gelb - Optimismus

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»Toast mit Schinken und Käse!«, brüllte Tilo aus der Küche und hämmerte auf die Klingel, die er sich extra zugelegt hatte, um Charlie und Leila auf die Nerven zu gehen. Charlie eilte sofort zu ihm und nahm den Pappteller entgegen, auf dem sie etwas vollkommen anderes erkannte als Toast mit Schinken und Käse. Leila fühlte sich von der Klingel wie üblich nicht gestört, sondern fand ihr Handy weitaus interessanter.

Tilo wischte seine schmierigen Finger an der Hose ab, die eindeutig schon genug Fettflecken aufwies. »Rührei mit Bacon kommt auch gleich«, informierte er Charlie mit seinem üblich rauen Ton und ging zurück an den Herd.

»Das sieht eher aus wie Toast mit Abtreibung«, stellte Leila mit hochgezogenen Augenbrauen fest, als Charlie an ihr vorbei eilte, um das wohl nie warm gewesene Essen zum Kunden zu bringen. Sie hob abwehrend die Hände und verzog angewidert das Gesicht. »Nicht in meine Nähe«, quietschte sie und machte ein paar Schritte zurück.

Der Mann, der das Essen bestellt hatte, trug einen Anzug. Das war höchst ungewöhnlich für Kunden im Retter-Imbiss. Tilo nannte sein kleines Bistro so, weil er als Retter in der Not den feierwütigen Schnapsleichen selbst weit nach Mitternacht noch undefinierbaren Matsch servierte. Normalerweise fanden sich hier nur Betrunkene oder Obdachlose ein, ziemlich einfältige Leute, die sich nur mit den nötigsten Worten artikulierten und definitiv nie im Anzug kamen. Meist tauchten sie sehr früh am Morgen oder viel zu spät in der Nacht auf. Charlie war froh, gemeinsam mit Leila die Tagschicht übernehmen zu können. Einerseits, weil die Kundschaft meist angenehmer roch, als die Besoffenen am späten Abend und andererseits, weil sie nachts wichtigere Dinge zu tun hatte. Außerdem war Leila ihre beste Freundin, mit der sie auch ein kleines Apartment teilte. Sie war einer von wenigen Menschen, deren Anwesenheit Charlie genoss.

Weil sie nicht gewohnt war, einen Kunden zu haben, der ihr im Anzug gegenübersaß, war es für Charlie noch peinlicher, ihm das Schlachtfeld von Toast auf den Tisch zu stellen. »Guten Appetit«, sagte sie so fröhlich wie sonst auch und hoffte, dass der Mann nicht allzu angewidert von dem Essen war. Er nickte dankend und Charlie atmete erleichtert aus, als sie ihm den Rücken zuwenden konnte und zurück zu Leila ging.

Diese lehnte gegen den Tresen und beobachtete den Mann mit hochgezogenen Augenbrauen. »Echt ein sonderbarer Kerl«, sagte sie in normaler Lautstärke. Es war für sie ganz normal, rücksichtslos über die anwesenden Personen zu sprechen, die in den Imbiss kamen. Aber für gewöhnlich trugen diese ja auch keinen Anzug.

Charlie wedelte beschwichtigend mit der Hand, um ihr deutlich zu machen, leiser zu reden, aber das kümmerte Leila überhaupt nicht. »Komm schon, hast du Tilos Toast jemals probiert? Der schmeckt grauenvoll.« Ein Grummeln kam aus der Küche, was die Mädchen aber gekonnt ignorierten. Leila legte den Kopf schief. »Und bei dem sieht es so aus, als schmeckt es ihm auch noch.« Sie riss die Augen auf. Auch Charlie drehte sich zu dem Mann und stellte fest, dass er tatsächlich so genüsslich aß, als säße er in einem schicken Italiener. Und doch war er nicht der seltsamste Kerl, der hier bisher gegessen hatte. »Naja, ist ja auch egal«, wechselte Leila so schnell wie üblich das Thema und umklammerte Charlies Schultern. »Rate mal, was passiert ist. Ein kleiner Tipp: Ich hatte Recht.« Sie lächelte übertrieben breit und musste sich offensichtlich davon abhalten, quietschend durch die Gegend zu springen.

Auch wenn Charlie eine frohe Persönlichkeit war und sich für alles begeistern konnte, war Leila noch ein bisschen schlimmer. Aber das war es, was sie ausmachte. Sie schaffte es, ihre komplette Umgebung nach oben zu ziehen und jeden in ihrer Gegenwart zum Lächeln zu bringen.

»Deine Eltern geben dir den Zuschuss für die Brustvergrößerung?«, witzelte Charlie und Leila riss empört den Mund auf.

Sie ließ von Charlie ab und schaute an sich herunter. »So weit ist es leider noch nicht. Aber mal ehrlich, ich seh doch echt aus wie ein Brett in dem grässlichen Fummel.« Sie strich das T-Shirt glatt, auf dem mittig Tilos Logo abgedruckt war. Charlie hoffte, Leila nun auf andere Gedanken gebracht zu haben, weil sie befürchtete zu wissen, worüber sie reden wollte. Leider war sie nicht so schnell von diesem Thema abzubringen. »Aber nein, darum geht's nicht. Viel besser: Thomas hat mit mir geredet.« Sie griff nach Charlies Händen und wirkte, als sei sie kurz davor, auf und ab zu hüpfen. Ihre Augen leuchteten, als war sie ihrem Traummann begegnet. Aber Thomas war nichts weiter als ein Freund. Ihrer beider bester Freund. Er war Stammkunde im Retter-Imbiss, seit die Mädchen ihn hier umsonst essen ließen. Dass Leila sich also mit ihm unterhalten hatte, war nicht weiter ungewöhnlich. Charlie wusste allerdings, worauf sie hinauswollte.

TraumsammlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt