Teil VI

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Die Worte meiner besten Freundin überzeugten mich schnell, mich doch nochmal bei Steffen zu melden. Noch am selben Abend schrieb ich ihm, nachdem mir Lily seine Nummer gegeben hatte. Ihr gegenüber hatte ich nun auch ein schlechtes Gewissen - schließlich war ich der Grund dafür, dass Steffen in Selbstmitleid badete und das Sexleben von Lily und Lars deswegen darunter litt.
Zwei Tage später stand ich ungeduldig vor dem kleinen Café, was der Gitarrist vorgeschlagen hatte. Einen kleinen Nervenzusammenbruch hatte ich heute schon hinter mir, da ich einfach nichts brauchbares zum Anziehen in meinem Kleiderschrank finden konnte. Gott sei Dank half mir Lily dabei und wich mir nicht von der Seite, bis ich mich auf den Weg machte. Doch nun bahnte sich der nächste Nervenzusammenbruch an, da ich nicht wusste, wie ich mich Steffen gegenüber verhalten sollte. Mal ganz davon abgesehen, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, was ich eigentlich zu ihm sagen sollte. Mein eh schon viel zu schnell schlagender Puls verdreifachte sich, als ein mindestens genauso nervöser Steffen um die Ecke kam. Schüchtern lächelte ich ihn an, brachte nicht mehr als ein leises ‚Hallo' über die Lippen. Verlegen kratze er sich am Hinterkopf und begrüßte mich genauso zurückhaltend, bevor wir uns in das Café setzten.
Als wir unsere Bestellung aufgegeben hatten passierte das, wovor ich im Vorfeld wahnsinnige Gedanken gemacht hatte - es herrschte Stille zwischen uns. Und ich wusste nicht, wie ich diese aus dem Weg räumen konnte. Nervös spielte ich mit einer Serviette, zerlegte sie an der einen Ecke in ihre einzelnen Schichten. Steffen sah mir gespannt zu, sagte aber ebenfalls nichts. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, legte die Serviette zur Seite, atmete einmal tief durch und sah dann Steffen an. In seinen Augen zeichnete sich Angst ab. Wahrscheinlich weil er keinen blassen Schimmer hatte, was ich nun tun oder sagen würde. „Hör zu..e-es tut mir unfassbar leid. Ich hab dich letzte Woche richtig scheiße behandelt und.." - „Ich hatte es auch verdient so behandelt zu werden." unterbrach mich Steffen und sah mich mit einen unfassbar traurigen Blick an, der mir mein Herz erneut brach. „Nein, hast du nicht. Vielleicht am Anfang, ja. Aber nicht mehr als du dich bei mir entschuldigt hast. Und du hast dich mehr als einmal bei mir entschuldigt." Am liebsten hätte ich nach seiner Hand gegriffen, aber für sowas war es einfach noch zu früh. „Steffen..i-ich.." begann ich zu stottern, doch genau in dem Moment kam unser Essen. Doch mir war nicht mehr nach Essen zu Mute. Ich wollte einfach nur mit dem Mann reden, mit dem ich einen so schlechten Start hatte und für den ich trotzdem kämpfen wollte. Ich setzte erneut an, als die Kellnerin weg war. „Steffen ich bin so eine Vollidiotin gewesen. Du hast dich tausend mal bei mir entschuldigt, mir gesagt wie gerne du mich kennenlernen möchtest und ich hab dich abblitzen lassen. Auch wenn du mir das jetzt nicht glauben wirst, aber ich hab das schon bereut, als ich dich dort allein hab sitzen lassen. Ich habe mir die ganze Zeit über gewünscht, dass du dich bei mir meldest und als du das dann gemacht hast, mache ich so eine Scheiße." - „Ich hatte es doch nicht anders verdient." Steffen sah betrübt auf sein Croissants herab und stocherte mit dem Messer in der Marmelade herum. „Hör auf so eine Scheiße zu sagen!" Jetzt sah er auf und direkt in meine Augen. „Wir haben beide Fehler gemacht, die wir bereuen. Aber ich bereue es trotzdem nicht, dass ich dich kennengelernt habe." Ich strich mir eine Strähne hinter das Ohr, bevor ich weiter redete. „Naja, wirklich kennen tue ich dich ja nicht. Aber das könnten wir ändern, oder?" Vorsichtig sah ich ihn an. Aus seiner Miene könnte ich nichts deuten. „A-also nur wenn du auch magst, weil wenn nicht, dann.." - „Ich will dich unbedingt besser kennenlernen." Steffen unterbrach mich und grinste mich an. Und ich grinste zurück. Gott, sein Grinsen war so schön. „Oder denkst du, ich habe das letzte Woche umsonst gesagt?" Sofort schüttelte ich den Kopf. „Aber ich hätte da trotzdem noch was, was mir wichtig wäre." Sofort verwandelte sich Steffen's Grinsen zu einer ernsten Miene. „Keine Angst, so schlimm ist das jetzt nicht. Aber ich hätte angesichts unseres etwas...holprigen Starts am Anfang gerne Lily und Lars dabei. Und kein Kuss vor dem dritten Date." Man konnte förmlich sehen, wie erleichtert der hübsche Gitarrist nach meinen Worten war. „Mit den Regeln werde ich klar kommen." Zaghaft lächelte er mich an. „Und danke, dass du mir nochmal eine Chance gibst. Diesmal werde ich es nicht vermasseln, versprochen." - „Ich sollte mich wohl eher bei dir bedanken, dass du dich überhaupt auf das Treffen eingelassen hast. Ich weiß nicht wie ich an deiner Stelle reagiert hätte." Beschämt sah ich auf den Tisch. Mir war es einfach peinlich, wie ich mich ihm gegenüber verhalten hatte. „Bei jeder anderen Frau hätte ich wahrscheinlich auch ‚Nein' gesagt, aber bei dir könnte ich das nicht. Und selbst wenn ich es getan hätte, hätte mich deine beste Freundin höchstpersönlich hierher geschleift." Jetzt musste ich lachen. „Ja, Lily kann bei sowas sehr...energisch sein. Aber sie meint das keineswegs böse." - „Ich weiß. Sie ist ein wirklich guter Mensch. Man kann wirklich gut nachvollziehen, wieso sich Lars so hoffnungslos in sie verliebt hat. Die beiden passen wirklich super zusammen." Ja, passten sie wirklich. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass Lily richtig glücklich war und das freute mich natürlich. Über die Beziehung unserer besten Freunde kamen wir nun endlich richtig ins Gespräch. Wir aßen in aller Seelenruhe unser Frühstück und schlenderten danach noch um die Alster. So eine ungebetne Situation wie am Anfang unseres Treffen trat auch nicht nochmal auf. Im Gegenteil - Steffen und ich redeten soviel, dass der Tag wie im Flug verging. Und trotzdem hatte ich noch nicht genug von ihm und war fast schon traurig, als er mich zuhause absetzte und mich verabschiedete.

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