Kapitel 3

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Als ich am nächsten Tag aufwache, ist mein Bett leer und das Zimmer kalt. Fröstelnd ziehe ich die Decke über meinen Oberkörper. Ich stelle fest, dass ich trotz der eisigen Luft schweißgebadet bin. Nathaniel ist wahrscheinlich schon vor einer Weile gegangen. Als ich auf den alten Wecker neben meinem Bett schaue, sehe ich, dass es bereits 8:00 Uhr ist. Zitternd setze ich mich auf. Meine Hände beben und mein Herz pocht schmerzhaft in meiner Brust. Trotz Nathaniels Wärme neben mir, habe ich noch ein weiteres Mal den selben Traum geträumt. Wahrscheinlich hatte das ganze gar keine große Bedeutung. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass mir mein Kopf irgendetwas sagen möchte. Dass er Erinnerung zum Vorschein bringen will, von denen ich nichts weiß.
Ich setze mich auf und beobachte die Sonne, die kleine Schneeflocken glitzern lässt. So wie es aussieht schneit es nur wenig.

Ich stehe auf und suche meinen dicken Pullover und eine dunkle Jeans aus meinem Schrank. Ich habe nicht viele Klamotten, und das ist mir auch egal. Hauptsache sie halten warm und hindern mich nicht beim Jagen. Ich glaube unsere Konsumgesellschaft vor dem Untergang hat sich auf einen Schlag verändert. Es ist nicht mehr wichtig viel zu besitzen. Und um Geld geht es erst recht nicht, denn das gibt es nicht mehr. Wir tauschen, und handeln um Lebensmittel und Waffen zu bekommen. Im Stamm kann jeder etwas besonders gut und besser als andere. Und dann tauschen wir eben unsere Produkte. Nataniel, Shawn und ich tauschen meistens die erlegten und geweideten Tiere oder gesammelte Früchte, oder Dinge, Fundgegenstände, die wir auf unseren Suchen finden. Ab und zu fahren wir mit dem Jeep, der dem Stamm neben drei weiteren gehört, hinaus und kundschaften neue Abschnitte aus. Wälder, Straßen, manchmal finden wir einzelne Häuser oder verlassene Städte. Es ist manchmal komisch, Stofftiere oder Kindersachen in der Asche zu finden, die größtenteils der Fläche bedeckt. Das erinnert mich an hilflose Schreie und kleine Kinder, die damals ein normales Leben geführt haben. Viele sind von ihnen wahrscheinlich schon tot. Aber ich habe mir immer ein normales Leben gewünscht, ohne Kriege und Mord. Viel zu früh haben wir das Töten von Menschen in unseren Alltag aufgenommen. Und um ehrlich zu sein wäre ich lieber gestorben, als zu lernen Menschen umzubringen. Mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt. Und ich will für Nataniel und Shawn weiterleben. 

Ich gehe die Holztreppe hinunter und schaue mich in der Küche um. Nataniel und Shawn sitzen um den kleinen Tisch und reden leise miteinander. Shawn schärft eines seiner Messer, die anderen liegen auf dem Tisch, als hätte er sie einfach ausgekippt. Nataniel sitzt breitbeinig auf einem Stuhl, unter ihm eine alte Metallwanne, und puhlt die Innereien aus einem toten Truthahn. Es wundert mich, dass er es um die Zeit geschafft hat, einen Truthahn zu finden.
Ich setze mich zu ihnen und frage Nataniel: "Wo hast du den denn gefunden?".

"Ungefähr eine Meile nördlich von hier. Ich bin ganz früh los, die andere zwei, die ich erwischt habe, hängen schon draußen.", antwortet er mir grinsend.

Er hat drei Truthähne gefunden, das ist unglaublich. Die reichen uns für eine Woche als Nahrungsquelle, wenn wir einen davon gegen Brot und etwas Gemüse eintauschen.
Mit geweiteten Augen sitze ich da und lache die beiden an. In diesen Zeiten brauchen wir einander und jeder hoffnungvolle Moment ist ein Geschenk.

"Ich bringe einen dann gleich zu Maggy. Die anderen zwei koche ich aus, das reicht locker für eine Woche.", sagt Natanial und widmet sich wieder dem Truthahn.

Wenn wir jagen waren tauschen wir unsere Beute gegen andere Nahrungsmittel. Oder wir kochen das Fleisch und lagern es draußen im Schnee. Im Sommer hängen wir es jedoch zum trocknen auf, damit es länger hält.
Die meißte Zeit ist unsere Ernährung sehr einseitig und basiert auf Brot oder Bohnen. Es ist unglaublich wie glücklich einen die Abwechslung macht, wenn wir erfolgreich jagen waren.
Im Stamm der Hunter und auch in allen anderen gilt das Gesetz: Jeder kämpft zuerst für sich selbst.
Das bedeutet nicht, dass wir uns nicht gegenseitig helfen, gerade untereinander im Stamm ist auch das sehr wichtig.
Aber es ist eben oberste Priorität erst sich selbst zu ernähren und etwas dafür zu tun. Wer sich nicht selbst mit Essen versorgen kann leistet seinen Beitrag. Tara hat zwei kleine Kinder und kann deshalb kein Risiko eingehen, auf die Jagd zu gehen. Die Hunter liefern ihr trotzdem ausreichend Essen. Dafür leistet sie einen Beitrag. Sie ist Teil unserer Mediziner. Sie verarztet, stellt Arzneimittel her und was sie sonst noch aus ihren Kräuter und Sträuchern anrühren kann.
Wer seinen Beitrag nicht leistet, bekommt keine Gegenleistung. Wir haben kein Mitleid für Schmarotzer. Sie kosten nur und nützen nichts.

The Hunters - In Zeiten des Krieges Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt