Phil konnte seinen Blick kaum von dem Typen abwenden, mit dem Charlie so viel zu bereden hatte. Mit zu Schlitzen verengten Augen beobachtete er ihn und versuchte zu ergründen, was er mit der Traumsammlerin zu tun hatte. Er bemerkte zuerst das Mädchen gar nicht, das sich zu ihnen an den Tisch stellte und unsicher auf den Füßen wippte.
»Entschuldigen Sie meine Kollegin«, zwitscherte sie und zeigte einen perfekten Augenaufschlag, was Phil beinahe zum Lachen brachte. Diese Mädchen waren immer so einfältig. Als brauchte es nicht mehr als lange Wimpern und große Brüste, um ihn zufrieden zu stellen. Doch er genoss die Aufmerksamkeit, die die Menschen ihm häufiger zubrachten. Er kannte seine Wirkung auf die einfachen Leute. Und er wusste damit umzugehen. »Wahrscheinlich hat sie schlecht geschlafen. Sie wirkt schon den ganzen Morgen so aufgewühlt. Also hat sie entweder von Chris Pratt oder Nicholas Cage geträumt.« Sie zuckte mit den Schultern und zückte einen Zettel und einen Stift, um die Bestellung entgegenzunehmen.
Phil beugte sich an der Bedienung vorbei und schaute zur Schwingtür, die wahrscheinlich in die Küche führte, in die Charlie eben wutentbrannt verschwunden war. Ein wirklich niedlicher Anblick, wenn sie wütend war. Dennoch merkte er, dass er das Mädchen, dem er jede Nacht begegnete, noch gar nicht richtig zu kennen schien. »Wie hängt das denn zusammen?«, wollte er wissen und zog die Augenbrauen hoch.
»Entweder einer, den sie anziehend findet, oder einer, den sie abstoßend findet«, erklärte das Mädchen lachend und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
Phil grinste schief. »Soso, anziehend also«, überlegte er laut. Das konnte ja noch ein Spaß werden.
»Und was verschlägt so schicke junge Männer wie euch hierher?« Die Kellnerin verlagerte ihr Gewicht auf ein Bein und kräuselte mit einem Finger durch ihre Locken.
Phil konnte sein Grinsen kaum zurückhalten. Er wusste nur zu gut, was sich das Mädchen von diesem Gespräch erhoffte und sie schien ihm sogar noch nützlich werden zu können, wenn es darum ging, mehr über Charlie herauszufinden.
Er ließ sich auf ihre Flirtereien ein und lehnte sich lässig auf der Sitzbank zurück. Seine Freunde taten beschäftigt und studierten die Speisekarte. Eine Taktik, die sie sich erst hatten aneignen müssen, wo sie doch weder Nahrung noch Getränke brauchten und sich allein von den Emotionen der Menschen ernährten. Und dieses Mädchen sprudelte gerade so über vor Empfindungen. »Gegenüber wird ein neues Bürogebäude gebaut und - naja, wie soll ich sagen? Ich bin einer der Hauptinvestoren.« Er zog eine Augenbraue hoch und wartete auf ihre Reaktion. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er genau das, was er bei den meisten Frauen auslöste. Zumindest bei solchen, die einen Mann mit Geld bevorzugten. Erneut schielte er an ihr vorbei zur Tür, als hoffte er, Charlie käme wieder heraus. Sie ließ sich mit weltlichen Besitztümern wahrscheinlich nicht beeindrucken.
»Dann fehlt Ihnen nur noch ein roter Anzug und Sie wären Iron Man«, kicherte das Mädchen und erntete einen ungläubigen Blick von Ruben.
Sie schien ihm langsam auf die Nerven zu gehen und er legte die Karte zur Seite. »Ich möchte gern bestellen«, beendete er das Gespräch zwischen ihr und Phil.
Dieser lachte kurz auf. »Entschuldige meinen Freund. Manche Menschen sollte man nicht hungern lassen, nicht wahr?« Sein perfekt trainiertes Lachen ließ das Gesicht der Kellnerin strahlen. »Also bitte, Miss ...« Phil schaute sie fragend an.
Schnell stellte sie sich aufrecht hin und wischte die Finger an ihrem Rock ab. »Leila. Einfach nur Leila«, sagte sie schnell.
»Also bitte, Leila, wir sind vorrangig zum Essen hergekommen. Auch wenn ich zugeben muss, sehr überwältigt zu sein. Ich habe nicht mit so hübschen Damen gerechnet.« Er zwinkerte ihr zu und Leilas Gesicht verfärbte sich rot.
Ihr Mund öffnete sich, nur um sich im nächsten Moment wieder zu schließen. Sie räusperte sich und wischte erneut ihre Finger ab. Dann bereitete sie wieder Zettel und Stift vor. »Was kann ich Ihnen bringen?«
Kaum hatte sie die Bestellung entgegengenommen, eilte sie in die Küche. Ruben schüttelte genervt den Kopf, sagte aber nichts und Leon hörte noch immer nicht auf, die Gerichte auf der Karte durchzugehen.
Phil starrte erneut rüber zu dem Kerl, mit dem Charlie zuvor geredet hatte. »Am Freitag müsst ihr allein auf die Jagd gehen. Da hab ich was vor«, erklärte er seinen Jungs. Denn für ihn hatte eine andere Jagd begonnen. Und Charlie war seine Beute.
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Traumsammler
ParanormalManchmal kommt es vor, dass selbst harmlose Träume Spuren in uns hinterlassen, weil die Emotionen darin zu stark waren, um sie einfach zu vergessen. Charlie ist eine Traumsammlerin, die solche Emotionen aus den Träumen der Menschen absorbiert, um s...