"Na das!"
"Ach, das ist bloß eine antrainierte Beobachtungsgabe, das kannst du auch lernen", meinte Lucius bescheiden und zog dabei einen Mundwinkel hoch. So, wenn er bloß den rechten Mundwinkel hochzog, besaß er auch ein Grübchen in derselben Wange. Konnte dieser Kerl noch perfekter werden?
"Ich hatte mich übrigens gefragt, ob du womöglich etwas trinken möchtest. Darf ich dir etwas von der provisorischen Bar von drinnen holen?", bot er galant an, was ihr Herz zum Flattern brachte. Solange du mich heiratest, tue ich alles für dich. Du musst nicht auch nur deinen kleinen Finger rühren, dein Wunsch ist mir Befehl.
"Schon okay, ich hole mir wenn schon selbst etwa-"
Gerade, als sie ihren Satz beenden wollte, unterbrach sie eine ihr bereits bekannte Stimme.
"Er sollte dir eigentlich zu Füßen liegen und dich mit Gaben überhäufen, wenn es zu deiner Glücklichkeit führt, Feather."
Der Wahnsinnige von zuvor trat hinter einem Baum hervor, welcher auf dem leeren Grundstück hinter ihnen stand.
"Kokaviel", seufzte Lucius bloß, er schien diesen Verrückten also zu kennen.
"Luzifer", bemerkte da eine weitere Stimme, welche Marie nicht zuordnen konnte. Der Besitzer trat sogleich neben Kokaviel, ein eher dunkelhaariger Typ mit stechenden, blauen Augen, welche ihr selbst durch die Dunkelheit hindurch entgegenzuscheinen schienen.
"Sei still, Akatriel! Ich sagte doch, du solltest dich um deinen eigenen Kram kümmern!"
"Hey, wir haben alle ein Recht darauf, hier zu sein!"
"Klappe, Nithael!", fuhren die zwei nun einen dritten Kerl an, welcher jünger als Marie sein musste.
"Wa-? Was geht hier vor?", stammelte diese verwirrt, waren doch gerade drei Menschen mit riesigen Flügeln auf dem Rücken vor ihr aufgetaucht - welche ihr Traumprinz zu kennen schien. Bevor die ganze Situation Marie zu sehr zu Kopfe steigen konnte, stand sie auf. Noch einmal gebe ich mir dieses Disaster nicht, heißes Date hin oder her.
"Du erreichst mich über Willows Handy!", meinte sie also noch schnell in Lucius Richtung, bevor sie bereits das Haus wieder ansteuerte, in welchem sie heute Nacht übernachten sollte. Bevor sie aufgehalten, angesprochen, was auch immer getan wurde - sie wollte bloß weg von diesen Verrückten.
Zugegeben, besonders schnell bewegte sie sich in dem engen Kleid und den hohen Schuhen eher nicht, aber es machte auch keiner Anstalten, ihr zu folgen.
"Marie!", rief ihr jedoch Lucius hinterher, bevor sie Teil einer hitzigen Debatte im Hintergrund wurde.
"Marie? Ein wundervoller Name. Fast so schön wie Maria."
"Wisst ihr, was mir gerade auffällt?"
"Was denn, Nithael?"
"Irgendwie erinnert sie mich an Maria Magdalena."
"Jedes Mädchen erinnert dich an Magdalena."
"Stimmt gar nicht!"
"Sich-"
"Schweigt!", herrschte Lucius die drei an, um dann ebenfalls aufzustehen. Selbst ein Tauber hätte das Knarzen der Bank gehört, so laut, wie es war.
"Ich lasse mir von dir nicht den Mund verbieten", murmelte da der Jüngste von ihnen. Er hatte mit Abstand die hellste Stimme.
"Ja, ja, in der Pubertät fängt die Zeit des Widerstandes an..."
"Hey, Cael! Machst du dich etwa lustig über mich? Ich bin der Engel der Jugend und wenn du nicht sofort-"
"Ruhe, habe ich gesagt!"
Schritte auf dem Asphalt sagten ihr, dass Lucius ihr nun anscheinend folgte.
"Jetzt warte doch, Marie!"
Doch sie wollte nicht warten. In was für eine komische Szenerie war sie denn bitte geraten? Es wäre aber auch zu schön gewesen, wenn Lucius normal wäre.
"Verschwindet! Alle! Lasst mich in Ruhe!", zischte sie deswegen und beschleunigte ihre Schritte, auch wenn ihre Waden bereits einen Krampf ankündigten. Nur noch bis zum Haus, es ist nicht mehr weit. Die Musik er nun sogar so laut, dass sie gar nicht mehr hören konnte, ob Lucius ihr überhaupt noch folgte oder nicht. Willows Haus schien Farbe zu wechseln, während die verschiedensten Lichter sich aus den Fenstern ergossen und auf die Straßen flossen, um sich dann in der Dunkelheit der Nacht zu verflüchtigen.
Es wäre so schön gewesen, hätten diese Irren ihr nicht den Abend versaut.
"Marie!"
Plötzlich stand er vor ihr, obwohl das physikalisch gesehen gar nicht möglich sein sollte. Erschrocken fuhr sie zurück, verlor in den High Heels das Gleichgewicht und stolperte. Von hinten wurde ihre Hüfte umfasst, sodass sie sich wieder fangen konnte. Sie war umzingelt; vor sich Lucius, hinter sich Kokaviel und zu ihren Seiten vermutlich jene, deren Namen sie wieder vergessen hatte. Panisch wühlte sie in ihrer Tasche nach irgendetwas, dass sie als Waffe benutzen könnte. Was, wenn sie sie nun ausrauben oder als Gruppe vergewaltigen wollten?
"Beruhige dich", murmelte Lucius sanft, als sie ihre Hausschlüssel zückte und damit drohend abwechseln auf den einen und dann auf den anderen deutete. Noch nie hatte sie solche Angst und solche Schweißausbrüche gehabt.
"Lasst mich doch endlich in Ruhe!", kreischte sie, nun wirklich am Ende mit ihren Nerven. Was ist das für ein kranker Scheiß?!
Lucius schnipste mit der linken Hand und alles wurde ruhig. Ganz ruhig, sie mit eingeschlossen.
"Was macht er jetzt mit ihr?"
"Shh!"
"Du wirst müde, ganz müde", vernahm sie Lucius' Stimme an ihrem Ohr, sanft, beruhigend. Und sooo einschläfernd. Erschöpft fielen ihr die Augenlider zu.
"Und du schläfst ein..."
DU LIEST GERADE
Wings - Wie die Liebe sprichwörtlich vom Himmel fiel
Storie d'amoreMarie ist eine völlig normale junge Erwachsene, wären da nicht ihre erzkatholischen Eltern, welche sie darauf drillen möchten, so strikt zu werden wie sie, möglichst bald einen Mann zu ehelichen und dann jeden Sonntag mit ihren hübschen Kindern in d...