Seoul

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"Willst du es dir nicht noch einmal überlegen Jia?" Mein Vater zupfte am Kragen meiner Jacke und musterte mich skeptisch. "Dad, ich habe in meinem Leben bisher nichts anderes gesehen! Ich muss raus aus diesem Dorf! Außerdem bin ich doch gar nicht weit weg."

Ok das war leicht gelogen, 200km sind definitiv nicht um die Ecke und die Zuganbindung war auch nicht gerade die beste. Ich würde jetzt etwa drei Stunden Zug fahren und zwei mal umsteigen müssen.

Ich bemühte mich nicht genervt zu klingen, was mir allerdings besonders schwer viel, da mein Vater mir seit mehreren Wochen versuchte mein Studium in Seoul aus zu reden. Eigentlich ungewöhnlich, jeder aus unerem Dorf wünschte sich, dass ihre Kinder eines Tages auf eine gute Universität gehen, nur mein Vater wollte mich am liebsten zu Hause behalten.

"Genau deswegen mach ich mir doch sorgen Spätzchen" begann er und ratterte seine Sorgen herunter
"Seoul ist riesig, was wenn du dich verirrst oder überfallen wirst, oder..."

"Stop!" unterbrach ich ihn und klopfte ihm gegen die Brust.
"Das haben wir schon alles besprochen. Außerdem wohnt Onkel Kim ganz in der Nähe des Studentenwohnheims"

Er wollte noch etwas sagen und öffnete seinen Mund, doch er beließ es dabei und seufzte schwer als er meinen Koffer in den Zug hiefte.
"Sei bitte trotzdem vorsichtig" sagte er sanft und nahm mich in den Arm.
"Ich verspreche es" erwiederte ich und löste mich aus seiner Umarmung.

Zwei mal umsteigen und drei Stunden später stand ich mit meinem Koffer am Hauptbahnhof von Seoul.
Zum ersten mal in meinem Leben.
Ein Gefühl von Freiheit und Grenzenlosigk überkam mich. Alles war bunt und laut und überall waren so viele Menschen. Der Bahnhof an sich war schon größer als unser Dorf, weshalb ich beinahe eine halbe Stunde brauchte um den richtigen Ausgang zu finden.

Mit der U-Bahn fuhr ich dann zum Studentenwohnheim und als der Pförtner mir meinen Schlüssel gab und ich endlich in meinem Zimmer stand ging bereits die Sonne unter. Ich atmete einmal tief durch und ließ mich aufs Bett fallen.

Groß war das Zimmer nicht, gerade groß genug für ein Bett, ein Schreibtisch und zwei kleine Regale.
Ich hatte ein kleines Bad mit Dusche und auf jedem Stockwerk befand sich eine Gemeinschaftsküche.
Aber für mich reicht es vollkommen aus.

Frisch geduscht machte ich mich daran meine Sachen aus zu packen und mein Zimmer etwas heimischer zu gestalten.

Als ich damit fertig war, hatten wir 20Uhr. Doch ich wollte nicht den ganzen Abend alleine verbringen. So beschloss ich meinen Onkel an zu rufen und kaum eine halbe Stunde später saß ich auf seinem Sofa.
"Es tut mir so leid Jia" entschuldigte er sich bestimmt schon zum vierten mal "wenn ich gewusst hätte das du mich heute noch besuchst hätte ich etwas gekocht."

Ich schüttelte den Kopf "Onkel Kim, es ist alles ok, ich sollte mich bedanken das du essen bestellen möchtest"
Trotzdem lief mein Onkel aufgeregt und angespannt immer wieder zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her.

"Wie geht es deinem Vater Jia?" rief er mir aus der Küche zu.
"Er macht sich sorgen um mich aber sonst geht es ihm gut"
"Früher war dein Vater nicht so verklemmt. Du wirst es kaum glauben aber als er damals meine Schwester, deine Mutter kennen gelernt hat war ein ziemlich wilder..."
Onkel Kim schüttelte den Kopf und trat mit dem Telefon in der Hand wieder ins Wohnzimmer.
"Ich bestelle jetzt Pizza, was möchtest du drauf haben?" Ich musste schmunzeln, genau so verpeilt hatte ich meinen Onkel in Erinnerung gehabt. "Ich möchte eine mit Meeresfrüchten"

Mein Onkel verschwand wieder in der Küche. In diesem Moment klingelte es an der Tür. "Jia könntest du eben die Tür auf machen, sind bestimmt meine Nachbarn" rief mir mein Onkel zu und ich ging zur Tür um sie zu öffnen.

Ohne durch den Türspion zu sehen öffnete ich schließlich die Tür und erschrak gewaltig. Ein großer Mann komplett in schwarz gekleidet mit Mundschutz, Sonnenbrille und Basecap stand vor mir. Vor Schreck entfuhr mir ein Spitzer Schrei. War dieser Mann ein Einbrecher? aber die klingeln doch nicht so einfach an der Tür oder?

Mein Gegenüber schien jedoch ebenso überrascht wie ich und zog sich die Sonnenbrille von der Nase. "Wer bist du denn?" fragte er mit einem leicht gehässigen Tonfall, der mir überhaupt nicht gefiehl. Wofür hält sich dieser Typ?

"Das gleiche könnte ich Sie fragen. Sie sehen aus wie ein Schwerverbrecher!" Er lachte und zog sich nun auch den Munschutz hinunter. Überrascht musste ich feststellen das der Mann noch sehr jung war, vielleicht ein paar Jahre älter als ich.

"Damit sollte deine Frage wohl beantwortet sein" ich legte den Kopf schief und schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid, aber Gedanken lesen kann ich nicht! Wer sind Sie? und was wollen Sie?"

Der junge Mann bekam große Augen "Mein Name ist Kim, Kim Seokjin" mir klappte der Mund auf. "Seokjin?" "Allerdings der bin ich, damit hättest du jetzt nicht gerechnet nichtwahr?" er grinste breit und ich schüttelte den Kopf "Nein, ich hab dich überhaupt nicht wiedererkannt. Es muss über zehn Jahre her sein"

Ich musterte ihn erstaunt. Mein Cousin war zu einem richtigen jungen und gut aussehenden Mann herangewachsen. "Nur wieso bist du so vermummt?, du machst ja allen angst und jetzt komm ersteinmal rein. Dein Dad bestellt gerade Pizza" Ich griff nach seiner Hand und zog ihn in die Wohnung. Mein Cousin starrte mich verwirrt an. Ich konnte es in seinem Gehirn förmlich rattern hören. Als ihm jedoch klar wurde wer ich bin riss er seine Augen auf "Jia?" Ich nickte "das hat aber lange gedauert" neckte ich ihn boxte ihm sanft spielerisch gegen den Oberarm.

"Es ist wirklich ewig her das wir uns gesehen haben" sagte er, während er seine Schuhe und Jacke auszog.

"Die Pizza kommt in... Jin?" Mein Onkel trat um die Ecke und blieb erstaunt stehen. Sein Blick wanderte zwischen uns hin und her. "Jin?" ich drehte mich fragend zu meinem Cousin "Neuer Spitzname" erklärte er knapp. Jetzt wechselte er komische Blicke mit seinem Vater. "Ist alles ok zwischen euch beiden?" fragte ich "ihr benehmt euch wirklich seltsam"

"Nein es ist alles gut" beteuerte mein Onkel. "Es ist nur ungewöhnlich, dass du hier bist, vor allem alleine und zu so später Stunde" Onkel Kim zog seine Augenbrauen hoch und musterte seinen Sohn. "Mein Fahrer wartet unten"

Der Seokjin den ich kannte, war nicht so knapp angebunden, aber wie gesagt, dass ist mittlerweile auch 15 Jahre her. Wir teilten uns die zwei Pizzen. Seokjin packte eine kleine Tasche mit Sachen aus seinem Zimmer (weshalb er ursprünglich hergekommen war) und wir redeten noch eine Weile über dies und das.

Es war bereits kurz nach Mitternacht als ich auf die Uhr sah und erschrak "Ich muss los, morgen früh beginnen schon die Einführungskurse" sagte ich erschrocken und erhob mich.

"Ich nehem dich mit" meinte Seokjin und stand ebenfalls auf. "Mach dir keine umstände, das Wohnheim ist nicht weit von hier"

"Jia du bereitest uns keine Umstände, wenn Jin dich nicht begleitet werde ich es tun. Du lebst nicht mehr auf dem Dorf" meinte mein Onkel und ich gab mich geschlagen.

Ich folgte Seokjin nach unten. Er hatte sich wieder komplett vermummt, was mir zwar komisch vorkam aber ich war zu müde um danach zu fragen. Unten vor dem Haus stand ein kleiner Van. "Der hat aber nicht die ganze Zeit hier auf dicht gewartet oder?" Seokjin nickte nur und bedeutete mir zuerst ein zu steigen.

"Du bist mir ein Rätsel Kim Seokjin" gähnte ich. Die Fahrt dauerte nur 5 Minuten. Mein Cousin begleitete mich noch zur Tür und verabschiedete sich.

Ich war einfach nur noch glücklich als ich in meinem Bett lag. Ein ganz schön anstrengender Tag aber auch wirklich schön.

my desire for you (BTS) deutsch/germanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt