Kapitel 4

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Kapitel 4.

Meiam zündete die Papierlaternen an. Es wurde bereits dunkel und das Schiff pflügte sich leise durch das Wasser. Ein chinesisches Handelsschiff war so freundlich und nahm sie mit. Es lag ganz flach im Wasser und wenn man sich an den Rand setzte, konnte man die Beine abkühlen. Meiam zündete gerade den letzten Lampion an. Der Wind blies ihr ins Gesich. Er war ganz kühl. Langsam lies Meiam ihren Blick über das Deck schweifen. Am Bug entdeckte sie Janosch. Sein schwarzes Haar wehte im Wind. Meiam überlegte sich ob sie sich zu ihm setzen sollte. Er war so schön. Sie lief auf ihn zu, doch sie stoppte, denn er zog auf einmal etwas aus seinen schwarzen Seidenanzug. Schnell versteckte sie sich hinter ein paar Netzen. Janosch blickte sich um. Er konnte Meiam nicht sehen. Als er sich wieder dem Gegenstand zuwandte, schaute sie vorsichtig hervor. Was war das für ein Ding? Leise schlich sie sich näher heran. Jetzt konnte sie es sehen. Er hatte eine kleine Pfeife in der Hand. Sie war silbern und glänzte. „Sorry Phillia, aber ich kann dich so schnell nicht abholen", murmelte er. „Ich habe eine Mission, aber das weisst du ja." Wer war Phillia? Und von was für einer Mission sprach er? „Hey, kann ich mich zu dir setzen?" Meiam kniete sich neben Janosch. Er zuckte kurz zusammen, entspannte sich aber gleich wieder. Sie bemerkte wie er über die Pfeife strich. Er war traurig, das spürte sie. „Kennst du das?", fragte er sie. „Kennst du es, dass du traurig bist, wenn jemand den du liebst nicht bei dir sein kann?" Na klar kannte Meiam das. Sie hatte gerade ihren treusten Begleiter und besten Freund, ihren Drachen Nalon verloren. Sie war oft Wochenlang unterwegs, meilenweit von Zuhause weg. Sie lebte bei ihren Grosseltern. Ihre Mutter war bei der Geburt ihres kleinen Bruders gestorben und ihr Vater ist vor einem halben Jahr von Feuerdrachen ermordet worden. Er war auch en Drachenläufer gewesen. Meiam und ihr kleiner Bruder Neily lebten seither bei ihren Grosseltern. Neily hatte genau das selbe dunkelbraune Haar wie Meiam. Sie liebte ihren Bruder, doch es war bereits zwei Monate her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.

Meiam antwortete nicht. Fragend sah Janosch sie an. Sie weinte nicht, sah aber unglaublich traurig aus.. „Hey", versuchte er sie zu trösten. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und hob es so an, dass sie ihn ansehen musste. „Jetzt bist du ja nicht mehr alleine." Vorsichtig strich er ihr über das Gesicht. Ihre Haut war ganz weich.

Er nahm ihr Gesicht in die Hände und hob es so an, dass sie in sein Gesicht sehen musste. Blau! Seine Augen waren dunkelblau. „Wie das Meer", dachte Meiam. „Jetzt bist du ja nicht mehr alleine", sagte Janosch. Irgendwie beruhigte sie das. Sie fühlte sich sicher in seiner Gegenwart. Natürlich hatte sie ihn erst heute Vormittag kennengelernt, aber es war so, als kannten sie sich schon ewig. „Ich denke, es wäre besser wenn ich dir deinen Arm frisch verbinden würde." Er schaute ihr direkt in die Augen. Seine Hände wahren erstaunlich warm. „Ja gerne", antwortete Meiam kleinlaut. Sie lächelte schon wieder. Janosch nahm ihre Tasche und öffnete sie. Er sah auf den ersten Blick die säuberlich versiegelte Pergamentrolle. Er würde einfach so tun als würde er sie rausnehmen um den Verband schneller zu finden. Danach könnte er sie ohne grossen Aufwand verschwinden lassen. „Halt!" Schnell riss Meiam ihm die Tasche aus der Hand. Ihr Plötzlicher Stimmungswechsel erschreckte ihn. „Hier", sagte sie schroff und hielt Janosch den, auf dem Markt ergatterten Verband hin. Mist, nun musste er es doch tun wenn sie schlief.

Janosch lag wach im Bett. Das Schiff schaukelte und es war stockdunkel. Zum Glück hatte Janosch sich genau eingeprägt wo Meiam schlief. Er wusste sogar wo sie ihre Tasche hingestellt hatte. Sollte er es wirklich tun? Er mochte Meiam und wollte nicht, dass sie seinetwegen Ärger bekam. „Was ist dir wichtiger? Sie oder deine Heimat?" Seine innere Stimme quälte ihn schon die ganze Nacht. „Beides ist mir sehr wichtig. Wenn ich vorsichtig bin, kann ich meine Heimat retten, und ich bringe sie nicht in Schwierigkeiten." Janosch wartete noch eine Weile bis er aufstand.

Leise schlich er aus seiner Kombüse, den Flur entlang. Er durfte sie unter keinen Umständen wecken. Vorsichtig tastete er sich der Wand entlang bis zu der Tür, hinter dessen er Meiams Kombüse vermutete. Gerade als er die Klinke runterdrücken wollte hörte er drinnen etwas rumpeln. Jemand fluchte leise. Schnell presste er sich in den Türrahmen zwei Kombüsen weiter. Gerade noch rechtzeitig, den nur eine halbe Sekunde danach trat eine Gestalt aus Meiams Kajüte. Sie war grösser als Janosch und konnte deshalb unmöglich Meiam sein. Janosch sah, dass dieser Jemand etwas in der Hand hielt. Die Pergamentrolle! Was sollte er tun? Der Mann steckte sie in seine Manteltasche Ohne lange zu studieren lief Janosch los. Der Unbekannte kam direkt auf ihn zu. „Entschuldigen sie, ich habe einen Yen verloren. Könnten sie mir helfen?" Der Mann zuckte zusammen und antwortete dann sehr schroff: „Keine Zeit." Als er an Janosch vorbeigehen wollte, rempelte er den Unbekannten an. „Kannst du nicht besser aufpassen?", brüllte der Mann ihn an, doch Janosch hatte sich längst gebückt. Die Pergamentrolle war dem Mann bei dem Zusammenstoss heruntergefallen. Blitzschnell steckte er die Rolle ein und erhob sich wieder. „Mein Yen! Ich habe ihn gefunden. Vielen Dank" Der Mann fluchte und verschwand dann in der Dunkelheit.

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